Das Gut in Groß Bellschwitz

Der kurbrandenburgische Oberstwachtmeister Balthasar von Brünneck, gest. 1688, hatte Helene von Schlubhut aus dem Hause Goldau, die Erbin von Groß Bellschwitz, geheiratet und brachte so das Gut in die Familie, in der es bis 1945 verblieb. Die Familie von Brünneck gehört zum deutschen Uradel, war zunächst in der Grafschaft Glatz, dann in Brandenburg und von 1683 – 1945 in Bellschwitz ansässig.

Überragender Vertreter der Familie war Oberburggraf Wilhelm Magnus von Brünneck (1. 5. 1727 – 22. 4. 1817). Nach seiner Teilnahme am 7jährigen Krieg wurde er vom König mit dem Orden Pour le Mérite auszeichnet.  Er diente Preußen als Amtshauptmann von Zehdenick und Liebenwalde, war Inspekteur der Infanterie in Westfalen und avancierte bis zum General.  Ab 1793 war er Gouverneur von Königsberg, Pillau und Memel, sodann Generalinspekteur aller ostpreußischen Regimenter, ausgezeichnet als Ritter des Ordens vom Schwarzen Adler,  und wurde 1805 zum Feldmarschall ernannt. In Königsberg fand sich Immanuel Kant oft als Gast an seiner Sonntagstafel ein.

Sein Sohn Magnus von Brünneck (28. 1. 1786 – 26. 12. 1866) bereicherte die ostpreußische Landwirtschaft, indem er die Merinoschafzucht in der Provinz einführte, woraufhin er von seinen Standesgenossen als Oberschafmeister geneckt wurde, was er jedoch sehr souverän zur Kenntnis genommen haben soll.

Die Haltung von Schafen wurde in Deutschland generell nach etwa 1860 erheblich eingeschränkt, weil man der überseeischen Konkurrenz mit niedrigeren Wollpreisen nicht gewachsen war. Noch 1864 zählte man einen für Ostpreußen maximalen Schafbestand von 1,9 Mio Tieren. Dieser sank bis 1938 auf 190.000 Stück. Innerhalb der Provinz war der Kreis Rosenberg immer noch mit Schafen gut besetzt, weil hier das Klima und die Böden günstig für die Schafhaltung waren. Auch in den Kreisen Marienwerder und Rastenburg gab es noch größere Anzahlen, in den Kreisen Labiau und Elchniederung dagegen die niedrigsten. Rd. 85 % der Schafbestände gehörten den Merino- und den schwarzköpfigen Fleischschafen an.[3]

Magnus wurde als zweiter Sohn des Feldmarschalls Wilhelm Magnus von Brünneck und dessen Ehefrau Charlotte, geb. von Pannwitz, in Brandenburg a. d. Havel geboren. Er erhielt in Königsberg Privatunterricht, musste aber zusätzlich die Militärschule besuchen, wo Professoren der Universität Vorlesungen über Pädagogik, Philosophie und Historie hielten. Dagegen ließ sich Vater von Brünneck in seiner Gouverneurswohnung in Königsberg von Immanuel Kant Vorlesungen halten.

Der Junge trat 1802 als Junker in das Blüchersche Husarenregiment ein und wurde Regimentsadjutant sowie persönlicher Adjutant von Gebhard Leberecht von Blücher. 1810 nahm er seinen Abschied, um sich auf die Bewirtschaftung der Güter Willkühnen und Bellschwitz vorzubereiten, bei denen er die Pächter gekündigt hatte. 1813 bis 1817 war er noch einmal militärisch tätig und erhielt seinen Abschied als Oberst. Brünneck war einer der führenden Köpfe des ostpreußischen Liberalismus und wurde für den Kreis Lebus an der Oder in die Nationalversammlung von 1848 gewählt.

Die Schuldenlast auf den Gütern war erdrückend, doch v. Brünneck arbeitete sich aus dem Tal heraus. Dabei folgte er den Lehren von Albrecht Thaer und stellte den Betrieb von der Dreifelderwirtschaft auf Fruchtwechselwirtschaft um. Zur weiteren Ertragssteigerung begann er mit der Zucht von Schafen. Bald galt er als bester Schafzüchter Ost- und Westpreußens. Auf seinen Rat hin ließ Oberpräsident von Schön durch ihn 9.000 Zuchtschafe für die Landwirtschaft aus Schlesien und Polen importieren. Die Schafpopulation entwickelte sich von 780.341 Tieren im Jahr 1816 auf 1.549.063 Tiere in 1831 und 2.839.827 in 1858. Daneben beeinflusste v. Brünneck die Entwicklung der Provinz, förderte den Ausbau der Infrastruktur, also den Bau von Straßen, kümmerte sich um die Sicherung der Grenzen, die Reform der Kirchen- und Schulgesetzgebung und den Bahnbau. Friedrich Wilhelm III. beförderte ihn 1840 noch auf dem Sterbebett zum Oberburggrafen des Königreichs Preußen.[1]

Von seinem Onkel Albrecht Wilhelm von Pannwitz, Landrat des brandenburgischen Kreises Niederbarnim und Domherr zu Halberstadt, der 1825 kinderlos starb, erbte Magnus von Brünneck die Güter Trebnitz, Wulkow und Hermersdorf östlich von Berlin und verlegte 1837 seinen Lebensmittelpunkt nach Trebnitz. Von dort aus setzte er sich erfolgreich für den Bau der Ostbahn von Berlin über Küstrin nach Ostpreußen ein. Dabei beeinflusste er den Streckenverlauf in seinem Wirkungsbereich und sorgte dafür, dass Trebnitz einen Bahnhof erhielt, der heute noch genutzt wird.[2]

Eine ebenfalls bemerkenswerte Persönlichkeit war sein Enkel Magnus Roland Graf von Brünneck (3. 3. 1840 – 21. 9. 1918), Burggraf der Marienburg, Verwaltungsjurist und Landrat in Rosenberg 1869 – 1881, 1900 in den erblichen Grafenstand erhoben, Ritter des Ordens vom Roten Adler II. Kl. mit Eichenlaub sowie Konventsmitglied des Johanniterordens. Sein Sohn Dr. Manfred von Brünneck (1. 3. 1872 – 16. 5. 1957), war 1907 – 1916 Landrat im Kreis Königsberg Land als Nachfolger von Adolf Tortilowicz von Batocki (1868 – 1944) und 1916 – 1928 Landeshauptmann der Provinz Ostpreußen. Als Landrat von Königsberg veranlasste er den Bau der Landesfrauenklinik und der Kunsthalle und als Landeshauptmann war er verantwortlich für die Gründung des „Ostpreußenwerks“ zur Elektrifizierung der gesamten Provinz.[4]  Er war der letzte deutsche Eigentümer des Besitzes Groß Bellschwitz. Nach der Flucht lebte er in Baden-Baden, war in der Organisation der Heimatvertriebenen aktiv und gehörte dem Johanniterorden als Herrenmeister an..

Daneben stellte die Familie die Landräte Siegfried von Brünneck (1861 bis 1865) und Siegfried Graf von Brünneck (1904 bis 1920).

Im Gutsarchiv von Groß Bellschwitz befand sich ein wichtiges Privilegienbuch.

Das aus dem 17. Jh. stammende Gutshaus wurde 1850 unter der Leitung des Baumeisters Gottfried Runge aus Berlin nach Ideen von Schinkel und mit Seitenblick auf Schloss Babelsberg in Potsdam neogotisch verändert. Lange Zeit diente das Gebäude als Ferienheim für Kinder. In neuester Zeit wurde es zu einem angenehmen Hotel umgebaut (Information von Joachim Pannier), dem Hotel Schloss Bellschwitz (Palac Baloszyce). Ein Mitglied der letzten deutschen Eigentümerfamilie, Bernhard v. Brünneck aus Hanau, stand bei der Einrichtung des Hauses als Hotel mit seinem Rat zur Verfügung.
Das Gut war 1945 noch 1.978 Hektar groß, davon rd. 1.000 ha landwirtschaftliche Nutzfläche, der Rest vor allem Wald. Auf dem Hof gab es eine Brennerei.

Die Merino-Elektoral-Herde des Gutes war berühmt und die einzige ihrer Art in Deutschland. Im 19. Jh. hat ein Herr von Neitschütz sich sehr um den Aufbau und die strenge Zuchtwahl dieser Herde bemüht. Ihm zur Seite standen verdienstvolle Schäfermeister. Fünfzig Jahre hat der Schäfermeister Gruhn die Herde betreut, in zwei Generationen später die Familie Preuß. Die Herde ist auf allen Ausstellungen der DLG stets bestens prämiiert worden, die Zuchtböcke gingen im Export bis nach Australien und Argentinien, den großen Schafländern der Welt. Meister Alfred Preuß mußte seine geliebte Herde, die insgesamt 2443 Tiere mit 1000 Muttertieren, 87 Stammböcken und über 1000 Jungtieren umfasste, im Januar 1945 verlassen. (Holger Knoblauch)

Dazu gab es die Bellschwitzer Schimmelzucht, eine Herde edler Albinos. Es war Ehrensache für alle prominenten Brautpaare in Rosenberg, mit dem schimmelbespannten Bellschwitzer Landauer zur Hochzeit vorzufahren.


[1] PAZ Mit Schafen mehrte er nicht nur seinen Wohlstand, PAZ Nr. 51/2016 (23. Dezember), S. 11
[2] Thomas Theise, Schloss Trebnitz in Schlösser und Gärten der Mark, Heft 28, S. 1/2
[3] Dr. Hans Bloech-Transsau, Unsere Landwirtschaft im Kreis Fischhausen, Unser schönes  Samland, Sommer 1985, S. 16; siehe auch Dr. Hans Bloech, Ostpreußens Landwirtschaft, S. 97
[4] Erwin Gutzeit, Manfred von Brünneck,Unser schönes Samland, Winter 1979, S. 20 f

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