Bismarck

Žalgiriai – Bismarck

Zwischen Ruß und Heydekrug dehnte sich die große Moorkolonie Bismarck aus, die etwa ab 1835 besiedelt wurde. Bismarck war die größte der Kolonien, die sich in den Randgebieten der hiesigen Hochmoore entwickelt hatten. Der Ortsname “Bismarck” hatte bis 1923 Bestand, danach hieß die Kolonie Žalgiriai–Dorf.

Bis 1874 hieß das hiesige Moor “Rupkalwer Moor“. Die Torfmoosschicht war 10 Meter stark und an den Rändern so fest, dass sie sich zum Torfstich eignete. Seit dem 19. Jh. hat man sich sehr intensiv um die Kultivierung dieses Moors bemüht, beginnend 1835 mit der Ansiedlung von Fischern. 1861 entstanden die ersten Häuser von Holzflößern und bis 1866 wurden bereits 136 Parzellen ausgegeben. Mit dem Ausbau der Chaussee von Heydekrug nach Ruß 1872 begann man mit der systematischen Erschließung durch den Staat. Die Aufbauzeit für die Siedler war jedoch hart. Hermann Sudermann hat den schweren Neuanfang eines Kolonisten in seiner Novelle “Jons und Erdme” in eine literarisch Form gebracht. Da die Steine für das Fundament spurlos im Moor versanken, musste man Kiefernstubben mit der Wurzel nach oben im Boden versenken und durfte nur in Leichtbauweise darauf aufbauen. Angebaut wurden zunächst Kartoffeln, die man aber erst nach drei Jahren in den Konsum geben konnte, nachdem man zunächst mit Hacke und Spaten Furchen gezogen, auf den Aushub viel Dünger aufgebracht und den Boden weiter entwässert hat. Dann aber waren die blanken Moorkartoffeln mit ihrer glänzenden Schale sehr begehrt, und nach fünf Jahren konnte man den Pflug für die Bodenbearbeitung einsetzen und sogar zum Anbau von Roggen übergehen.[1]

Moore nahmen im Kreis Heydekrug 30 % der Landfläche ein. Torf war ein seinerzeit bedeutender Rohstoff. Daraus stellte die Torfstreufabrik Aktien-Gesellschaft Heydekrug Torfstreu und Torfmull her, aber auch Wärmeschutzplatten, Ziegel für leichte Wände, Feueranzünder, Tintenwischer, Platten für Insektensammlungen und für Bieruntersätze, Verbandmoos etc. [2] Das Unternehmen konnte 5.000 ha Moor ausbeuten. Es war 1882 in Trakseden als Aktiengesellschaft gegründet worden. Die Kapazität betrug etwa 16.000 Tonnen/Jahr. Die Torfstreu diente zur Auflockerung schweren Bodens, als Strohersatz und zur Isolierung.[3]

Litauisch Zalgerriu bedeutet etwa soviel wie grüner Wald. Die Kolonie ist dicht an der Grenze zur Oblast Kaliningrad gelegen. Von einst 300 Gehöften sind 4 geblieben. Technische Attraktion dieser Gegend ist ein altes Schöpfwerk, das die Felder und Wiesen entwässerte, aber heute nicht mehr funktioniert[4]

Nach dem 2. Weltkrieg schlug der Versuch fehl, die Moorflächen trocken zu legen und für die Weidewirtschaft zu erschließen. Deshalb überließ man die Moorkolonien zunächst sich selbst. Heute ist die Moorkolonie Bismarck Landschaftsschutzgebiet. Forst- und Landwirtschaft sind nur eingeschränkt möglich. Die Reste des eigentümlichen Dorfes Bismarck sollen nunmehr bewahrt werden. Es wurde ein fast zwei Kilometer langer Wanderweg eingerichtet, gesäumt von Schautafeln, die die Lebensweisen der Moorkolonisten sowie ihr hartes und entbehrungsreiches Leben schildert. Über die hier vorkommenden Vögel und Fische sowie die typischen Waldpflanzen wird informiert. Die Moorkolonie Bismarck ist heute eine außerordentliche Sehenswürdigkeit.

Details und viele Bilder siehe unter http://wiki-de.genealogy.net/Bismarck_(Kr.Heydekrug)


[1] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S.83 f
[2] Richard Meyer, Heimatkunde des Memelgebietes, Memel 1922, S. 23
[3] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 607
[4] Wolf v. Lojewski, Meine Heimat, deine Heimat, S. 31 f

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