Gründung und Entwicklung der Stadt Barczewo – Wartenburg

Eine interessante Stadt nahe Allenstein, malerisch in die Umgebung von Wäldern und Seen eingebettet, ist Wartenburg, ursprünglich angelegt auf einer Insel im Wadangfluß – Wadag. Der Ort mit dem typisch mittelalterlichen Grundriss erhielt am 6. Juli 1364 von Bischof Johann II. Stryprock (1355 – 1373) die Gründungsurkunde. In dieser Zeit kamen auf Bitten des Bischofs die Franziskaner in die Stadt. Die Ansiedlung der Mönche wurde in der Handfeste verankert, was für das Ordensland einmalig ist. Lokator war Heinrich von Layß, Bruder des Lokators von Allenstein, Johannes von Leysen, die beide aus dem Dorf Layß bei Mehlsack stammten. Die Stadt wurde Hauptort eines bischöflichen Kammeramtes und seine Burg Sitz eines Burggrafen..[1]

Auch wenn Wartenburg im Hungerkrieg 1414 erheblich zerstört wurde, baute man die Häuser umgehend wieder auf und stellte damit sicher, dass sich die relativ günstige Entwicklung des Städtchens fortsetzen konnte. So wurde die Gemeinde der wirtschaftliche Bezugspunkt der weiteren Umgebung und hatte bis ins 19. Jh. hinein mehr Einwohner als Allenstein. Neben einem verheerenden Stadtbrand 1544, der die Kirche, das Dach der Burg und viele Bürgerhäuser beschädigte oder zerstörte, wütete ein folgenschwerer Brand 1798, bei dem die Burg vollständig abbrannte. Um Baumaterial für den Wiederaufbau zu gewinnen, verwendete man die Burgruine sowie die Stadtmauer samt der Stadttore als Materialdepot.

Besonders das Fuhrgewerbe gedieh hier. Um es möglichst zu erhalten, verweigerten sich die Einwohner dem Anschluss an das Eisenbahnnetz. Ein Bahnhof entstand deshalb im 2 km entfernten und weitsichtigeren Dorf Reuschhagen.

Der deutsche Name der Stadt hat seinen Ursprung in dem kleinen Ort Wartenburg unweit der Lutherstadt Wittenberg und nahe der Elbe an der Einmündung der Schwarzen Elster. Dieses Dorf spielte in einer späteren Begebenheit eine weitere historische Rolle: In den Freiheitskriegen erzwang hier 1813General Yorck, der auf preußischer Seite die Konvention von Tauroggen ausgehandelt hatte, im Kampf gegen die Franzosen einen Elbübergang. Zur Belohnung für diesen militärischen Erfolg erhob König Friedrich Wilhelm III. den General in den Grafenstand mit dem Namenszusatz “von Wartenburg”. Einen Yorck-Gedenkstein an der Elbe gibt es nahe Altenzaun bei Werben. Bereits als Oberst sicherte Yorck hier 1806 mit seinen Mittenwalder Jägern den Elbübergang für die vor Napoleon zurückweichende preußische Armee, indem er selbst die Franzosen angriff.

Der polnische Name der Stadt geht zurück auf den Pfarrer Walenty Barczewski, einem um 1900 lebenden Ethnographen, Historiker und Fürsprecher der ermländischen Polen, der sein Amt in Braswald – Braunswalde ausübte.

Im Zuchthaus auf dem Klostergelände saß der “Verderber Ostpreußens”, Erich Koch, zur Strafe ein. Er wurde am 19. Juni 1896 in Elberfeld geboren und nahm am 1. Weltkrieg teil. 1919 wurde er Reichsbahnangestellter. Schon 1922 trat er der NSDAP bei und beteiligte sich in der Folge an Widerstandsaktionen gegen die französischen Besatzer im Ruhrgebiet, was ihm verschiedene Gefängnisaufenthalte einbrachte. Aufgrund dieser Aktivitäten wurde er zum Gebietsleiter und 1928 zum Gauleiter in Ostpreußen ernannt. 1930 gelangte er in den Reichstag und avancierte unter den Nationalsozialisten 1933 zum Oberpräsidenten von Ostpreußen und 1941 – 1944 zum Reichskommissar für die Ukraine. Insbesondere dort führte er ein Schreckensregiment.

Koch war sich mit Hitler einig, dass jeder Zweifel am Endsieg und jede Vorsorge im Hinblick auf ein Zurückweichen defätistisch und damit kriegsschädigend war und hat es zu verantworten, dass die Bevölkerung des Landes viel zu spät, wenn überhaupt, die Genehmigung zur Flucht erhielt und diese dann unorganisiert und chaotisch unter Verlust sehr vieler Menschenleben und der Aufgabe fast des gesamten Hab und Guts erfolgte. Viele Flüchtlinge wurden von den sowjetischen Truppen überrollt und gerieten in Gefangenschaft und nach Sibirien, wenn sie nicht auf der Stelle den Tod fanden. Mit seiner Weigerung, den Endkampf verloren zu geben und stattdessen mit verbissener Inbrunst auf eine Wende des Schicksals zu hoffen, hat er unsägliches Leid über die ihm anvertraute Bevölkerung gebracht. Nachdem ihm dann selbst die Flucht aus Königsberg nach Dänemark glückte, wurde er in Deutschland identifiziert, festgenommen und 1950 an Polen ausgeliefert. Das 1959 gefällte Todesurteil wegen der Tötung von 400.000 Polen, wobei die Opfer in der Ukraine nicht berücksichtigt wurden, vollstreckte man aber wegen angeblicher Krankheit des Verurteilten nie. Man verlegte Erich Koch in das Zuchthaus Wartenburg und hier starb er im 91. Lebensjahr am 12. November 1986.

Für Kochs Raffgier und Skrupellosigkeit ist sein Verhalten nach der Eroberung Polens bezeichnend. Er ließ sich umgehend das seinem Gau angegliederte polnische Landgut Krasne zu einem luxuriösen Herrensitz ausbauen: Allein die Inneneinrichtung, zum Teil aus schwedischem Marmor, verschlang 1,5 Millionen Reichsmark. Da der Teppich für den Festsaal, ein Geschenk Hermann Görings, die Maße des Raumes überstieg, wurde der Saal komplett abgerissen und zum Teppich passend neu errichtet. Die Räume des Herrschaftssitzes ließ Koch mit Kunstwerken aus Museen Kiews und Lembergs ausstatten, die er in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für die Ukraine von dort “entlehnt” hatte.

Mit dem berühmten Bernsteinzimmer hatte er ebenfalls eine enge Verbindung. Eigentlich wollte Göring dieses einmalige Kunstwerk für sich haben. Koch setzte sich bei Hitler jedoch mit seinem Plan durch, das Zimmer im Königsberger Schloss aufzubauen. Göring tobte. Im August 1944 wurde das Königsberger Schloss bombardiert, das wie durch ein Wunder unbeschädigte Bernsteinzimmer wurde in Kisten verpackt und im Schlosskeller eingelagert. Am 12. Januar 1945 beschloss man, es nach Sachsen zu evakuieren. Danach verliert sich die Spur. Man hat vielfach versucht, von Koch nähere Details über den Verbleib des Bernsteinzimmers zu erfahren. Er schwieg sich jedoch darüber aus oder stellte nicht erfüllbare Bedingungen für die Preisgabe seines Wissens. Dabei ist dem alten Gauner durchaus zuzutrauen, dass er überhaupt keine Ahnung von der Vernichtung oder dem Versteck des Bernsteinzimmers hatte.


[1] Malgorzata Jackiewicz-Garniec/Miroslaw Garniec, “Burgen im Deutschordensstaat Preußen”, 1. Auflage Olsztyn 2009, S. 76