Bericht über die Vortragsveranstaltung von Prof. Gilmanov in Offenburg am 11. November

Bericht über die Vortragsveranstaltung von Prof. Gilmanov in Offenburg am 11. November

20.11.2011

Veranstaltungsbericht zur VDS- Vortragsveranstaltung am 11.November 2011 in Offenburg mit Prof. Wladimir Gilmanov, Königsberg/ Kaliningrad

Reges Interesse fand eine Vortragsveranstaltung des Vereins Deutsche Sprache , Regionalgruppe Ortenau mit Prof. Wladimir Gilmanov in Offenburg. In seinen mit lebhafter Intonation vorgetragenen Ausführungen widmete sich der Referent dem scheinbar unüberbrückbaren Spannungsfeld zwischen dem zerstörten historischen Königsberg und dem eingewanderten Kaliningrad. Prof Gilmanov ging zunächst mit hohem Kenntnisstand auf die hervorragenden deutschen Geistesgrößen ein, die in Königsberg lebten und wirkten, z.B. Kant, Hamann, E.Th.A Hoffmann, Simon Dach, Agnes Miegel und Heinrich von Kleist. Er besprach ebenfalls bedeutende russische Kulturschaffende, die Königsberg in dieser Zeit besuchten und sich mit den deutschen Vordenkern austauschten. Von dieser Zeit einer deutsch- russischen Symbiose war Wladimir Gilmanov sichtlich bewegt und begeistert. Wehmütig berichtete er dann auch über die tragische Zäsur im 20. Jahrhundert und erläuterte mit bewegenden Worten die Apokalypse seit 1945. Er, dessen Eltern nach Kriegsende in das nördliche Ostpreußen einwanderten und heute selbst an der Kant- Universität in Königsberg/ Kaliningrad junge Menschen mit den verschiedenen Facetten deutscher Sprache vertraut macht, stellte fest, daß die deutsche Vergangenheit nebst Sprache trotz massiver Verdrängung noch heute allgegenwärtig ist. Diese Ansicht teilt er mit vielen Bewohnern des Gebiets trotz der zweiten großen neostalinistischen Zerstörungsphase der sechziger und siebziger Jahre, der u. a. das historische Königsberger Schloß zum Opfer fiel. Daß sich seither wieder einiges zum Guten gewendet hat, begrüßt er , obwohl er bedauert, daß Königsberg als einzige Stadt im russischen Hoheitsgebiet nach wie vor den Namen eines stalinistischen Henkers trägt und sich wie ein dunkler Schatten zwischen eine deutsch-russischen Normalität schiebt.

Er erwähnte ebenfalls den Kunstschaffenden Juri Iwanow, der das zerstörte Königsberg als Mahnmal für eine fehlgeleitete Menschheit betrachtete und prophezeite, falls keine geistig – moralische Umkehr erfolgen würde, die Welt das Schicksal Königsbergs teilen und zum Krematorium werden würde. Professor Gilmanov schätzt, daß etwa 20 Prozent der Schüler im Königsberger Gebiet in der deutschen Sprache unterrichtet werden.

Neuerdings ist diese Zahl jedoch leicht rückläufig, da sich zahlreiche Lehrer mangels wirtschaftlicher Perspektiven aus dem Bildungsbetrieb zurückziehen. Insgesamt ist der Stellenwert der deutschen Sprache im heutigen Rußland recht hoch und etwa doppelt so wichtig wie in der früheren Sowjetunion. In seinen weiteren Ausführungen befasste sich der Referent mit dem sogenannten interkulturellen Strukturalismus, mit Hilfe dessen der profunde Kenner deutscher und russischer Literatur Vergleichslinien zwischen Goethe und Dostojewski herausstellt.

In einer interessanten und lebhaften Diskussion beantwortete der Vortragende die vielen Fragen, die auch auf das deutsch-russische Verhältnis abzielten. Unter begeistertem Applaus des Publikums sprach er sich für eine Rückbenennung Kaliningrads in den historischen Namen der Stadt aus, ein beträchtlicher Bevölkerungsteil fühle sich ohnehin als Königsberger und habe viele historische Wurzeln der Stadt inzwischen verinnerlicht. Die durch die Insellage vorhandene Distanz zu Kernrußland scheint sich auch geistig verfestigt zu haben.

Verein Deutsche Sprache VDS e.V.
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