Die Eroberung des Preußenlandes durch den Deutschen Orden, die Blüte des Ordensstaates und sein Niedergang

Die Prußen zählten zu den baltischen Völkern, lebten in Stammesgebieten und verfügten nicht über einen straff organisierten Staat. Es gab keine über den Stamm hinausgehende politische Einheit. Ihr Gebiet war in 11 Gaue eingeteilt (Pomesanien, Galinden, Sudauen, Barten, Pogesanien, Sassen, Warmien, Natangen, Nadrauen, Samland, Schalauen). Der Orden verfügte dagegen über die besseren Waffen, eine hervorragende Führung und eine straffe Organisation. Die Prußen wurden gleichsam überrannt und innerhalb von 8 Jahren eroberte man nicht nur das Kulmer Land, sondern wesentliche Teile des Preußenlandes ohne sonderlich große eigene Verluste.

Die Stoßrichtung zielte zunächst auf die Ostsee, um eine Seeverbindung und eine mögliche Rückzugsalternative zu erlangen. Nachdem dieses Ziel erreicht war, ging es weiter in östlicher Richtungan der Ostseeküste entlang. Erst als man die Küste beherrschte, wandte man sich mehr dem Landesinneren zu. Überall wurden sofort Burgen und Stützpunkte zur Sicherung der eroberten Gebiete angelegt, oft an Stellen vorheriger prußischer Wallburgen. Erste Gründungen waren die Burgen von Thorn, Kulm, Marienwerder, Elbing, Braunsberg, Balga und Brandenburg.

Auch das Baltikum geriet bereits in dieser frühen Zeit unter die Regie des Deutschen Ordens, als er 1236 die Übernahme des Schwertbrüderordens beschloss. Papst und Hochmeister stimmten am 12. 5. 1237 der Verschmelzung beider Orden zu. Livland und Kurland wurden dabei zu einer Preußen gleichgestellten eigenen Ordensprovinz.[1] Der Schwertbrüderorden war 1202 von Bischof Albert, dem Gründer von Riga, ins Leben gerufen worden. Nachdem die Schwertbrüder bei Schaulen eine schwere, ihre Existenz gefährdende Niederlage gegen die Litauer erlitten hatten, genehmigte der Papst 1237 die Inkorporation dieses Ordens in den Deutschen Orden oder befahl diese gar. Hermann von Balk wurde sofort zum Landmeister von Livland ernannt und forcierte die Inbesitznahme des Baltikums, ließ aber Litauen dabei aus. Dabei stieß er auf Widerstand im Osten: in der Schlacht des Schwertbrüderordens und damit des Ordens gegen den Nowgoroder Fürsten Alexander Newski. Am 5. April 1242 wurde er auf dem Eis der Peipussees vernichtend geschlagen. Der Peipussee ist der fünftgrößte See Europas, sehr flach, und friert daher im Winter leicht zu. Das Ordensheer, bestehend aus 100 bis 120 Ritterbrüdern, 700 Knechten und 1.000 Mann bäuerlicher Hilfstruppe konnte seine Kampfstärke auf dem etwa 60 cm dicken Eis nicht voll entfalten und unterlag. Es soll 400 Tote und 50 Gefangene gegeben haben, darunter 20 Ritterbrüder. In dem später geschlossenen Friedensvertrag wurde die Grenze zwischen dem Ordensland und Nowgorod festgelegt, die immer noch gilt.[2]

Alexander Newski avancierte durch seinen Sieg zum russischen Nationalhelden. Die Niederlage des Ordens dagegen hatte einen Aufstand der Prußen zur Folge, der erst 1248 niedergeschlagen war und den Christburger Vertrag 1249 zur Folge hatte.

Die Kurie war sehr darum bemüht, die Ritter Europas für die Missionierung der östlichen Heiden zu interessieren und für die Unterstützung des Deutschen Ordens zu gewinnen. Der Papst verhieß den Kämpfern an der Seite des Ordens im Osten Europas denselben Ablass wie den Kreuzfahrern ins Gelobte Land und gewährte ihnen darüber hinaus eine Reihe recht beachtlicher Privilegien. Selbst Teilnehmer, die wegen verwerflicher Taten exkommuniziert waren, konnten z. B. durch Teilnahme an einer “Reise” Absolution erhalten.

Und so wurde der Orden bei seinen militärischen Operationen massiv vom christlichen Europa unterstützt, am Anfang auch noch von den Nachbarn der Prußen: Herzog Heinrich von Breslau kam mit 3000 Kämpfern, Konrad von Masowien mit 4000, sein Sohn Casimir von Kujawien mit 2000, Herzog Wladislaus Odonicz und Erzbischof Fulco von Gnesen mit 2200, die Brüder Swantopolk und Sambor von Pommerellen mit 5000 und der Burggraf von Magdeburg stellte sich mit 4000 Streitern zur Verfügung.

Als allerdings Herzog Swantopolk sehr bald merkte, dass er keinen bestimmenden Einfluss auf die Entwicklung und die Ausdehnung des Ordens in Preußen nehmen konnte, auch nicht durch Kontrolle oder Sperrung der Weichsel oder Nogat, wurde er sehr bald bis zu seinem Tod 1266 ein erbitterter Ordensgegner, der die besiegten Prußen gegen die Ordensbrüder aufwiegelte.

Bei den um sich greifenden Aufständen verloren die Ritter zunächst einen großen Teil des gerade eroberten Landes. Erst mit der Ankunft von Verstärkung aus dem Westen konnten die Einheimischen befriedet und 1249 der Vertrag von Christburg geschlossen werden. In diesem Vertrag gewährte der Orden den Prußen die persönliche Freiheit und die gleichen Rechte wie den westeuropäischen Neusiedlern, vor allem das Besitz- und Erbrecht, wenn sie den christlichen Glauben annahmen und sich taufen ließen. Wichtig war, dass sie den christlichen Glauben ohne Zwang annahmen. Dennoch lautete das Motto dafür zugespitzt, aber vermutlich wirklichkeitsnah: “Taufe oder Tod”.

Bei Anlage und Ausbau der Befestigungsanlagen setzte der Orden vielfach Prußen zu Frondiensten ein und nahm – mit dem Segen der Kirche – auch schon mal die Kinder als Geiseln, wenn die Eltern nicht willfährig waren. Das schuf weit verbreitet Unmut und die Basis für Widerstand. Nachdem die Prußen dem Orden in der Schlacht bei Durben am 12. Juli 1260 in Nordkurland eine vernichtende Niederlage zugefügt hatten, Landmeister und Ordensmarschall gefallen waren, festigte sich ihr Eindruck, dass der Orden verwundbar sei und man nunmehr gegen ihn losschlagen könne. Am 20. 9. 1260 brach der Große Prußenaufstand aus. Auslöser für den Aufstand war das Verhalten des Vogts Volrad auf der Lenzenburg am Frischen Haff. In Verkennung der aufgeheizten Stimmung im Volk ließ er 50 adlige Prußen, die er zum Festmahl eingeladen hatte, aus einer Herrscherattitüde heraus im Festsaal verbrennen (Quelle: Walter Görlitz, a. a. O.).

Der Aufstand erfasste sehr schnell das ganze Land. Die Befestigungsanlagen des Ordens in Braunsberg, Heilsberg, Bartenstein, Rößel und Kreuzburg und die neuen Siedlungen wurden erobert und zerstört, dabei insbesondere die Kirchen und alles Christliche. Viele Menschen wurden getötet und vor allem die Geistlichen qualvoll umgebracht. Ein herausragender Führer in diesem Aufstand war der Natanger Herkus Monte (um 1225 – 1275), der christlich erzogen worden war, aber die Vertreibung der Christen zu seinem Lebensziel gemacht hatte und letztlich, nach listenreicher Überwältigung unter Führung des Komturs Heinrich von Schönberg, 1275 ergriffen und auf dem Berg Mangarben bei Insterburg hingerichtet wurde. Einer der Gründe für den Misserfolg der Aufständischen war, dass sich die prußischen Teilstämme nicht zu einem gemeinsamen Vorgehen gegen den Orden entschließen konnten und andererseits der Orden zunehmend Unterstützung von Kämpfern aus Westeuropa erhielt. Um 1280 galt die Eroberung Preußens durch den Deutschen Orden als abgeschlossen, 1283 unterwarfen sich die Prußen endgültig. Bis 1295 erfolgten zwar noch weitere 4 Aufstände, die aber ohne Erfolg für ihre Freiheitsbemühungen blieben.

Den konvertierten Prußen ließ der Deutsche Orden grundsätzlich die persönliche Freiheit, sofern sie sich nach dem Frieden von Christburg 1249 nicht erneut gegen den Orden erhoben hatten. Aber auch nach Ende des zweiten Aufstands machte der Orden von der Nichtigkeitsklausel kaum Gebrauch. Prußische Adelige erhielten vom Orden Dienstgüter verliehen, Prußen standen in Diensten des Ordens als Tolken (Dolmetscher), Witinge (Grenzaufseher) oder Kämmerer. Einige sind als Ritterbrüder in den Orden aufgenommen worden und bis zum Komtur aufgestiegen. Schwieriger war die Lage der hörigen Bauern. Dabei muss man sehen, dass der Orden die Prußen insgesamt zu einer Volksgruppe minderen Rechts machte, das sich deutlich vom Recht der deutschen Zuwanderer unterschied und voller Diskriminierungen steckte.[6]

Man schätzt die Bevölkerungszahl der Prußen vor dem Einmarsch des Deutschen Ordens auf 220.000 Einwohner (so Harmut Boockmann. Die polnischen Historiker Gerard Labuda und Marian Biskup sowie H. Lowmianski schätzen die Einwohnerzahl um 1200 auf 170.000,[7] andere Wissenschaftler kamen bei der Annahme partiell dichterer Besiedlung auf 250.000. Zum Ende des großen Prußenaufstands 1283 sollen es nur noch etwa 90.000 gewesen sein. Die Prußenvereinigung Tolkemita, die die Literatur zu diesem Thema systematisch ausgewertet hat, geht von 4 bis 5 prußischen Bewohnern/km² aus und schätzt die Zahl der Prußen um 1200 vorsichtig auf 200.000 Personen, den Verlust während des Eroberungszugs der Ordensritter 1231 – 1284 durch Tod und Flucht auf 60.000 Personen.

Der Rückgang der prußischen Bevölkerung im 13. Jh. dürfte auch darauf zurückzuführen sein, dass viele Prußen ihrem heidnischen Glauben treu bleiben wollten und deshalb auswanderten wie z. B. viele Sudauer, oder sie waren vom Orden vertrieben worden. Nach dem 2. Weltkrieg bemerkte man, dass durch die Umsiedlungsaktion von Ukrainern nach Nordostpreußen viele Zuwanderer ins Land kamen, die ihre Herkunft auf die damals geflüchteten Prußen zurückführten.[8]

Um 1400 schätzt Lowmianski die Bevölkerungszahl der Prußen auf 140.000 bei 190.000 deutschen Zuwanderern. In diesem Zeitraum war der Bevölkerungsanteil der Prußen in der Komturei Christburg 36 %, in Natangen über 50 %, im Ermland 50 %, im Samland +90 % (so Walter Görlitz, die Prußen, S. 29). Herzog Albrecht sah sich über 100 Jahre später veranlasst, angesichts der großen Anzahl seiner prußischen Landeskinder den Christlichen Katechismus in die prußische Sprache übersetzen zu lassen, Tolken als Dolmetscher für die Prußen bei Ämtern einzusetzen und Prußen zum Universitätsstudium zuzulassen. Für 1775 schätzt die Tolkemita die Anzahl ihrer Landsleute auf 165.000, für 1939 auf 162.000, und auch in der Bundesrepublik gibt es demnach noch viele Prußen.

Der Orden war bei seinem Eroberungszug gewiss nicht zimperlich und ließ Blut fließen, um sich durchzusetzen. Schon durch die häufigen Kampfhandlungen hatte die Prußen etliche Tote zu beklagen. Das regte damals keinen Christen auf, denn Heiden wurden nicht als gleichwertige Menschen angesehen. Sobald sich die Prußen aber christlich taufen ließen, waren sie den Christen gleichgestellt, wie es der Vertrag von Christburg vorsah. Fürst Skomand ist ein prominentes Beispiel für die allgemeine Akzeptanz eines Konvertiten und etliche, später hervorragende Adelsfamilien gehen auf prußische Ursprünge zurück, so z. B. die Fincks, die von Lesgewang, die Grafen Kalnein, die Venediger, die Familien von Bronsart, von Lehndorff, die Perbandt, die Saucken. In Groß Pötzdorf sind Prußen als erste Rittergutsbesitzer dokumentiert, Gut Grasnitz wurde einem christianisierten Prußen übereignet. Das Dorf Preußisch Mark im Kreis Mohrungen ist in der Ordenszeit ein eine prußische Siedlung gewesen und hat einen prußischen Markt betrieben. Braunsberg war ursprünglich eine Prußensiedlung.

Auch die nicht getauften Prußen wurden nicht generell vertrieben oder getötet. Man konzentrierte sie in eigenen Siedlungen, wo ihnen dann mindere Rechte zustanden und der Landbesitz kleiner war als der von Neusiedlern. Sie mussten neben den Abgaben an den Grundherrn nun auch den Zehnten an den Orden abliefern. Das Gesinde auf den Ordensburgen bildeten überwiegend Prußen. Vergleicht man das Leben der ordenszeitlichen Prußen mit dem Leben im westlichen Europa, dann waren die Prußen freier und unabhängiger als die dortigen Bauern (so Uwe Ziegler, Kreuz und Schwert, Köln 2003, S. 116). Insgesamt muss man festhalten, dass der Orden die prußische Bevölkerung in keiner Weise ganz oder teilweise ausgerottet hat. Die Prußen haben sich zunehmend assimiliert. Dieser Prozess war etwa im 18. Jh. weitgehend abgeschlossen und man kann sich vorstellen, dass die besondere Wesensart der Ostpreußen sich wesentlich auf die prußische Urbevölkerung zurückführen lässt.[9]

Nachdem der Widerstand der Prußen gebrochen war, konnte die kolonisatorische Arbeit des Ordens mit voller Kraft in Angriff genommen werden. Das Land blühte auf, der Ordensstaat wurde reich und mächtig. Er entwickelte sich zu einer bedeutenden Wirtschaftsmacht im Ostseeraum, und seine wichtigsten Städte, u.a. Danzig, Elbing, Thorn, Königsberg, gehörten der Hanse an. Dank seiner Vereinigung mit dem Schwertbrüderorden 1237 konnte er sich in Livland festsetzen. 1308 erwarb er Pomerellen mit Danzig, 1346 Estland, 1398 für einige Jahre Gotland. Mit dem Erwerb der Neumark 1402 und Samaitens 1404 hatte das Territorium des Ordens seine größte Ausdehnung erreicht. Es reichte von der Oder bis zur Marwa in Litauen mit dem Kernstück Ostpreußen. Dann folgte die Schlacht bei Tannenberg 1410 und der über 100jährige Niedergang. Szameiten musste an Polen abgetreten werden und im verlustreichen Städtekrieg 1454 – 1466 verpfändete der Orden die Neumark an den Kurfürsten von Brandenburg und löste dieses Pfand nie wieder ein. Noch schwerere Gebietsverluste brachte der 2. Frieden von Thorn 1466.

Herausragender Hochmeister in der Blütezeit war Winrich von Kniprode. Er entstammte einer Familie auf der Burg Kniprath bei Monheim, nördlich von Köln. In die dokumentierte Geschichte trat er erst 1334, als er schon die rechte Hand eines Komturs war, also bereits einige Sprossen seiner Karriereleiter genommen hatte. 1138 wurde er Komtur von Danzig, 1341 Komtur von Balga, 1342 – 1346 Ordensmarschall, 1347 – 1351 Großkomtur. 1352 wählten ihn die Ritterbrüder zum Hochmeister, und dieses Amt übte er bis zu seinem Tod 1382 aus. Seine Herrschaft war wesentlich geprägt von vielen Litauerreisen. Aber er beschäftigte sich auch mit der Bildung in seinem Land und plante, in Kulm eine Universität einzurichten. Papst Urban IV. genehmigte bereits ihre Eröffnung für das Jahr 1386, doch da Winrich von Kniprode inzwischen starb, verschwand die Planung wieder. Immerhin wird Winrich von Kniprode der Ausspruch zugerechnet: „Unserem Orden wird es zwar nie an Geld und Gut, wohl aber an klugen und getreuen Leuten mangeln. Man muß mit allem Ernst nicht nur einige, sonder viele Schulen Preußen anlegen.“ Außenpolitisch ließ sich der Orden in dieser Periode die brandenburgische Neumark verpfänden, die er dann 1402 für 149.000 Gulden käuflich erwarb. Aber bereits 1454 kaufte Kurfürst Friedrich II. Hohenzollern dem inzwischen in Bedrängnis geratenen Orden die Neumark wieder ab und nun blieb sie bei Brandenburg-Preußen bis 1945.

Bald nach dem Tod des großen Hochmeisters wurden die politischen Weichen für den Untergang des Ordens gestellt. 1370 wählten die Polen König Ludwig von Ungarn zum König von Polen. Der hatte 2 Töchter, Maria und Jadwiga bzw. Hedwig. Die Magnaten entschieden sich für Jadwiga als Nachfolgerin ihres Vaters auf dem polnischen Thron und legten zugleich fest, dass sie den litauischen Großfürsten Jagiello (1351 – 1434) zu heiraten hätte. Heirat und Krönung erfolgten 1386. Jagiello ließ sich taufen, nannte sich dann als polnischer König Wladislaw II. und begründete die jagiellonische Dynastie, die bis 1572 in Polen regierte. Bevor er die Königswürde erlangte, musste Jagiello zusagen, dass sein ganzes Volk den christlichen Glauben anzunehmen hätte. Dieses Taufversprechen löste er tatsächlich ein und damit entfiel für den Deutschen Orden der Auftrag des christlichen Abendlandes, weiterhin in seiner Machtsphäre gegen die Heiden zu kämpfen, denn es gab offiziell jetzt keine mehr. Gleichzeitig erlosch das Interesse der Westeuropäer am Ritterstand und an den Kreuzzügen. Die Existenzberechtigung des Ordens war damit aufgebraucht. 1404 untersagte der Papst ausdrücklich den Heidenkampf gegen die Litauer.

Jetzt hätte der Orden ein normaler, machtpolitisch agierender und diplomatisch geschickt vorgehender Staat werden müssen, aber diese Umstellung hat er nicht bewältigt. Mit der polnisch-litauischen Union erwuchs ihm ein gefährlich erstarkter Gegner, mit dem er ohne Europas Unterstützung allein fertig werden musste. An seine überragende regionale Machtstellung gewohnt, wich er aber einer Konfrontation mit Polen-Litauen nicht aus und unterlag in der Schlacht bei Tannenberg am 15. Juli 1410. Schnell war die Herrlichkeit vorbei.

Die erste Runde der Auseinandersetzung zwischen Polen und dem Ordensstaat nach der Schlacht von 1410 fand ihr Ende durch den 1. Frieden von Thorn am 1. Februar 1411. Infolge der militärischen Stabilisierung unter Heinrich von Plauen blieb für den Orden der territoriale Bestand – mit Ausnahme Samaitens – erhalten. Außerdem wurde der Orden verpflichtet, für die Rückgabe der eroberten Ordensburgen[3] die damals riesige Entschädigung von 100.000 Schock böhmischer Groschen an Polen zu zahlen (entspricht mehr als 22 Tonnen Silber[4]). Dennoch erholte sich der Orden recht schnell wieder. Die Interessengegensätze hingegen war nicht ausgeräumt. Hochmeister Heinrich von Plauen wollte deshalb den Krieg gegen Polen/Litauen erneut aufnehmen. Dieses Begehren scheiterte jedoch im Generalkapitel, das auf einen Ausgleich mit Polen setzte. Heinrich von Plauen wurde abgesetzt und verbannt und statt seiner wählte man am 9. 1. 1414 den Führer der Opposition, Michael Küchmeister, zum Hochmeister. Dieser bemühte sich mit aller Kraft, auf diplomatischem Weg zu einem Ausgleich zu kommen, konnte den polnischen König jedoch nicht dazu bewegen, auf seine umfangreichen Gebietsforderungen (Abtretung von Pommerellen, Kulmer Land, Sudauen, Neumark etc.) zu verzichten. Wladislaw II. erklärte folgerichtig dem Orden am 18. Juli 1414 den Krieg, der als “Hungerkrieg” in die Annalen einging.[5]

Um das dadurch entstandene Loch in der Ordenskasse wieder aufzufüllen und die entstandenen Verwüstungen zu beseitigen, war der Hochmeister gezwungen, den Einwohnern Steuern zu verordnen. Damit schuf er eine der Ursachen für die spätere Unzufriedenheit der Bürger mit den Ordensbrüdern. Trotz hoher Kriegskontributionen und der Zerstörungen besaß der Ordensstaat aber immer noch genügend Substanz, um sich in den nächsten 40 Jahren einigermaßen gegen seine Nachbarn zu behaupten.

In dieser Zeit manifestierte sich ein entscheidender gesellschaftlicher Wandel. Die Städte und Stände waren zunehmend nicht mehr bereit, sich vom Orden bevormunden zu lassen, sondern verlangten immer mehr Eigenverantwortung und Selbstbestimmung. Die Handelsmacht des Ordens behinderte die Handelsgeschäfte der Städte, was Verdruss und Widerstand mehrte. Durch den Zölibat und den ständigen Wechsel in den Führungspositionen hatten die Ritterbrüder wenig Möglichkeiten, in ihrer Bevölkerung Fuß zu fassen, blieben somit eher Fremde. Eine erste Widerstandsbewegung, derEidechsenbund, wurde 1397 im Kulmer Land gegründet. Ihr Führer, Nicolaus von Renys (1360 – 1411) wurde wegen ordensfeindlicher Aktivitäten nach dem Frieden von Thorn vom Orden in Graudenz hingerichtet.[10]

Indem die Heiden entschwanden, verloren sie ihre geistige Führerschaft. Dies ging einher mit ordensinternen Streitereien und Zerwürfnissen. Die wirtschaftliche Stärke des Ordens war gebrochen. Statt Subventionen zu gewähren, musste er seine Bürger mit Steuern und neuen Abgaben belasten. Die Ritterbrüder schafften es nicht, all diesen Wandlungen Rechnung zu tragen. Als Konsequenz entstand neben der außenpolitischen jetzt noch eine innenpolitische Konfrontation, die mit dem13jährigen Städtekrieg 1454 – 1466, einem Krieg der Bürger gegen ihren Landesherrn, den Weg zum Untergang der Ordensmacht beschleunigte. 85 % der preußischen Dörfer sollen in dieser Auseinandersetzung, die vornehmlich mit teuren Söldnern geführt wurde, zerstört worden sein. Keiner hatte die Übermacht erlangt, aber der Orden war ermattet.

Der Städtekrieg wurde abgeschlossen mit dem 2. Frieden von Thorn am 19. Oktober 1466. Darin musste der Orden auf die Kreise Pommerellen, Marienburg, Elbing, Danzig, Kulm und Michelau sowie auf das Bistums Ermland verzichten. Als politisch autonomes Gebiet mit eigenem Landtag und eigener, von den Einwohnern gebildeten Verwaltung traten diese Gebiete unter die Oberhoheit des Königs von Polen.

Polen hielt sich jedoch nicht lange an diese Vereinbarung mit den neuen Landeskindern, sondern durchbrach sie einseitig 1569 mit dem Dekret von Lublin, indem mit ‘Preußen kgl. poln. Anteils’ (Westpreußen) eine Union mit dem polnischen Königreich herstellt wurde. Selbstständig hielten sich nur die drei großen deutschen Handelsstädte Danzig, Elbing und Thorn in einer in Analogie zu den deutschen Reichsstädten gebildeten privilegierten Rechtsstellung. Das eigentliche Ostpreußen blieb dem Orden als Rest des Ordensstaates erhalten. Königsberg wurde offizieller Sitz des Hochmeisters.

Im Ordensstaat verblieb das Eigentum am Land beim Orden, bei den Bischöfen oder beim Domkapitel. Für die Dienstgüter der Freien, die meist keine Adligen waren, gab es nur erbliche Nutzungsrechte. Das änderte sich nach dem 2. Frieden von Thorn grundlegend.

In Westpreußen, dem Preußen kgl. Anteils, übertrug der König den bisherigen Freien ihre Dienstgüter 1476 mit dem Allodifikationspatent zum persönlichen Eigentum. Damit entstand sehr bald die neue Klasse der grundbesitzenden Adligen und die Bauern wurden bis zum Ende des 17. Jhs. durchweg zu Leibeigenen.

In Ostpreußen musste der Orden nach dem 2. Frieden von Thorn verstärkt mangels barer Geldmittel die Eigentumsrechte am ländlichen Großgrundbesitz an die Söldner zum Ausgleich von Soldforderungen übertragen. Es war die Zeit, wo die später bekannten Familien der Dohna, Schlieben, Tettau, Eulenburg, Egloffstein, Truchseß zu Waldburg, Schenk zu Tautenberg zu ihrem Grundvermögen kamen. Im Herzogsstaat wurde das Land dann nahezu vollständig privatisiert.

Dank der immensen Verwüstungen infolge des Städtekriegs nahm die Wohnbevölkerung stark ab. Um die Lücken zu schließen, wanderten im Norden sehr viele Litauer ein, so viele, dass man später von Preußisch-Litauen sprach. Im Osten dagegen wanderten viele Polen zu und es entstand das für Masuren typische Völkergemisch.

Nach 12 Jahren kam es noch einmal zu einer militärischen Konfrontation des Ordens mit Polen, dem sog. Pfaffenkrieg 1478. Es ging um die Besetzung des ermländischen Bischofsstuhls und um die Huldigung vor dem König von Polen. Das Ordenskapitel hatte Nikolaus von Thüngen zum Bischof gewählt, Polen wollte statt dessen einen eigenen Kandidaten durchsetzen. Am Ende des Kriegs blieb Nikolaus von Thüngen Bischof des Ermlands und huldigte dem polnischen König genauso wie der Hochmeister des Ordens.

Zum Ende des 15. Jahrhunderts nahmen Überlegungen konkrete Formen an, zum Hochmeister Kandidaten aus dem Kreis der Reichsfürsten zu wählen. 1511 wählte man so Albrecht von Hohenzollern-Ansbach zum Hochmeister. Auch er suchte noch einmal die militärische Auseinandersetzung mit Polen, indem er 1519 den Reiterkrieg gegen seinen Onkel, König Sigismund von Polen, Bruder seiner Mutter, vom Zaune brach. Nach 2 Jahren unentschiedener Scharmützel schloss man einen Waffenstillstand, 1525 nahm Albrecht von Brandenburg das Herzogtum Preußen im Anschluss an den Frieden von Krakau vom König von Polen zum Lehen. Vom Ordensstaat war schon gar keine Rede mehr, er war entschwunden.


[1] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 238
[2] Dittmar Dahlmann, Die Schlacht auf dem Peipussee 1242, Baltische Briefe, März/April 2012, S. 7 f
[3] Jörg Bernhard Bilke, Die Schlacht bei Tannenberg, 1410, Masurische Storchenpost, S. 33
[4] Manuel Ruoff, Schlacht, Krieg uhnd Zukunft verloren, PAZ Nr. 27/2010 (10. Juli), S. 11
[5] Klaus Neitmann, Seine Ausgleichspolitik scheiterte, PAZ Nr. 29/2014 (19. Juli), S. 10
[6] Fritz Alshut, Die Prußen, Tolkemita-Text 71, 1987, S. 45
[7] Kossert, Ostpreußen, S. 28
[8] Grunenberg auf der Tolkemitatagung am 4. 10. 2008
[9] Fritz Alshut, Die Prußen, Tolkemita-Text 71, 1987, S. 46
[10] Jörg Bernhard Bilke, Die Schlacht bei Tannenberg, 1410, Masurische Storchenpost, S. 33