8. Baltisches Studenten-Seminar in Estland
20.10.2013
Babette Baronin v. Sass organisierte nicht nur auch diese Begegnung, sondern war, als noch im Baltikum geborene Deutschbaltin, ein großer Gewinn für alle anderen, besonders die jüngeren Teilnehmer. Den meisten Jugendlichen war nicht bewusst, dass es überhaupt Deutschbalten und Russlanddeutsche gab und dass das Voran- bzw. Hintenanstellen der deutschen Nation vor dem Staatsnamen eine besondere Bedeutung hat.
Dr. Tilman Plath von der Universität Greifswald, der das Seminar leitete, machte deutlich, dass der Begriff Baltendeutsche altertümliche und ungenau für die einst in Estland bis 1918 (zunächst unter dänischer, schwedischer, dann russischer Herrschaft) Ton angebenden Minderheit der deutschstämmigen Bürger sei. Bis 1918 war die Landes- und Behördensprache Deutsch. Im Unterschied zu den ehemals deutschen Gebieten (Ost- und Westpreußen, Danzig, Hinter-Pommern, Ost-Brandenburg, Ost-Sachsen, Nieder- und Oberschlesien, Sudetenland), die nach dem 2. Weltkrieg zur Sowjetunion, zu Polen und zu Tschechien geschlagen wurden, waren die Deutschbalten – bis auf die kurze nationalsozialistische Okkupationsphase 1941- 44 nie unter deutscher Herrschaft, gehörten nie zum Deutschen Reich. 1881 ergab die Volkszählung in Estland noch 5,3 % (47 T) Deutschbalten (von 881 T Ew), 1897 waren es bereits nur noch 3,5 % (33 T) der Gesamtbevölkerung (von 958 T), 1922 nur noch 1,8 % (18 T von 999 T Ew) und 1934 noch 1,5 % (16 T bei 1,1 Mio Ew).
Der Tagungsort war für das Seminar grandios ausgewählt. Nach dem Ankunftsabend und einer ersten Übernachtung im „Tallinnk Express Hotel“, am Hafen der alten Hansestadt Reval, brachte uns ein Reisebus aufs Land, südwestlich der estnischen Hauptstadt nach Padise Mois, dem alten deutschen Herrensitz des Adelsgeschlechtes von Ramm, seit 1622 Gut Padis. Seit 1220 existierte dort ein Zisterzienser-Kloster. Die beeindruckenden Ruinen stehen gegenüber des ab 1766 errichteten Gutshauses. Das Gut wurde1920 vom Estnischen Staat enteignet. Die Familie von Ramm emigriert nach der Umsiedlung und dem Krieg nach Nordamerika. Der Enkel kaufte das Gut zurück und baute es zu einem Restaurant und Hotel. um. Er selbst leitet das Unternehmen mit viel Liebe und Geschick.
Zu Sonder-Konditionen, wegen des deutschbaltischen Hintergrundes, war es unserer Gruppe möglich, in wunderschönen Zimmern wohnen zu dürfen, die entweder auf die Kloster-Ruine oder den herrlichen, mit Eichen umstandenen See, ausgerichtet waren. Das Essen war sensationell gut und alle Teilnehmer konnten bei den interessanten Vorträgen von Dr. Maris Saagpakk, Dr. Juhan Kreem, Dr. Indrek Kiverik, Dr. Toomas Hiio, Dr. Inna Pöltsam-Jörjo und Pastor Matthias Burghardt (alle Reval/Tallinn), Prof. Dr. Mati Laur (Dorpat/Tartu), Dr. Tilman Plath und Christian Peplow (beide Greifswald) ihr Wissen erweitern.
Durch zwei Ausflüge nach Habsal/Hapsalu und an den Strand von Kaibu Rand konnten zusätzliche Eindrücke über Land und Menschen gewonnen werden. Die riesige Anlage der Bischofsburg und die Strandpromenade einerseits sowie das Baden in und das miteinander Wohlfühlen an der Ostsee und das Finden von Bernstein, eröffnete uns allen einen weiteren Horizont. Gemeinschaftlicher Sport und die Nationalitätenabende ließen die 22 Teilnehmer miteinander verschweißen. Innerhalb weniger Tage entstanden Freundschaften, die auf Dauerhaftigkeit angelegt sind. Vier der deutschen Teilnehmer hatten Vorfahren aus dem Baltikum. Sie wurden sich erst durch das Seminar dessen bewusst. Nadine Baronesse von Freytag gen. Löringhoff studierte mit den Teilnehmern alte baltische Gesellschafts-Tänze ein, die auf Gut Padis geprobt und zum Festabend in Reval/Tallinn aufgeführt wurden.
Zurück in Reval/Tallinn erwartete uns ein ausgiebiges Kennenlernen der Hauptstadt Estlands bei Stadtführung, Botschaftsbesuch, Konzert, Gottesdienst, Meeresmuseum und der Teilnahme an den mittlerweile 9. Deutschbaltisch-Estnischen Kulturtagen (Domus Revaliensis – Tage) in der Akademie der Wissenschaften, der einstigen deutschen Kulturselbstverwaltung. Ein Gedenken im Innenhof an die Opfer des Balten-Regiments während der Unabhängigkeitswerdung Estlands 1919-20 durch den deutschen Pastor M. Burghardt war besonders beeindruckend, weil es die Verbundenheit der Deutschbalten mit den Esten unterstrich.
In der Deutschen Botschaft regten estnische, lettische, russische und deutsche Teilnehmer an, dass aus diesem bislang einmaligen Projekt, welches dankenswerterweise die Bundesregierung tatkräftig unterstützt,. weitere entstehen sollten für die akademische Jugend unserer Länder, bspw. mit besonderem wirtschaftlichen, juristischen, kunsthistorischen Hintergrund. Dem “Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien“ ist zu danken, dass er diese so wichtigen Seminare ermöglicht..
Für uns alle war diese Begegnung ein großer Gewinn in unserem Leben. Zuvorderst sei der Initiatorin Baronin Sass auf das Herzlichste gedankt!
Peter Hild, Potsdam