Bericht über das Schloss und die Schlossbesitzer von F-W. v. Oppeln-Bronikowski

Schloss Sorquitten im Kreis Sensburg in Ostpreußen

1. Die Frühzeit

Das ehemalige Lehnsgut Sorquitten des Deutschen Ritterordens lag im Kreis Sensburg, Regierungsbezirk Gumbinnen der Provinz Preußen. Es liegt auf einer Landzunge zwischen dem Gehlandsee und dem Lampaskisee. Beide Seen liegen in nord-südlicher Richtung. Das Schloss Sorquitten blickt auf den südlichen Lampaskisee. Die ältesten bekannten Besitzer von Sorquitten waren zwei Brüder von Oelsen, Christian und Otto, denen es der Hochmeister des Deutschen Ritterordens Winrich von Kniprode im Jahr 1379 östlich vom Gehlandsee mit Sorquitten, Millucken und Stamm (150 Hufen, etwa 1.500 ha) verliehen hatte; einen gleich großen Besitz westlich vom Gehlandsee verlieh er zwei weiteren Brüdern von Oelsen, Wilhelm und Hans; in dieses Jahr fällt auch die Gründung des Dorfes Sorquitten. Ein Enkel von Otto verkaufte später die Güter Sorquitten, Millucken usw. an Hans von Cremitten und Niklas Raschau; beide wurden 1451 vom Hochmeister Ludwig von Erlichshausen damit belehnt. Die Tochter Hans von Cremittens, Katharina, brachte das Lehnsgut 1460 in die Ehe mit Georg von Schlieben ein. Ihm folgte nach seinem Tod im Jahr 1476 sein Sohn Dietrich, † 1534, nach. Dessen vermutlich ältester Sohn, Albrecht Friedrich auf Millucken und Wandlaken, starb 1598. Ihm folgte seine Tochter Hedwig nach, die Sigismund von und zu Egloffstein (1565-1630) aus Franken heiratete; ihm wurde Millucken 1598 von drei Brüdern Dietrich, Ernst und Christoph von Schlieben verkauft. 1693 kaufte es der preußische Legations- und Hofrat sowie polnische Kammerherr Johann Albrecht von der Groeben (1635-1721) von Joachim Gottfried von Egloffstein. Johann Albrecht von der Groeben hat 1664 Elisabeth von Schlieben geheiratet. Er hat viele auf dem Milluckischen Felde vorhandene Erdhügel öffnen lassen; sie enthielten sog. Aschtöpfe, Töpfe mit den Resten verbrannter Leichen, wie der Sorquitter Pfarrer Johann Riedel berichtet. 1719 hat er seine Güter an seinen Sohn Eustachius übertragen.

2. Sorquitten im Besitz der der Familie von Oppeln-Bronikowski

1750 erwarb es die Witwe des letzten Besitzers, des preußischen Hauptmanns und Verwesers des Amts Sehesten, Eustachius von der Groeben, Charlotte Gottliebe Constantia, geborene von Nickeritz, aus dem Nachlass ihres 1748 verstorbenen Mannes für 34.300 preußische Gulden, gemeinsam mit ihrem zweiten Mann, dem Generalmajor Johann von (Oppeln-) Bronikowski. Nach dessen Tod 1765 wurde Charlotte Gottliebe Constantia Eigentümerin von Bronikowo. Sie verstarb 1776. Das Eigentum am Schloss Sorquitten ging danach testamentarisch auf ihren Neffen Johann Sigismund von Oppeln-Bronikowski über, da ihre Ehe kinderlos geblieben war und ein Sohn von Johann aus seiner ersten Ehe vorzeitig verstorben war. Nach Johann Sigismunds Tod im Jahr 1796 wurde der Rittmeister Ernst Friedrich von Foller vorübergehender Besitzer.

Johann von Bronikowski entstammt dem Stamm B „Oppeln-Bronikowski“ der Ursprungsfamilie „Oppell“ (Stamm A). Von dieser hatte sich im Jahr 1412 die Stamm B abgespalten, als Heinrich v. Oppeln das Gut Bronikowo bei Fraustadt kaufte und sich danach „Bronikowski“ bzw. „Oppeln-Bronikowski“ nannte. Johann gehörte der neunten Generation nach Heinrich von Oppeln an. Er wurde 1680 in Kynoje in Polen geboren und hatte zunächst in schwedischen und polnischen Kriegsdiensten gestanden, ehe er 1725 als Rittmeister beim Husarenkorps von Dockum Nr. 1 in preußische Dienste trat. Bereits nach drei Jahren war er Major und Kommandeur dieses Korps. Er hatte maßgeblichen Anteil am Aufbau der preußischen Husaren, die Friedrich der Große von einer Leibeskorte zu einer Schlachtenkavallerie umformte. Dies veranlasste die Militärgeschichtsschreibung, ihn als den preußischen Urhusaren zu bezeichnen. Aus den von ihm aufgebauten sechs Husareneskadrons (Schwadronen mit je 100 bis 150 Mann unter der Leitung eines Rittmeisters) ging u. a. das Husarenregiment Nr. 1, die so genannten Bronikowskischen oder grünen Husaren hervor; die Farbbezeichnung rührte von der grünen Grundfarbe der Uniformen her. Johann, inzwischen Oberst, erhielt den Marschbefehl für den ersten Schlesischen Krieg und bewährte sich in der Schlacht von Chotusitz am 17.5.1742. Der König ernannte ihn daraufhin als ersten Husaren zum Generalmajor „en égard der noch ganz kürzlich bewiesenen besonderen Tapferkeit in der erst vor wenig Tagen vorgefallenen heftigen Bataille.“ Am 6.3 1745 verlieh im der König als 182. Soldaten den Orden „Pour le Mérite“, am 6.3.1746 erhielt er als 50. den „Orden der Wachsamkeit“ oder „Vom weißen Falken“ des Herzogtums Sachsen-Weimar. Bereits als Oberst hatte er vom König für seine „hervorragende Tapferkeit“ einen prachtvollen, vergoldeten Ehrensäbel mit türkischer Klinge als Auszeichnung erhalten. 1747 wurde er wegen seines hohen Alters (67 Jahre) mit einem Gnadengehalt von 600 Talern dimittiert; er soll seine Pension in Königsberg in Empfang nehmen und erhält dort auch freies Quartier und die Anwartschaft auf eine Amtshauptmannschaft. Er starb 1765 in Sorquitten im Alter von 87 Jahren. Begraben ist er im Sorquitter Erbbegräbnis unter dem Altar.

Johann war in erster Ehe mit Konstatia von Mielecka verheiratet. Diese Ehe wurde1732 geschieden. Ihr entstammte ein Sohn, der mit 18 Jahren verstarb.

Johann war auch um das geistliche Wohl seiner Husaren besorgt. Er hat Pfarrer Riedels Traktat „Christlicher Zeitmesser“ ins Polnische übersetzt und auf seine Kosten in Königsberg drucken lassen; 500 Exemplare hiervon hat er unter den Husaren seines Regiments, die zum größten Teil aus Polen bestanden, verteilen lassen.

Problematisch war allerdings sein Verhältnis zum damaligen Pfarrer von Sorquitten, Johannes Goercke (1743-1758). Riedel schreibt hierzu:

„Es muss als ein Unglück angesehen werden, dass auch der damalige Pfarrer Goercke aus ähnlichem Stoff geformt war (nämlich energisch, jedem Widerstand rücksichtslos entgegentretend wie der Patron), und somit zwei harte Steine aneinander kamen, von denen jenes Sprichwort bekanntlich sagt, dass sie nie gut mahlen. Bei den verschiedenen Berührungen, welche zwischen Patron und Pfarramt unvermeidlich sind, konnte es nicht anders sein, als dass diese beiden Persönlichkeiten, die so viel Gleichartiges hatten, bald auf einander losplatzten, und nun ein Kampf begann, der mit dem Untergang des Machtlosen und wohl auch schuldigeren Teiles, das ist: des Pfarrers, endigte.

Zur Rechtfertigung des oben gebrauchten Ausdruckes ,schuldigeren Theiles’ führe ich an, dass in dem Prozesse, welcher sich zwischen den beiden Gegners entspann, das Hofgericht zu Königsberg i/P die Entscheidung zugunsten des Patrons traf und den Pfarrer als den Schuldigen zur Tragung der entstandenen Kosten verurtheilte. Das Ende dieses unseligen Zerwürfnisses wurde durch jene tragische Katastrophe herbeigeführt, auf deren Details ich hier nicht weiter eingehen mag.“

Pfarrer Johannes Goercke hinterließ sieben Kinder. Sein Sohn Johann Goercke sollte Sorquittens berühmtester Sohn werden. Geboren 1750 in Sorquitten, studierte er mit der Hilfe seines Onkels, eines Regimentschirurgen, in Königsberg Medizin und wurde bereits 1767 Kompanie-Chirurg. 1787 trat er eine mehrjährige wissenschaftliche Reise an, die ihn nach Wien, Italien, Paris, London und Schottland führte, wo er berühmte Chirurgen kennen lernte. Noch während seiner Reise erhielt er seine Ernennung zum Regimentschirurg und zum Stellvertreter des Generalchirurgs. 1797 wurde er selber Generalchirurg und damit Chef des preußischen Militärmedizinalwesens und der Charité. Auf ihn geht auch die Gründung der Pépinière, der militärärztlichen Ausbildungs- und Fortbildungsanstalt, zurück, die 1818 in „Medizinisch-Chirurgisches Friedrich-Wilhelms-Institut“ umbenannt wurde. Er ist weiterhin Initiator des ambulanten Feldlazaretts für 1000 Kriegsverletzte mit gefederten Krankenwagen. Er sorgte auch für die dienstrangmäßige Einordnung der Militärärzte und ihre angemessene Besoldung. 1807 wurde er selbst von König Friedrich Wilhelm zum General-Stabs-Chirurgus im Range eines Obersten ernannt. 1817 beging er sein fünfzigjähriges Dienstjubiläum. Die Ärzte des preußischen Heeres stifteten im nach seinem Tode im Jahr 1822 ein Denkmal, das aus einer zweiteiligen Gedenktafel besteht und im Garten des Friedrich Wilhelm-Institus aufgestellt wurde; heute befindet es sich im Märkischen Museum in Berlin. Begraben ist er auf dem Bornstedter Friedhof im Potsdam. Sein Grab wird durch ein gusseisernes Grabkreuz gekennzeichnet. Auch Sorquitten hat seinem großen Sohn einen Gedenkstein gesetzt, der sich auf dem Kirchengelände befindet.

Johann von Bronikowskis Familie wird häufig als polnische Familie bezeichnet. Das ist in dieser apodiktischen Form falsch. Stammvater des Stammes B der Familie war Heinrich von Oppeln, der 1412 das Gut Bronikowo bei Fraustadt kaufte und sich danach Bronikowski nannte; er entstammte dem lausitzischen Uradel. Heinrichs Nachkommen breiteten sich in Polen, Schweden und Deutschland aus. Während die schwedische Linie im Mannesstamm ausgestorben ist, blühen die polnische und die preußisch-deutsche Linie weiter. Die Abgrenzung findet in erster Linie nach dem Zugehörigkeitsgefühl statt. Indizien sind die Konfession (katholisch oder protestantisch), die Wappenfarbe (ursprünglich blau-silber, später z. T. auch in den polnischen Nationalfarben rot-weiß) und der Familienname (Bronikowski oder Oppeln-Bronikowski). Demgemäß führt Dr. Bernhard Schmid aus: „Man kann diese schlesische Familie, obwohl Bronikowo im alten Polen lag, doch nicht als polnisch bezeichnen.“

Nach Johanns Tod im Jahr 1765 fiel Sorquitten an seine zweite Frau, Charlotte Gottliebe Constanze geborene von Nickeritz, verwitwete von der Groeben; sie war die Frau des zuvor verstorbenen letzten Besitzes von Sorqitten, Hauptmann Eustachius von der Groeben, gewesen. Diese vermachte es ihrem Neffen Johann Sigismund von Oppeln-Bronikowski, da Johanns einziger Sohn aus seiner ersten Ehe mit Constantia von Mielecka im Alter von 20 Jahren verstorben war. Der Erbfall trat mit dem Tode von Charlotte Gottliebe Constanze im Jahr 1776 ein. Zum Gut Sorquitten gehörten in Laufe der Zeit sieben Vorwerke, nämlich Salucken (Zaluki), Neblisch (Slomowo), Joachimowen (Joachimowo), Lasken (Mlynik), Stamm, Milucken (Miluki) und Heinrichshöfen (Jedrychowo) mit Radowen. Johann von Bronikowski hatte die Vorwerke Saluck und Charlotten (Szarlaty) gegründet. Charlotten hatte seinen Namen nach Johanns zweiter Frau, Charlotte Gottliebe Constanze, erhalten. Nach der Bauernregulierung (Separation) erhielt es jedoch seine Selbständigkeit.

Die bauliche Substanz des Schlosses hat sich im Laufe der Zeit stark verändert. Johann Sigismund v. Oppeln-Bronikowski ließ 1788 das Herrenhaus erbauen, dessen Silhouette im Bild des Schnitzaltars der Kirche als Hintergrund der Golgathaszene zu erkennen ist. Die Familie von Mirbach ließ es 1855/6 im Stil der damals beliebten Neugotik umbauen. Den Neubau beherrschte ein hoher, achteckiger Turm. Diesen Bauzustand gibt die abgebildete (Farb-) Lithographie wieder; sie entstammt dem Werk „Die ländlichen Wohnsitze, Schlösser und Residenzen der Ritterschaftlichen Grundbesitzer in der Preußischen Monarchie…“. Im August 1914 noch vor der Schlacht von Tannenberg wurde das Schloss von russischen Truppen mit der ganzen Ausstattung und allen Sammlungen, unter anderem vielen Gemälden des 16. bis 18. Jahrhunderts, niedergebrannt und von 1922-23 vom Berliner Architekten Otto Rüger in den alten Formen wieder hergestellt. Heute ist es die großartigste neugotische Residenz im Ermland und in Masuren, die erhalten geblieben ist.

Wirtschaftliche Grundlage des Schlosses war die Landwirtschaft. Hinzu kamen eine Ziegelei, eine Brennerei, eine Gärtnerei, eine Viehzuchtanstalt, eine Korbmacherwerkstatt und eine Korbmacherschule in Alt-Gehland. Am südlichen Abhang auf der Westseite der Halbinsel Ostrow des Lampaskisees wurde Wein angebaut – die Terrassen sind noch heute zu erkennen-, anderen Orts auch Feigen. Es gab weiterhin einen Tierpark und eine Fasanerie. Wirtschaftliche Grundlage des Schlosses blieb jedoch die Landwirtschaft. Nach Niekammers landwirtschaftlichem Güter-Adressbuch von 1922 betrug die Gesamtgröße der Sorquittischen Güter 5770 ha; davon entfielen 1960 ha auf landwirtschaftlich genutzte Flächen. Das Schloss liegt in einem weiten Landschaftspark, der heute ein Naturdenkmal ist. Eine seiner Attraktionen war ein riesiger Goldfruchtbaum. Es liegt in der Gemarkung des Dorfes Sorquitten.

Nach der Übernahme des Gutes durch Johann Sigismund von Oppeln-Bronikowski im Jahr 1777 (er lebte von 1736 bis 1796 und war Königlich-preußischer Major a. D. sowie Landschaftsdirektor des Angerburger Kreises) wurde das Schloss eine Stätte blühenden Familienlebens: Johann Sigismunds Frau, Elisabeth Charlotte Ernestine geborene Schmidt von Schmidtseck, gebar hier elf ihrer dreizehn Kinder:

  1. Johanne, * Schönlanke 3.10.1777, † Sorquitten 3.7.1787
  2. Totgeburt
  3. Friederike Eleonore Karoline, * Chodziezen 2.9.1779, † Potsdam 27.2.1854, ∞ 4.7.1797 Friedrich Wilhelm Leopold von St. Paul, Kgl. Preuß. Major und Kommandeur des brandenburgischen Ulanenregiments
  4. Albertine Elisabeth Sophie, * Sorquitten 25.8.1780, † Kutno 1799, ∞ Georg Friedrich v. Sydow, Kommandeur des 5. Landwehr-Kavallerie-Regiments
  5. Charlotte, * Sorquitten 16.8.1781, † daselbst 18.10.1781
  6. Henriette, * Sorquitten 4.1.1783, † Ortelsburg 11.1.1815, ∞ Hans v. Wedell, Hauptmann a. D.
  7. Hans Ernst Sigismund, * Sorquitten 27.12.1783, † Elbing 3.10.1854, Rittmeister, Ehrenritter
    des Johanniterordens, Landrat des Kreises Johannisburg in Ostpreußen, Familienforscher, ∞ 18.9.1808 Juliane v. Wahlen-Jürgass, * Gumbinnen 18.10.1791 , † Königsberg 10.2.1859
  8. Juliane Beate, * Sorquitten 29.1.1785, † Koblenz 22.5.1866
  9. Friedrich Wilhelm Leopold, * Sorquitten 15.6.1786, † daselbst 2.7.1787
  10. Johann Leopold Ferdinand, * Sorquitten 22.7.1787, † daselbst 20.8.1788
  11. Johann Ludwig August, * Sorquitten 11.8.1788, gefallen in Borna am 4.4.1813, Kgl. Preuß. Leutnant. Erwähnt auf einer hölzernen Gedenktafel, die sich in einem gesicherten Raum der Kirche in Sorquitten befindet.
  12. Ernestine Auguste Karoline, * Sorquitten 14.10.1789, † daselbst 19.8.1792
  13. Johann Ferdinand Franz, * Sorquitten 1.3.1791, † Honnef 22.7.1884, Königlich preußischer Oberstleutnant, ∞ Iserlohn 2.8.1818 Luise Müllensiefen, * Altena 25.12.1797, † Honnef 22.7.1884, Tochter des Landrats und Glasfabrikanten Peter Eberhard Müllensiefen.

Dies ist eine beeindruckende Bilanz, die allerdings auf tragische Weise durch die damals grassierende hohe Säuglings- und Kindersterblichkeit beeinträchtigt wird: Nur sieben von 13 Kindern wurden älter als zehn Jahre. Hans (Nr. 7) und Ferdinand (Nr. 13) sind die einzigen, deren Nachkommen noch heute leben, auch im Mannesstamm. Zu den Nachkommen von Hans v. Oppeln-Bronikowski gehört Julius v. Oppeln-Bronikowski, der bedeutendste Familienforscher seiner Familie; zu den Nachkommen von Ferdinand v. Oppeln-Bronikowski gehören Hermann von Oppeln-Bronikowski, der es bis zum Artillerie-General gebracht hat, und Friedrich von Oppeln-Bronikowski, der im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ein bekannter Schriftsteller und Übersetzer war.

Es stellt sich die Frage, warum diese Tradition im Jahr 1804, also nur 54 Jahre nach dem Erwerb des Gutes und dreizehn Jahre nach der Geburt des letzten Kindes, durch den Verkauf des Anwesens so jäh unterbrochen wurde. Dafür gibt es eine nachvollziehbare Erklärung: Charlotte v. Oppeln-Bronikowski, die fromme Frau von Johann v. Bronikowski, hatte es sich in den Kopf gesetzt, eine Familienstiftung zu gründen, deren Mittel aus den Erträgen des Gutes genommen werden sollten. Diese Stiftung wurde testamentarisch begründet, also nach ihrem Ableben 1776 ins Leben gerufen. Der Name der Stiftung lautete „Bronikowskische Familienstiftung.“ Ihr Zweck war, in Königsberg „womöglich ohnweit einer Kirche ein zu dieser Stiftung bequemes Haus“ zu kaufen, „und darin 6 unverheirateten Personen adligen Standes Fräuleins oder Wittwen Evangelisch Protestantischer Religion“ aufzunehmen. Für diese Stiftung setzte sie ein Kapital von 38.000 Talern aus, „welches zu ewigen Zeiten auf meinen jetzo in Besitz habenden Sorquittischen Gütern haften soll, die ich gegenwärtiger Stiftung hierdurch pro speciali hypotheka constituiere, und will, dass zu dessen Versicherung gleich nach meinem Ableben ein Extrakt dieser Fundation dem hypothequen Buch derer Sorquittischen Güter eingetragen werde.“ Demgemäß wurde nach ihrem Ableben ein geeignetes Haus gekauft, und zwar in der Kalthöfischen Straße Nr. 19 in Königsberg. Diese Stiftung hat bis zum Einmarsch der Russen 1945 bestanden, also zwar nicht ewig, aber immerhin für 169 Jahre.

Die genannten 38.000 Taler enthielten die Gesamtkosten für die Errichtung der Stiftung einschließlich des Grundstückskaufs und Hausbaus. An jährlichen Aufwendungen waren 1.560 Taler kalkuliert, deren Hauptteil (1.200 Taler) für den Unterhalt der Stiftsdamen vorgesehen war. „Die 1.560 Thaler sind unablegliches Opus derer Sorquitt’schen Güther, und ist es keinem derer künftigen Besitzer erlaubt, desselben zu entledigen.“ Dieser Betrag war jährlich aufzubringen, einerlei, wie die Ertragslage des Gutes im jeweiligen Jahr war und wie viel für den Lebensunterhalt der Stifterfamilie übrig blieb. Außerdem hatte der Erbe eine Schuldenlast von ca. 11.000 Talern zu übernehmen, die zum größten Teil als Legate seiner verstorbenen Tante auf den Grundbesitz eingetragen waren. So nimmt es denn nicht wunder, dass der Erbe, Johann Sigismund von Oppeln-Bronikowski, sich 1778 beklagte: „nach meiner Ansicht kann Niemand seine Nachkommen härter strafen, als wenn er Fundationes und pias causas macht, denn die Chicane, welche damit verknüpft ist, übersteigen Alles Denken.“

3. Sorquitten im Besitz der Familie von Mirbach

Am 24.3.1804 hat es der Major a. D. Ernst Friedrich Gottlob von Mirbach gekauft. Nach dessen Tod 1824 erbte es sein Sohn Julius Theodor Gottlieb von Mirbach (1804-1862). Dieser vererbte es seinem Sohn Julius Freiherr von Mirbach, der 1865 das Gut Heinrichshöfen dazu erwarb. Julius v. Mirbach erlangte 1870 den Freiherrntitel und 1888 den preußischen Grafenstand; hieran war die Pflicht zur Gründung eines Fideikommiss (unteilbares und unveräußerliches Familienvermögen) und zur Vererbung an den Erstgeborenen (Primogenitur) gebunden. Demgemäß fügte Julius seinem Namen seither die Ortsbezeichnung Sorquitten an (von Mirbach-Sorquitten). Das Schloss brannte im August 1914 mit allen Schätzen aus, nachdem russische Truppen es angezündet hatten. Abbildungen des ausgebrannten Schlosses befinden sich in der Broschüre „Ein Schloss in Masuren“ und in der Anlage (Postkarte der Ostpreußenhilfe von 1915).

Stammreihe der Besitzer von Sorquitten aus dem Hause Mirbach:

    1. 1. Ernst Friedrich Gottlob von Mirbach, Königl. Preuß. Major, auf Sorquitten und Gelland,

    * Sallenen/Kurland 1753, † Sorquitten 1824

    ∞ Caroline Elisabeth Renate Freiin von Korff (1766-1846). Der Ehe entstammten ein Sohn und fünf Töchter. Er kaufte Sorquitten.

    1. 2. Julius Theodor Gottlieb Freiherr von Mirbach, * Sorquitten 1804, † Sorqitten 1862,

    ∞ Ulrike Henriette Marie von Elditt (1816-1880)

    Er ließ Sorquitten im Stil der damals beliebten Neugotik prachtvoll umbauen.

    1. 3. Julius Ulrich Gottlob Emmerich Freiherr von Mirbach, seit 1888 Graf,

    * Sorquitten 1839, † Sorquitten 1921.

    ∞ Berlin 1873 Marie Freiin von Paleske (1845-1916)

Begraben sind die unter Nr. 1 aufgeführten Personen auf dem Gemeindefriedhof. Ihre Gräber waren durch gußeiserne Kreuze gekennzeichnet. 1976 waren davon noch vier vorhanden, nämlich die des Ehepaars und seiner Kinder Ottilie und Ida. Im 2010 war nur noch das von Ida von Massenbach, geb. v. Mirbach zu sehen. Der Verbleib der übrigen ist mir nicht bekannt.

Die jüngeren Familienmitglieder waren in einem unterirdischen Erbbegräbnis auf der Halbinsel südlich des Schlosses beigesetzt. Er war mit einem eisernen Gitter umfasst; vor seinem Eingang befand sich ein Grabengel. 1976 war die eiserne Umzäunung noch vorhanden, der Engel jedoch vom Sockel gestürzt und verstümmelt. Er steht heute ohne Kopf und Arme auf dem Grundstück der Kirche. Die Gruft selbst war augenscheinlich eröffnet und verwüstet worden. Es fand sich ein stehender Grabstein mit der Inschrift von Julius Theodor Gottlieb Freiherr von Mirbach, ein liegendes Marmorkreuz mit den Angaben von Ulrike Henriette Freifrau von Mirbach und eine liegende Grabplatte mit den Angaben von Marie Gräfin von Mirbach und Julius Graf von Mirbach.

Im Jahr 2010 fanden meine Frau und ich nur noch Reste der eisernen Umzäunung in verfallenem Zustand vor. Die gemauerte und gewölbte Gruft war geschlossen, allerdings war die Gewölbedecke an zwei Stellen durchbrochen, ohne dass man jedoch den Inhalt erkennen konnte. Gut zu erkennen war noch der in die Erde eingelassene Sockel des Grabengels.

Graf Julius studierte Rechtswissenschaft und Nationalökonomie in Königsberg, Berlin und Bonn. 1862 trat er in das 1. Garde-Dragoner-Regiment ein und nahm am deutsch-österreichischen Krieg und der Schlacht bei Königgrätz teil. 1874 wurde er für den Landschaftsbezirk Masuren in das preußische Herrenhaus berufen und gehörte von 1878-1881 und von 1886-1893 als Mitglied der Deutsch-Konservativen Partei dem Reichstag an, in dem er die Agrarinteressen der ostpreußischen Grundbesitzer vertrat. 1888 wurde er von Kaiser Friedrich III. in den Grafenstand erhoben. Er war ein Freund Bismarcks.

Julius hat eine Reihe volkswirtschaftlicher Schriften verfasst, die hauptsächlich um Steuer- und Währungsfragen mit direktem Bezug auf die Interessen der ostpreußischen Grundbesitzer handelten.

Mit seinem Tod 1921 war diese Linie ausgestorben.

Seine Frau, Marie Gräfin von Mirbach-Sorquitten, war, wie ihr Mann, eine leidenschaftliche Jägerin; 1904 hatte sie für eine Jagdtrophäe einen Kaiserbecher erhalten. Sie hat sich aber auch wohltätigen Zwecken gewidmet. Sie hat 1874 die Korbflechtschule in Alt-Gehland gegründet, die sich deutschlandweit und darüber hinaus einen Namen gemacht hat. Ihr Hauptanliegen dabei war, Unterprivilegierten Arbeit, Brot und Anerkennung zu geben.

Ein weiteres Betätigungsfeld war ein von ihr nach Ausbruch des Ersten Weltkrieges gegründeter Verein, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, Geld, Hausrat, Kleidungsstücke und Lebensmittel für die durch den Russeneinfall in Ostpreußen in Mitleidenschaft gezogenen Menschen zu sammeln. Ihr Wirken wurde durch die Verleihung der preußischen Rote-Kreuz-Medaille gewürdigt.

4. Sorquitten im Besitz der Familie von Paleske

Es blieb bis 1921 im Besitz der Familie von Mirbach und ging danach im Wege der testamentarischen Erbfolge in das Eigentum des Freiherren Bernhard von Paleske über; dieser war ein Neffe der Ehefrau von Julius von Mirbach, einer geborenen Freiin von Paleske. Das Testament war erforderlich geworden, weil die Ehe von Julius v. Mirbach kinderlos geblieben war und der Sohn der Gräfin aus ihrer ersten Ehe bereits verstorben war. In „Niekammers Landwirtschaftlichem Güter-Adressbuch Band III von 1922“ ist demgemäß als Eigentümer des Ritterguts Sorquitten mit seinen Vorwerken Chabrim, Bagnowen Neblisch, Stamm sowie des Ritterguts Heinrichshöfen mit den Vorwerken Rodowen und Millucken der Fregattenkapitän a. D. und Freiherr Bernhard v. Paleske verzeichnet, in dessen Besitz es bis zum Einfall der Russen im Januar 1945 blieb. Bernhard von Paleske wurde 1877 in Klein-Boroschau geboren und ist 1962 in Wunstorf gestorben. Der Ehe entstammt der 1923 in Sorquitten geborene Sohn Georg-Hubertus. Er war Fregattenkapitän a. D. und diensttuender Flügeladjutant im militärischen Gefolge des Kaisers. Er war mit Valeska von Oppen (1889-1960) verheiratet, deren Wappen im Allianzwappen in der Krone der Patronatsloge der Sorquitter Kirche wiedergegeben ist.

Sein Verdienst war es, das von den Russen 1914 abgefackelte Schloss Sorquitten von 1922-1923 in der ursprünglichen Form wieder aufbauen zu lassen. Die Bauleitung oblag dem Berliner Architekten Otto Rüger.

Sein Verwalter war Walther Hesselbarth, der ein 50 Seiten langes Schreibmaschinenskript über seine Flucht aus Ostpreußen verfasst hat, das 2009 teilweise in der Eckernförder Zeitung veröffentlicht worden ist. In der Nachkriegszeit wurde das Schloss Sorquitten (Sorkwity) unter polnischer Hoheit als Familienferienheim der Maschinenfabrik „Ursus“ in Warschau genutzt. Danach war es zeitweilig Hotel. Diesen Umständen verdankt es wohl seine gute Erhaltung. Heute (2011) ist es unzugänglich und mit einem Zaun umgeben. Es soll jetzt einen neuen polnischen Besitzer haben.

5. Das Patronat über die Sorquitter Kirche

Mit dem Besitz des Schlosses war auch das Kirchenpatronat, d. h. die Schutzherrschaft über die örtliche Kirche, verbunden. Auf Seiten des Patronatsherrn bedeutete dies die Pflicht zum Tragen der Baulast und der Kosten für die baulichen Unterhaltung sowie der Kultus- und Personalkosten der örtlichen Kirche, soweit diese die Kosten nicht selbst aufbringen konnte. Dafür hatten die Patrone u. a. ihre Patronatsloge in der Kirche. Am oberen Rand der Loge, die aus dem Jahr 1615 stammt, befinden sich vier Kartuschen mit den Wappen der Patronatsherren, von links nach rechts von Mirbach/von Paleske, von der Groeben, von Schlieben, von Paleske/von Oppen. Der schöne Taufengel und die Barockkanzel wurde 1701 von Georg Dietrich von der Groeben gestiftet und von Izaak Riga und dem Vergolder Johann Bock ausgeführt.

Zum Inventar der Kirche gehörte u. a. eine sog. Agende (Gottesdienstordnung) von 1755, auf deren Vorderseite das Bronikowskische Wappen mit den Buchstaben J. B. v. B. (Johann Bronikowo von Bronikowski) und auf deren Rückseite das Nickeritzsche Wappen mit den Buchstaben C. G. C. v. N. (Charlotte Gottliebe Constanze von Nickeritz) befanden. Diese Agende ist in einem Inventarverzeichnis aus dem Jahr 1771 aufgeführt. Ob sie noch existiert und wo sie sich ggf. heute befindet, ist dem Verfasser nicht bekannt. Einen Hinweis hierauf könnte die Mitteilung des letzten deutschen Pfarrers von Sorquitten, Ernst Schwartz, sein, dass die Kirchenbücher in das Bergwerk Dorndorf in der Rhön ausgelagert worden waren, wo sie vernichtet worden sind.

Die Kirche besitzt eine beachtliche Chronik. Einer ihrer bedeutendsten Pfarrer war Johannes Riedel, der von 1703 bis 1737 amtierte. Er verfasste eine Pestchronik über die Pest im Jahr 1710 in seinem Kirchspiel. Er hat es sich auch nicht nehmen lassen, 1710 von eigener Hand ein überlebensgroßes hölzernen Pestkreuz zu schaffen, das er zwischen den beiden Fenstern hinter dem Altar an der Außenmauer der Kirche anbringen ließ. Das Kruzifix wurde 1945 teilweise beschädigt (die Arme fehlen). Heute hängt es in der Kirche an der Wand gegenüber dem Eingang. 1713 verfasste Johann Riedel weiterhin seine „Denkwürdigkeiten des Sorquittischen Kirchspiels“, z. T. abgedruckt in „Erleutertes Preußen“. Diese Denkwürdigkeiten wurden von einem seiner Nachfolger, Pastor Schickert, bis 1870 fortgeschrieben.

Friedrich-W. v. Oppeln-Bronikowski (Stand: 17.08.2011, 67,5 KB)

Von diesem Aufsatz existiert eine Version mit Belegapparat (34 Fußnoten mit Hinweisen auf die in Bezug genommenen Belegstellen). Die ursprüngliche Fassung enthält überdies bis zu 16 Grafiken.

© Friedrich-W. v. Oppeln-Bronikowski