Impressionen rund um Wischwill im Memelland
24.04.2012
In einem Gespräch über die Gegend von Wischwill mit einem jungen Mann, Zuokas Gintas, aus Baltupönen erhielt ich von ihm den Vorschlag, an einem Samstagnachmittag mit seinem Auto eine Rundfahrt zu machen. Das Ziel war, nach dem Krieg noch erhaltene Häuser, Dörfer und Landschaften zu besichtigen und Motive für meine Zeichnungen zu finden.
Ein Waldweg von Baltupönen parallel zum Memelstrom führt uns durch den leider nicht mehr vorhandenen Ort Pagulbinnen in Richtung Wischwill. Es gab dort schöne Fliederbüsche. Die dortigen Bauern fuhren früher am Sonntag mit geschmückten Pferdewagen nach Wischwill zur Kirche. Es gab zwei Friedhöfe; einer davon war im Wald. Beide sind in schlechtem Zustand und nur noch in Resten erhalten.
Ein noch erhaltenes Haus an der Altmemel wurde vor 6-7 Jahren von einem Mann aus Kaunas gekauft, der es umgebaut und für Erholungszwecke eingerichtet hat.
Man kommt unbemerkt nach Wischwill. Es ist ein so schönes Städtchen, daß es allein Thema für einen anderen Bericht sein kann (Über dieses Städtchen und das Museum war schon ein Bericht in Nr. 15 des “Memel Echo”). In dem kleinen Schulmuseum war ich schon vor einigen Wochen und habe auch mit Bürgermeister A. Liaudaitis über seine Pläne und die wunderschöne Idee, ein richtiges Heimatmuseum einzurichten, gesprochen. Dafür fehlt aber noch das Geld. Nach dem Gespräch besichtigten Gintas und ich noch einige schöne Gebäude
und Plätze in Wischwill.
Danach gelang es uns, in Richtung Schmalleningken, dann rechts durch den Wald, das Dorf Kalvèliai (Kallwehlen) zu erreichen. Es stehen dort einige graue Blockhäuser aus der Sowjetzeit und am Ende der Dorfstraße ein kleines Rotziegelhaus, wo früher die Schule stand.
Eine gute Landstraße führt uns weiter zum Dorf Kazikenai (Kassigkehmen). Zwei Dinge faszinieren hier: ein majestätisches, gut renoviertes Steingebäude (Pferdestall), wo jetzt ein dänischer Unternehmer Pferde züchtet, und der schöne offene Blick über die grünen Wiesen, wo am Memelstrom Pferde weiden. Allein schon dieses Anblicks wegen sollte man diesen Ort besuchen.
Auf Gintas Frage, ob ich ein Steilufer am Memelstrom sehen möchte, stimme ich sofort zu, und in einigen Minuten sind wir schon in Margyne (der deutsche Name ist unbekannt).
Eine Försterei, mit Blumen geschmückt, und ein schöner Hof, daneben einige restaurierte Häuser stehen hier am Ufer der Memel. Zur sowjetischen Zeit war hier eine Villa der Kommunistischen Partei Litauens, die von den Genossen zur Erholung und Jagd genutzt wurde, denn es gibt hier eine besondere Elchart.
Wir fahren auf der alten Straße Wischwill-Schmalleningken ein Stück zurück und dann rechts in den Wald. An der Straße und im Wald findet man Reste von Dörfern, wo manchmal nur wenige Hauser stehen, und der Waldweg endet irgendwo im Moor, wo sogar Wölfe sind. Vilktakis (Försterei Wollspaß), Leibgiriai (Leibgirren), Zardeliai (Szardehlen) – alle Dörfer erscheinen hier plötzlich im Wald. Ein romantischer schmaler Waldweg führt uns weiter, und wir finden vermutlich Spuren der Kleinbahn Tilsit-Schmalleningken.
Hier zeigt uns Gintas viele Eichen an beiden Seiten des Weges, der Eichenallee genannt wird. Über den Ursprung dieser Allee wissen wir leider nichts.
Vor der Auffahrt zur Straße nach Wischwill steht noch ein Haus – ein richtig nach deutscher Art gepflegter Hof – im Wald. Eine schöne grüne Wiese und weiße Töpfe (Vasen) mit Blumen findet man neben dem Haus. Gintas erzählt, daß in dieser Gegend der frühere Eigentümer im Keller eines Hauses vor einigen Jahren seinen wertvollen Familienschatz gefunden hat.
Wir fahren wieder Richtung Baltupönen. Die letzten Strahlen der hinter dem Wald untergehenden Sonne scheinen uns von vorne ins Gesicht. Ich danke Gintas für eine erlebnisreiche und romantische Rundreise.
Kestutis Tolvaisa, Baltupönen/Memel