Entstehung und Entwicklung der Frischen Nehrung
Die Frische Nehrung entstand in einem langen Prozess aus einem Wechselspiel vonSandablagerungen durch die Brandung der Ostsee und Sedimentablagerungen der Flüsse. Im Laufe der Zeit wuchs der westliche Riegel der Nehrung mit Ablagerungen der Weichsel aus der Gegend von Danzig in Richtung Osten, der östliche Riegel mit Ablagerungen des Pregel vom Samland in Richtung Westen. Zunächst bildeten sich Sandinseln, zwischen denen die “Tiefs” das sich bildende Haff mit der Ostsee verbanden.
Ein Tief bei Vogelsang zu prußischer Zeit, das noch in der Ordenszeit existierte, ist nicht bewiesen. Das Tief zwischen Schmergrube und Kahlberg, auch Elbinger Tief genannt, bestand bis weit ins 13. Jh. hinein. In der Folge entstand das Rosenberger Tief, auch Altes Tief genannt. Das machten die Danziger im Städtekrieg 1455/1456 unbrauchbar, indem sie dort fünf Schiffe versenkten und das Tief dadurch versandete. Das Lochstädter Tief überflügelte zunächst die anderen Tiefs, versandete jedoch, als sich das 1426 gebildete Tief gegenüber der Burg von Balga größerer Beliebtheit bei den Schiffsführern erfreute. Aus den 1479 bei Pillau entstandenen Durchbrüchen durch die Nehrung entwickelte sich letztlich der bis in unsere Tage einzige Durchgang vom Haff zur Ostsee, 1510 bereits als das richtige Tief bezeichnet, während alle anderen Tiefs versandeten und verschwanden, wobei die Danziger diesen Prozess im Konkurrenzkampf mit Elbing freudig unterstützten.
Das Frische Haff ist durchweg recht flach. Im Mittel liegt die Tiefe bei 4 Metern, an der tiefsten Stelle zwischen Pillau und Balga beträgt sie rd. 5 Meter. Durch die geringe Tief sind die Wellen kurz und unregelmäßig weshalb die Fahrt auf dem Haff bei starkem Wind unangenehm sein kann.
Die Frische Nehrung ist insgesamt 65 km lang und zwischen 400 m und 1,8 km breit. 26 km der Frischen Nehrung entfallen auf Nordostpreußen.
Hinter dem wachsenden Riegel der Nehrung konnten sich die Sinkstoffe der Weichsel ungestört ablagern. Auf diese Weise entstanden die Flächen des Danziger Werders. Dieses Schwemmlandwuchs mit der Nehrung zusammen und wurde sehr bald nach Beginn der Ordensherrschaft entwässert und so für die landwirtschaftliche Nutzung aufbereitet. Der angelsächsische Seefahrer Wulfstan fand das “Aestenmeer” im 9. Jh. noch zur See hin geöffnet und die Nehrung im Stadium der Entstehung.
Im Laufe der Jahrhunderte sorgten heftige Orkane für Durchbrüche in der Nehrung, die aber bei anderer Gelegenheit durch Sturmhochwasser wieder versandeten. So entstand das Lochstädter Tief als natürliche Zufahrt von der Ostsee ins Frische Haff. Dieses versandete durch Sturmhochwasser zwischen 1304 und 1310. Vorübergehend gab es ab 1376 eine Seeverbindung zwischen Frischem Haff und Ostsee. 1426 entstand ein neuer Durchgang bei Balga, das Alte Tief, das jedoch nach relativ kurzer Zeit auch wieder unpassierbar wurde. 1479 kam es zu einem Durchbruch bei Pillau, aber nur für begrenzte Zeit. Endlich am 10. September 1510 schuf hier die See während eines großen Sturms einen 380 Meter breiten und 4 Meter tiefen Durchgang, und der bildete bis heute den Zugang von der Ostsee ins Frische Haff und gewährte dem Königsberger Hafen eine dauerhafte Erreichbarkeit, sofern die Schiffe in modernen Zeiten nicht zu groß waren. Nach dem 2. Weltkrieg ist das Frische Haff jedoch geteilt in einen sowjetisch/russischen und einen polnischen Teil. Nach Elbing kommt man also nur durch die russische Passage bei Baltijsk – Pillau. Um von der russischen Herrschaft über den Zugang zum Haff unabhängig zu werden, baut Polen derzeit gegenüber Elbing bei Skowronki – Vogelsang einen 20 Meter breiten und 5 Meter tiefen Kanal durch den polnischen Teil der Nehrung.
Die Bauarbeiten für den neuen Kanal durch die Nehrung begannen 2019 und wurden 2022 abgeschlossen. Der Kanal ist 1,3 km lang, hat an der Kanalsohle eine Breite von 40 Metern, an der Oberfläche 80 Metern und ist 5 m tief. Am Südende gibt es eine Schleuse, die vor allem verhindern soll, dass das Frische Haff zu stark mit Salzwasser belastet wird. Ansonsten gilt der Kanal als Prestigeprojekt der PIS-Regierung, da der wirtschaftliche Nutzen für die Seefahrt mäßig ist, weil die Häfen in Stettin, Gdingen und Danzig den Bedarf an Umschlagkapazität voll decken. Es gibt lediglich leichte Vorteile für die Häfen in Frauenburg und Tolkemit.[1]
Die Frische Nehrung bewaldete sich im Laufe der Zeit. Dieser urwüchsige Waldbestand nahm aber insbesondere im 18. Jh. durch intensiven Einschlag rapide ab. Auch ein Absinken des Grundwasserspiegels infolge der Entwässerungsarbeiten im Danziger Werder im 17. und 18. Jh. wird das Verschwinden der Wälder begünstigt haben. Als Folge bildeten sich Dünen und teilweise sogar Wanderdünen, die ganze Dörfer verschütteten. So befand sich nordöstlich von Krynica Morska – Kahlberg hinter dem Höhenzug namens Kamelrücken das Dorf Schmergrube. Dieses ging zwischen 1644 und 1728 vollständig im Sand einer Wanderdüne unter.
Als Gegenmaßnahme förderte man im 19. Jh. die Wiederaufforstung mit gewöhnlichen Kiefern und Bergkiefern und heute präsentiert sich die Nehrung wieder mit 22.000 ha Wald. Die einzige Wanderdüne gibt es noch in der Nähe des Dorfes Narmeln, heute im russischen Teil der Nehrung hart an der Grenze zu Südostpreußen, und diese befestigte man so erfolgreich, dass Narmeln vor der Verschüttung bewahrt blieb.
Die Dörfer der Nehrung befinden sich grundsätzlich auf der Haffseite: ein Streifen fruchtbarer Schlickablagerungen erlaubte eine landwirtschaftliche Nutzung und die Nehrungshöhen mildern die scharfen Ostseewinde.
Westlich von Kahlberg bilden die aufgeforsteten Dünen viele Kuppen. Weil hier die Wacholderbüsche besonders gedeihen, nannte man diesen Teil der Nehrung die “Kaddigschweiz“. In dichten Moosteppichen wachsen Heidelbeer- und Preiselbeersträucher, Adlerfarne und die blaue Standdistel. Östlich von Kahlberg gibt es einen langgezogenen Dünenwall, der sich bis Narmeln erstreckt und eine Höhe von durchschnittlich 30 m erreicht.
Die Nehrung ist ein großer Sammelplatz für die Zugvögel im Herbst und etliche Vogelarten aus dem hohen Norden schlagen hier ihr Winterquartier auf.
[1] Bodo Bost, Der Nehrungskanal wurde früher fertig, Oprbl. Nr. 38/2022 (23 September), S. 13