Der Name der Stadt Wehlau hat seinen Ursprung in der prußischen Religion, wie Frau Beate Szillis-Kappelhoff nachfolgend beschrieben hat:
prußisch “wele” = Seele, Geister der Verstorbenen
prußisch “welauks, welawa” = Seelenacker, Totenacker, Friedhof
prußisch “Wele” = weiblicher Unhold
prußisch “welet” = waschen (bei “Schreikindern” vermutete man die Ursache in der Taufe, die deshalb in komplizierten Ritualen an heimlichen Orten wieder abgewaschen wurde)
Die heidnische Naturreligion der Balten ähnelt dem japanischen Shintoismus. Alles auf der Welt hat eine Seele: Menschen, Tiere, Pflanzen, Land, Wälder, Seen und selbst Steine. Aus diesem Glauben resultiert ein tiefer Respekt gegenüber der Natur und ihren Gesetzen.
Man ging davon aus, dass jeder Mensch zwei Seelen hat, um die Verschmelzung mit dem Göttlichen einerseits und andererseits die ewige Verbundenheit mit den Hinterbliebenen darzustellen.
Die Dusin (lit. Siela) war “ein Wesen, das die Erde nicht verließ, sondern sich in Bäume, Blumen, Säugetiere oder Vögel verwandelte. Die ´siela´ entwich dem Leib eines Toten als Odem, als Atemhauch, und nistete sich sogleich in einer Pflanze, einem Tier oder Vogel ein. Zuweilen verließ sie den Mund des Sterbenden auch als Schmetterling, als Biene, Maus, Kröte oder Schlange … In Litauen wurden Friedhofsbäume nie gefällt oder gestutzt. Denn tat man diesen Bäumen etwas an, fügte man auch den Verstorbenen etwas Böses zu.”
Quelle: Gimbutas, Marija: Die Balten, Herbig München 1983 (1963 engl.)
Dieser Kult ist noch heute auf dem Friedhof in Nidden/ Kurische Nehrung zu betrachten. Viele hölzerne Stelen zeigen Kröten (Symbol der Erdgöttin) und sind mit Vögelchen verziert. Da die heidnischen Symbole vom Ritterorden verboten waren, reicherte man sie listig mit zusätzlichen christlichen Symbolen an, denn die durften ja nicht zerstört werden.
Die Wele (lit. Vele) war dagegen ein ätherisches Schattenwesen, das sich sofort zu den Göttern erhob. Aus diesem Grund beerdigte man seine Toten auf Hügeln, um ihnen den Aufstieg zu erleichtern. Da die Dusin auf dem Sandhügel wohnte, richtete man es sich dort wohnlich mit Tisch und Bank ein, um an besonderen Tagen einen Imbiß mit den Toten zu teilen. Selbstverständlich wurde der erste Schnaps der Erdgöttin Semine/ Zemina zu Ehren auf die Erde gegossen.
Als zu christlichen Zeiten die Friedhofspflicht auf umfriedeten Kirchhöfen eingeführt hatte, geschah es nicht selten, dass man nachts heimlich die Leichen wieder ausbuddelte und sie oben auf dem Hügel bestattete. Es war eine unerträgliche Vorstellung, dass die Wele in der Einzäunung gefangen gehalten wurde.
Mit der Stadt Wehlau ist eine bekannte Sage verbunden, zitiert nach F. Swillus, „Unser Ostpreußen“, 1917, berichtet von Christa Foitzik )
„Wie die Sage erzählt, stand auch in der Nähe von Wehlau, in dem Dorfe Oppen, eine heilige Eiche. Sie befand sich in einem Garten an der Chaussee, die von Königsberg nach Tilsit führt. Die Eiche war von
riesiger Stärke und Höhe. Einen solchen Baum hat es wohl seit den ältesten Zeiten nicht gegeben, betrug doch seine Dicke 18 Meter. Er war im Innern hohl und der Raum in demselben so groß, dass ein Reitersmann nicht nur hineinreiten und sein Pferd bequem umdrehen, sondern sich auch ruhig darin umhertummeln konnte.
Weil diese Eiche von den heidnischen Preußen für heilig gehalten wurde, verehrten sie unter ihr viele Götter. So hielt man ihnen nach alter Sitte unter dem Baume Schlangen, die von den Priestern gepflegt wurden, Milch war ihre Lieblingsspeise. Die Eiche soll noch vor 150 Jahren gestanden haben. Dann aber ist sie verdorrt und in einer Nacht umgefallen.“