Cadiner Majolika

Bei Cadinen gab es umfangreichere Tonvorkommen. Der rotbraune, eisenhaltige Ton ließ sich gut verarbeiten, vor allem auch zu feinen keramischen Arbeiten. Der Begriff “Majolica” leitet sich von der Insel Mallorca ab, wo die maurische Keramikkunst einst in Blüte stand und von dort nach Italien ausstrahlte. Im 19. Jh. verwendete man den Begriff ganz allgemein für bemalte und glasierte Kunstkeramik. Um 1900 kamen Majolika-Keramiken wegen ihrer leuchtenden Farben in Mode.

Nach erfolgreichen Versuchen mit dem Cadiner Rohstoff in der Königlich Preußischen Porzellanmanufaktur in Berlin ließ der Kaiser in Cadinen die vorhandene Handstrichziegelei nach einem Entwurf von Geheimrat Heinicke von der Berliner Porzellanmanufaktur ausbauen und zur Keramikproduktion ausweiten. Es wurden namhafte Künstler und Keramiker nach Cadinen gerufen, um Modelle für Kunstgegenstände aus Ton herzustellen. Die Maschinenanlagen für die Schlemmerei lieferte die Firma Jacobi aus Meißen. Das Sortiment umfasste im Laufe der Zeit figürliche Keramik, Gefäße und Geschirr sowie Baukeramik. Zuerst wurden ab 1903 Kacheln, Vasen und Dosen hergestellt und dann Terrakotta-Arbeiten aufgenommen. Dem folgte ab 1905 die Majolika-Fabrikation. Es entstanden Büsten, Tierplastiken, Tafelgeschirr, Wandteller, Fliesen, Aschenbecher und anderes mehr wie z. B. auch Kacheln für Berliner U-Bahnhöfe. Zahlreiche Ausstellungen und zwei Preise auf der Weltausstellung 1911 in Turin machten die Cadiner Keramik weithin bekannt.

Nach der Abdankung des Kaisers 1918 führte ab 1926 der Keramikfachmann und Künstler Wilhelm Dietrich aus Lichte im Thüringer Wald, den Wilhelm II. 1909 als Lehrling eingestellt hatte, als Direktor die Werkstätten weiter. Er stellte die Produktion auf Ofenkacheln um und besetzte die Marktnische von Tierfiguren wie Eisbären, Pumas, Pferde, Löwen und Falken. Künstler waren Arthur Steiner, Heinrich Splieth, Max Bezner, Albert Hinrich Hußmann.[1] Im Februar 1944 wurde der Betrieb eingestellt. Nach einer Mitteilung von Frau Stefanie Carl-Grafe kehrte der Direktor der Majolikafabrik, Wilhelm Dietrich, nach Kriegsende nach Deutschland zurück und starb 1961 in Pinneberg.

Zu polnischer Zeit nahm man die Produktion nicht wieder auf. Heute ist die Fabrik Privatbesitz eines Warschauer Unternehmers, der die Gebäude zu Ferienwohnungen umbaut.

Etliche dieser Produkte sind im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg ausgestellt. Der alte Elbtunnel in Hamburg wurde mit Kacheln aus Cadiner Majolika verziert. Kacheln und Fliesen wurden beim Bau Berliner Untergrundbahnhöfe eingesetzt wie z. B. am Theodor-Heuss-Platz oder in Klosterstrasse. Es gab einen Cadiner Saal im Weinhaus Kempinski und den Cadiner Hof im Berliner Kaufhaus Wertheim.

Manche in Cadinen hergestellte Zier-Kacheln haben sich erhalten. So wurde 1979 bei Restaurierungsarbeiten in der Halle des Atlantic Hotels in Hamburg das Bildnis von Kaiser Wilhelm II – gemalt auf Majolika Kacheln aus Cadinen – hinter Verschalungen entdeckt und freigelegt.

Eine Ausstellung im Ostpreußischen Landesmuseum in Lüneburg erinnerte im Jahr 2003 an die Gründung der Majolikafabrik in Cadinen von 100 Jahren.


[1] Christian Joachim, Majolika aus Cadionen, Oprbl. Nr. 50/2018 (14. Dezember), S. 18