Ivanovka Bielkenfeld/Goltzhausen und Adl. Bärwalde
Auf Gut Bielkenfeld wurde der Feldmarschall Colmar Freiherr v. d. Goltz. (12.8.1843 – 29. 4. 1916) als Sohn des Rittergutsbesitzers Erhard v. d. Goltz (gest. 1849) und dessen Frau Palmira, geb. Schubart (gest. 1893), geboren. Er gehörte zu den ostpreußischen Originalen, die bei hoher Intelligenz unkonventionell und eigenständig dachten. Er wurde darüber hinaus als Schriftsteller geschätzt. Berühmt war sein Bonmot über die Erlangung eines Ordens: man kann ihn verdienen oder erdienen oder erdienern oder erdinieren. Ihm zu Ehren wurde Bielkenfeld in Goltzhausen umbenannt.
Nach dem Verkauf des Familiengutes verlebte Colmar v. d. Goltz eine entbehrungsreiche Jugend und schlug dann die militärische Laufbahn ein. Nach der Teilnahme an den Einigungskriegen zwischen 1864 und 1871 war er als Generalstabsoffizier der 6. Division in Brandenburg a. H., in derKriegsgeschichtlichen Abteilung des Großen Generalstabes und als Lehrer an der Kriegsakademie tätig. Diese Berufungen musste er jedoch vorübergehend aufgeben, weil sein Buch „Leon Gambetta und seine Armeen“ auf das Missvergnügen der preußischen Militärs gestoßen war. Ab 1883 leitete er die deutsche Militärmission in Istanbul, trat in türkische Dienste, wurde Pascha und Generalinspekteur der Militärschulen und leitete ab 1886 die Reorganisation und Modernisierung der türkischen Armee. Nach seiner Rückkehr nach Deutschland wurde er 1896 Divisionskommandeur in Frankfurt/Oder, 1898 Generalinspekteur der Festungen, 1902 kommandierender General des 1. Armeekorps in Königsberg, 1906 Generalinspekteur der 6. Armeeinspektion und war als solcher im Kriegsfall als Oberbefehlshaber der deutschen Ostarmee vorgesehen, 1908 Generaloberst und 1911 Feldmarschall. 1905 galt er als einer der möglichen Nachfolger des Grafen Schlieffen als Chef des Großen Generalstabes und 1909 als einer der Nachfolger des Reichskanzlers Fürst v. Bülow. 1913 wurde er in den Ruhestand versetzt.
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Im 1. Weltkrieg wurde v. d. Goltz sofort reaktiviert, aber entgegen seinen Wunschvorstellungen nicht Oberbefehlshaber in Ostpreußen, sondern nach einem kurzen Intermezzo als Generalgouverneur von Belgien ab 1914 Berater des Sultans in Istanbul, Generalissimus und bis zu seinem Tode durch Flecktyphus in Bagdad Oberbefehlshaber der 6. türkischen Armee, wo er Erfolge über die Briten erzielte. Er wurde im Garten der Sommerresidenz des Deutschen Botschafters in Istanbul beigesetzt. Die gute Zusammenarbeit zwischen Deutschland und der Türkei wirkte noch lange nach, eigentlich bis ins 21. Jahrhundert. Aus dem von ihm ausgebildeten türkischen Offizierskorps rekrutierten sich die Führer des Aufstands von 1908, der den Sturz der alttürkischen Regierung zur Folge hatte und den Aufbau der modernen Türkei einleitete. Als Zivilist schrieb v. d. Goltz Romane, Novellen und Zeitungsartikel, als Militärschriftsteller erschienen von ihm die viel gelesenen und kundigen Analysen „Das Volk in Waffen“, ein Buch über Heerwesen und Kriegsführung jener Zeit (1883), „Von Roßbach bis Jena und Auerstädt“ (1906) und „Von Jena bis Preußisch Eylau“, „Kriegsgeschichte Deutschlands“ (1910 u. 1914).[1]
Von Gutsbetrieb in Bielkenfeld/Goltzhausen sind keine Spuren geblieben, im Ort haben lediglich einige Wohnhäuser überlebt. Besser sieht es im weiter südlich gelegenen Adl. Bärwalde (gegründet 1577) aus, das ebenfalls zur russischen Gemeinde Ivanovka gehört. Hier stehen noch etliche Häuser im Dorf, Wirtschaftsgebäude des Gutes und, südlich hinter dem Ortsausgang, Mausoleumsreste auf dem verwilderten Friedhof. Das Dorf Groß Bärwalde wurde 1540 gegründet. Adl. Bärwalde gehörte zuletzt der Familie von Knobloch und das Signum „FvK“ an der Wand der Scheune weist auf Friedrich von Knobloch hin.
[1] Heimatbuch Labiau, S. 279 f, Wolfgang Kaufmann, „Ein preußischer Offizier nimmt kein Trinkgeld“, Oprbl. Nr. 23/2021 (11. Juni), S. 18