Bittehnen – ein Dorf an der Memel
16.02.2012
Wenn Sie die Chaussee Silute-Jurbarkas entlangfahren, zeigt Ihnen jedermann in der Gegend von Lompöhnen und Wilkischken das Dorf Bittehnen und erzählt Ihnen auch gerne davon. Bittehnen liegt ganz dicht am Berg Rombinus, der von malerischen Kiefernwäldern umgeben ist. Östlich davon ziehen sich weite Wiesen in die Ferne. Hier zeichnet die Memel einen breiten Bogen: Wie an den Steilhang des Berges geschmiegt, bewegt sich der Strom nach Westen und verschwindet hinter dem Horizont. Jenseits der Memel sind die Schornsteine von Ragnit deutlich zu sehen. Früher wachte auf Ragniter Seite ununterbrochen ein Fährmann, und wenn man auf die andere Seite wollte, genügte es, mit der Hand zu winken. Die Wälder von Bittehnen sind berühmt für ihre Waldbeeren, und die Menschen setzten von der Ragniter Seite über die Memel, um im Sommer Beeren und im Herbst Pilze zu sammeln.
So war es vor zehn Jahren und früher. Heute sieht alles anders aus. Der Memelstrom bildet die litauisch-russische Grenze. Bittehnen ist jetzt ein Dorf im Grenzgebiet, ohne Anlegestelle und ohne Fähre. Ragnit und Tilsit erreicht man nur auf dem Landweg.
Den schönsten Blick auf Bittehnen haben Sie, wenn Sie sich dem Dorf auf der Landstraße von Osten her- vom malerischen Dorf Pempöhnen – annähern. Auf der Anhöhe erstrecken sich vor Ihren Augen in üppiges Grün eingetauchte rote Backsteinhäuser, der rechts emporragende Rombiuns, der glänzende Memelbogen und dahinter – mit Sträuchern überwachsene Wiesen an der Memel und die Konturen von Tilsit.
Wenn sie Bittehnen vor dem Sonnenuntergang verlassen, haben Sie nur einen kleinen Teil der Schönheit dieser Ortschaft bewundert. Die sommerlichen Sonnenuntergänge hier an der Memel sind einmalig.
Wenn man den Berg erklimmt und sich zwischen den Kiefern niederlässt, kann man an diesem entlegenen und für die meisten unbekannten Winkel ein Wunder der Natur erblicken – den ewigen roten Pfad der Sonne bei ihrem Untergang. Jetzt, bei Sonnenuntergang, spiegelt sich im Wasser der Memel ein greller und farbenreicher Streifen. Es scheint, daß sogar das Wasser aufhört zu fließen und bei diesem wundervollen Anblick erstarrt.
Die sich an der Memel hinziehenden Sträucher, der dunkle Rombinus und der Wald verstärken den geheimnisvollen und faszinierenden Eindruck. Unbemerkt drängt sich der Gedanke auf, daß dies eines der wunderbarsten Bilder unseres Schöpfers ist, das man festhalten und mit einem riesigen Rahmen versehen möchte. Hier, am Rande des Dorfes und beim Anblick des Sonnenunterganges hat man nur einen Wunsch: man möchte die Menschen, die einem ans Herz gewachsen sind, neben sich haben, damit auch sie dieses Wunder miterleben können.
Die Sonne geht unter und nur ihr roter Wiederschein wirft farbige Flecken auf das Wasser. Dunkelheit bricht ein. Wir gehen zurück. Die Störche klappern nicht mehr. Die grösste Storchkolonie in dieser Region schläft. Im Dorf ist es bereits gsmz dunkel. Hier und dort leuchten einige Fenster, die Hunde bellen kurz auf. Nachdenklich und still, vom erlebten Anblick gefesselt, verlassen wir das schlafende Dorf mit dem Schwur, nochmals hierher zurückzukommen.
Kestutis Tolvaisa