Die Burg von Labiau

Auf dem westlichen Ufer der Deime, 2 km vor ihrer Mündung in das Kurische Haff, existierte wahrscheinlich eine prußische Festung, eine altprußische Wasserburg. Nachdem der Orden sie erobert hatte, baute er sie um 1258 bis 1277 vornehmlich für den Schutz des Samlandes aus, zunächst als Holz-Erde-Konstruktion. Sie wurde des Öfteren in die kriegerischen Auseinandersetzungen mit den Litauern verwickelt, wurde 1277 von den Schalauern zerstört, ansonsten belagert, und immer wieder aufgebaut, um 1360 in Stein. In der aufwärts strebenden Ordenszeit war die Ordensburg einSammelpunkt für die kriegerischen „Reisen“ gegen die Heiden in Schalau und Nadrau. So ist überliefert, dass schon 1274 ein Ordensheer über das Haff und das Memeldelta die Memel aufwärts segelte und in einem Überraschungsangriff die prußische Burg Raganita brandschatzte. In einem Gegenangriff eroberten die Schalauer die Burg in Labiau, töteten alle Männer und entführten Frauen, Kinder und die reiche Beute.[1]  Während die Litauer unter den Fürsten Olgierd und Kynstut 1352 ins Samland einfielen, drang ihr Neffe, der König von Smolensk, in die Gegend von Labiau vor und wurde hier mit seinen Männern vom Orden erschlagen.[2]

1374 wurden Gewölbe und Keller im Komturhaus erwähnt, wobei bereits 1280 oder 1288 in Zusammenhang mit dem Bau der Burg Landeshut in Ragnit von einem Komtur von Labiau die Rede war. Da die Burg Landeshut aber 1289 Komturssitz wurde, stufte man Labiau zum Sitz eines Pflegersherunter und die Burg erfüllte zukünftig mehr den Zweck eines Wirtschaftshofs, blieb aber dennoch ein wichtiger Schutz für den Norden des Samlands.

Die Burg widerstand 1454 am Beginn des Städtekrieges der Belagerung durch die Wehlauer und den mit diesen verbündeten Allensteinern. Während des Bauernaufstands 1525 kaufte sich die Burg von den Angreifern durch einige Fässer Bier frei.

Herzog Albrecht erhob die Burg zum Hauptamt und schenkte 1526, dem Jahr seiner Vermählung mit Dorothea, Tochter von König Friedrich 1. von Dänemark und dessen Frau Anna von Brandenburg, die Anlage im Hochzeitsvertrag als Leibgedinge seiner jungen Ehefrau. Nach Bränden 1548 und 1552, denen vermutlich der Westflügel aus der Ordenszeit zum Opfer fiel, erfolgte eine umfassende Bautätigkeit unter Leitung des herzoglichen Baumeisters Christoph Römer. 1565 – 1568 befand sich die Burg im Besitz der 2. Frau, Herzogin Anna Maria von Braunschweig-Lüneburg. Zu Beginn des 16. Jhs. hatte sich in der Burg ein kartographischer Dienst eingerichtet. Hier entstand auch eine Karte von Labiau und Umgebung.

Am 20. November 1656 wurde in der Burg der so genannte Labiauer Vertrag zwischen dem Grossen Kurfürsten und dem Schwedenkönig Karl X. Gustav abgeschlossen, in dem Preußen die volle Souveränität zugesprochen wurde. An den Vertrag von Labiau mit den Schweden erinnerte ein in Stein gemeißeltes Relief des Großen Kurfürsten in der Mauer mit dem Text des Vertrags. Der Kapitelsaal der Burg existierte noch 1832.

Nahe der Burg stand in der Nähe des Deime-Ufers die Jodokus-Eiche, benannt nach dem christlichen Heiligen Jodocus, die von den Nachfahren der heidnischen Prußen bis ins 17. Jh. als Kultstätte geachtet worden war. Möglicherweise befand sich hier zu spätheidnischer Zeit eine heilige Eiche. Noch 1626 wurde davon berichtet, dass vorbei fahrende, inzwischen christliche Litauer und Polen hier Opfer darbrachten.[3]

Vorübergehend noch einmal Mittelpunkt eines Festungssystems, wurde die Burg ab 1860 Sitz des Amtsgerichts mit Gefängnis sowie Landratsamt.

Von den Kämpfen des 2. Weltkriegs wurde der Gebäudekomplex weniger berührt. Nach dem Krieg war die Burg von deutschen Kriegsgefangenen und sowjetischem Militär frequentiert. 1948 schuf man in einem Seitenflügel ein Gefängnis. Außerdem wurde die Burg Getreideaufkaufsstelle, Brotbäckerei, es entstanden Restaurierungswerkstätten und eine Fahrschule, eine Abteilung des Werkes „Bernstein“ und eine Zweigstelle des Leningrader Instituts für Landwirtschaft hielten Einzug. In der Burg lagerte eine Sammlung von 30.000 fotografischen Filmen mit Abbildungen von ostpreußischen Kulturdenkmälern, die noch Anfang Januar 1945 aus Königsberg ausgelagert worden waren und nach 1949 offenbar verschollen sind. Bei Umbaumaßnahmen in den 1970er Jahren in Räumen, die vom Werk Bernstein an der Nordwestseite der Burg durchgeführt wurden, fand man umfangreiche Ordner mit Dokumenten aus deutscher Zeit. Sie wurden leider im Burghof verbrannt.[4]

Die Burg brannte 1965 aus. Die Flügel trug man bis auf 2 Geschosse ab und versah sie mit einem Notdach. Ein Maschinenkombinat nutzte die Gebäude, die aber insgesamt einen heruntergekommenen Eindruck machen. Inzwischen räumte man aber auf, In 4 Räumen wurde das Museum zur Geschichte und der Entwicklung von Labiau untergebracht, in dem auch in einem Raum die Geschichte bis 1945 thematisiert ist. Das recht sehenswerte Heimatmuseum wurde gefördert vom Kulturreferenten Nikolai Wassilewski.[5]

Labiau war eine vierflügelige Wasserburg, die 1360 auf einer Insel neu angelegt wurde und einen hufeisenförmigen Burggraben zusammen mit der Deime bildete. Es gab bemerkenswerte Kombinationen von Tonnengewölben, Korbbogengewölben sowie sich schleifenförmig windenden Gewölben mit kreuzartigen oder getrennten birnenförmigen Rippen.

Am ältesten ist der kurze Westflügel, der wahrscheinlich das Komturgebäude darstellte. In der Nordwestecke befand sich die Schatzkammer mit Tonnengewölbe und 3 m dicken Mauern. Ein weiterer Raum mit Tonnengewölbe existierte im Hauptgeschoß, und es gab eine Heizkammeranlage mit Luftschacht.

Der Nordflügel war wohl das Konventhaus, im EG Küche und Backhaus, im OG hatte sich ein einziger Raum mit Kreuzgewölbe erhaltenen: 2 Joche mit Birnstabrippen. Die Flügel sind teilweise unterkellert. In der Nordostecke befindet sich der Torweg mit Tonnengewölbe und Fallgittervorrichtung.

Der Ostflügel war zunächst Wirtschaftsgebäude. Im östlichen Obergeschoß richtete Herzog Albrecht einen Rittersaal ein, der unter Anna Maria, 2. Ehefrau von Herzog Albrecht, 1564 von dem aus Italien stammenden Hofmaler Johannis Baptista, auch Johann von Braun genannt, ausgemalt wurde. (Owsjanow sagt 1550[6])

Der Südflügel entstand nach 1550 als letzter Teil auf trapezförmigem Grundriss mit dem Seigerturm oder Peinturm in der Südostecke.

Die Vorburg schloss sich westlich ohne trennenden Graben unmittelbar an.

Ein Teil der 1623 instand gesetzten Umfassungsmauer blieb erhalten.

[1] Heimatbuch Labiau, S. 29
[2] Heimatbuch Labiau, S. 31
[3] Heimatbuch Labiau, S. 27 + 41
[4] Avenir Petrowitzsch Owsjanow, Mit den Augen eines Russen, Oprbl.. Nr. 22/07, S. 15
[5] Aus den Heimatkreisen, Oprbl. Nr. 27/02, S. 16
[6] Avenir Petrowitzsch Owsjanow, Mit den Augen eines Russen, Oprbl.. Nr. 22/07, S. 15