Angerapp Stadt

Geschichte von Darkehmen/Angerapp

Eine erste urkundliche Erwähnung für eine Siedlung gab es wohl schon 1539, anerkannt wurde jedoch erst jene, bei der am 30. 11. 1604 ein gewisser Hans Lengnick ein Krugrecht in Dorekheim (Darkehmen) erwarb. Diese späte Zeit ist erstaunlich, denn in Darkehmen gab es den einzigen Übergang über die Angerapp für die Straße nach Goldap, und Goldap war immerhin bereits 1570 gegründet worden.

Der Name „Daarkehmen“ leitete sich aus dem Prußischen ab und bedeutete so viel wie „Dorf des Darge“. An der Straße nach Insterburg liegt ein Burgberg, der eine Kultstätte gewesen sein könnte und deshalb „Götterberg“ hieß. Im Volkdmund nannte man ihn „Potrimposberg“.[1]

König Friedrich Wilhelm I. förderte die Entwicklung Darkehmens zum Marktort und erteilte am 10. Januar 1726 die Stadtrechte. Die Anlage der Stadt mit großem viereckigem Markt konzipierte Joachim Ludwig Schultheiß von Unfriedt. In der ersten Hälfte des 18. Jhs. ließen sich etliche wegen ihres Glaubens verfolgte Franzosen und ab 1732 insbesondere Salzburger in der Gemeinde nieder und brachten recht bald das Gewerbe der Tuchweberei und der Wollweberei zur Blüte. Die Zahl der Salzburger nahm schnell zu. Im Jahr 1733 gab es bereits 103 Salzburger bei einer Gesamteinwohnerzahl von 742, im Jahr 1756 waren es 183 Salzburger von insgesamt 1007 Einwohnern. 1769 konnte eine Tuchfabrik, 1784 eine Tuchfärberei und 1785 eine Fabrik für feine Lederwaren den Betrieb aufnehmen. Diese Blütezeit währte aber nicht sehr lange. Nach den Befreiungskriegen von Napoleon verlagerte sich das Tuchgewerbe auf industrielle Standorte an anderer Stelle.

Bereits bald nach der Erhebung zur Stadt erhielt Darkehmen eine Garnison, zunächst mit Husaren, ab 1740 mit Dragonern, später auch noch im Wechsel von Husaren mit Bosniaken. Ab 1796/97 logierten in Darkehmen Infanterieregimenter, ab 1902 das 1. Bataillon des Infanterieregiments Nr. 45 aus Lötzen bis zum 1. Weltkrieg. Eine Kaserne wurde 1882 fertiggestellt.

1807 weilte der preußische König Friedrich Wilhelm III. zusammen mit Kaiser Alexander I. von Rußland in der Stadt, 1812 die französischen Marschälle Ney und Davoust, wobei Darkehmen wie die meisten anderen Gemeinden auch stark unter dem Regime der Besatzung zu leiden hatte. Am 1. September 1818 erhob man Darkehmen im Zuge der preußischen Verwaltungsreform zur Kreisstadt.

1878 wurde der Kreis durch die Errichtung der Anschlußstrecke an die Linie Insterburg-Goldap-Lyck an das Eisenbahnnetz angeschlossen. Schwierigkeiten beim Geländeerwerb hatten die Eisenbahnverwaltung gezwungen, 3 km von der Stadt entfernt den Bahnhof für Darkehmen beiStröpken anzulegen. Erst 1913 wurde die Bahnlinie von Gumbinnen über Darkehmen nach Angerburg eröffnet.

Bereits in der 1. Hälfte des 18. Jhs. gab es in Darkehmen verschiedene Mühlenbetriebe. In den Jahren 1900 und 1902 wurden zwei neue Mühlen errichtet, die damals höchst modern waren und zu den größten Mühlen der Provinz zählten.
Die Kreisstadt Darkehmen wurde 1938 zunächst in Darkeim, nach Protesten von Bürgern in Angerapp umbenannt. Der Krieg hat die Stadt sowohl 1914 wie auch 1945 hart getroffen. Am 22. 10. 1944 wurde sie von der Zivilbevölkerung geräumt, am 22.1.1945 aufgegeben. Seit dem Ende des 2. Weltkriegs geht die Grenze zwischen Nord- und Südostpreußen durch den südlichen Teil des Kreisgebiets.

In der Gegend von Angerapp fließt das gleichnamige Flüßchen recht munter in einem tief eingeschnittenen Tal, auf der einen Seite mit Steilhang, auf der anderen sanft ansteigend. Die Fließgeschwindigkeit der Angerapp war sicher eine wichtige Voraussetzung dafür, dass das kleine Städtchen Darkehmen 1886 das erste Wasserkraftwerk Ostpreußens erhielt. In der Folge führte man hier als eine der ersten Gemeinden des Deutschen Reiches auf seinen Straßen die „elektrische Beleuchtung mittels hohler Glasbirnen“ ein. Initiator war die „Mühle Wiechert“, die sich das eigene Kraftwerk zulegte und dabei auch gleich Strom für die Gemeinde produzierte.

Man installierte in den Stra0en der Stadt 16 Bogenlampen und vor jeder Lampe wurde bei der ersten Inbetriebnahme ein Tusch von der Stadtkapelle ausgebracht. Alles Volk hatte sich zu diesem Anlaß festlich gekleidet auf den Straßen versammelt, nur der amtliche Laternenanzünder war vergrämt. Den Strom produzierte eine Wasserturbine mit einer Leistung von 30 PS, die an einem 3 m starken Gefälle der Angerapp aufgebaut worden war und zusätzlich noch weitere 107 Glühbirnen mit Strom versorgte, die im Magistrat, einigen Gasthäusern und vornehmen Bürgerhäusern brannten. Alle Welt kam damals in die ostpreußische Kleinstadt, um die Wirkung des neumodischen Lichts zu begutachten. 1907 wurde dann ein städtisches Elektrizitätswerk auf dem Markt errichtet, das seinen Zweck bis zum Anschluß an das Stromversorgungsnetz der Ostpreußen-AG. erfüllte.

Die Erinnerung an die Pionierleistung bei der elektrischen Straßenbeleuchtung hat sich erhalten. So wurde anlässlich des Stadtfestes 2006 eine Straßenlaterne an der Ecke Insterburger Straße/Kirchenstraße, die „Alte Laterne“, die das Kreistagsmitglied Heinz Hofmeister aus Dresden mitgebracht hatte, in Anwesenheit des Bürgermeisters der Öffentlichkeit übergeben. Bei demselben Stadtfest wurde das alte Kriegerdenkmal erneut eingeweiht und die verloren gegangene Gedenktafel durch eine neue ersetzt [2]

In Angerapp geboren wurde der langjährige Direktor der Staatlichen Schlösser und Gärten in Berlin, Prof. Martin Sperlich, der 1984 emeritierte und 2003 starb.

In Klein Bretschkehmen, Kreis Darkehmen, wurde Georg Lejeune-Dirichlet (1858 – 1920) geboren. Er war Urenkel von Moses Mendelssohn  und Neffe von Felix Mendelssohn-Bartholdy. Nach dem Abitur studierte er in Königsberg und war ab 1903 Direktor des Altstädtischen Gymnasiums und Stadtverordneter. Sein Grabstein am Ehrenfriedhof Cranzer Allee hat von vielen anderen überlebt.


[1] Rüdiger von Voss, Niemandsland, S. 59

[2]  Propstei Kaliningrad, Kirchen Ostpreußens, S. 24

[3] B./M., Zum Stadtfest in Angerapp, Oprbl. Nr. 43/2006, S. 13