Gaffken

Parusnoje – Gaffken

Ursprünglich war das hiesige Gut als Geudken oder Gaudken ein Vorwerk der Burg Lochstädt. Zusammen mit dem Vorwerk Schäferei unweit von Neuhäuser und deshalb später Gut Neuhäuser genannt, stand hier ein zur Ordenszeit beachtliches Gestüt für die Züchtung der für die gepanzerten Ritter geeigneten schweren Reitpferde. Im Jahr 1397 gab es über 100 solcher Tiere im Bestand. In allen Komtureien zusammen gab es 2.200 leistungsfähige Reitpferde.

Urkundliche Erwähnung fand das Gut erstmals 1413. Für 1629 ist ein Eigentumsübergang des Gutes an Andreas von Mohrenberg, der bis dahin dessen Pfandgläubiger war, aktenkundig. 1854 erwarb das Rittergut mit seinen Vorwerken Damerau, Nöppkeim, Barten und das 12 Kilometer entfernt gelegene “Torfbruch Germau” der Kommerzienrat Otto Wien (gest. 1882), ein Landwirt aus Mecklenburg und Teilhaber der florierenden Getreidegroßhandlung Ernst Castell in Königsberg. Seine Frau, eine geborene Kruse, stammte aus Lübeck.

Bald darauf entstand neben neuen Wirtschaftsgebäuden und für die damalige Zeit vorbildlichen Leutehäusern das Landhaus aus gelben Klinkern mit hohem Turm auf der Ostseite. Der ganze Gutshof wurde mit einer 2,50 Meter hohen massiven Mauer umgeben. In dieser Mauer war in Richtung Damerau ein großes Tor aus Holz eingebaut, das den Weg durch eine mit alten Linden bestandene Allee nach dem 1,5 Kilometer entfernten Vorwerk Damerau freigab. Das Gut umfasste nach dem 1. Weltkrieg bis zur Vertreibung einschließlich der Vorwerke Damerau und Nöpkeim eine Fläche von etwa 1.000 ha. mit zuletzt 50 ha Wald. [2]

1923 pachtete Rittmeister Emil Maier aus Graudenz Gut Gaffken mit Vorwerken von der Wienschen Erbengemeinschaft. Diese Erbengemeinschaft war 1922 auf Initiative von Landrat Max Rötger, der mit einer Tochter der Familie Wien verheiratet war, gegründet worden. Rittmeister Maier hatte 1909 das Gut Nitzwalde im Kreis Graudenz gekauft, gab es jedoch nach der Bildung des polnischen Korridors auf, weil seine Bindung an das Gut nicht lang genug war, um für Polen optieren zu dürfen.

Rittmeister Maier war ein passionierter und ideenreicher Landwirt. So experimentierte er auf dem Vorwerk Barten bereits mit biologisch-dynamischen Anbaumethoden, gab diese aber nach 5 Jahren wegen drastischen Ertragsrückgangs wieder auf. Er führte als einer der ersten Großbetriebe der Region den Zuckerrübenanbau ein, wobei die Rüben zunächst nach Rastenburg und, als die Kapazität der dortigen Fabrik erschöpft war, nach Marienburg und Altfelde geliefert werden mussten. Der Kartoffelanbau erbrachte jährlich 600 bis 750 Tonnen, der Anbau von Getreide und Hülsenfrüchten jährlich 500 – 600 Tonnen. Es gab eine Herbuchvieh-Herde, die zu den Gründerherden des Ostpr. Holländer Herdbuchs gehörte. Jährlich wurden 15 bis 20 Waggons Mastschweine an die Viehverwertungsgenossenschaft nach Königsberg geliefert. Die Gülle wurde aus den Ställen durch Rohrleitungen direkt in vier Hochsilos transportiert und von dort durch Jauchewagen auf die Ackerflächen verteilt. Dieses war seinerzeit die zweitgrößte Anlage in Deutschland.

In Gaffken standen 6 bis 8 Hauptregisterstuten Trakehner Abstammung. Ein Junghengst Trakehner Abstammung, den einzigen, den Gaffken je gestellt hat, erzielte auf einer Auktion in Königsberg 1943 den Höchstpreis von 17.500 RM. Er stand zuletzt in der Hengstprüfungsanstalt Zwion, wo er den Sowjets in die Hände fiel. Dazu gab es noch einen 1a gekörten Kaltbluthengst der auch fremden Stuten zur Verfügung stand. Die Gutsfläche betrug 1.000 ha. Es gab 375 Stück Rindvieh, 450 Schweine, 300 Schafe und 125 Pferde.

Die Scheunen in Gaffken waren vom Typ mecklenburgische Langfahrscheunen – 80 Meter lang, 18 Meter hoch und 16 Meter breit. Diese großen Bauwerke waren jedoch unpraktisch, denn sie erforderten einen überproportionalen Aufwand an Arbeitskräften. In einer Gutsmolkerei wurde bis zur Stilllegung 1938 Käse und Markenbutter produziert.

In Gaffken kam der Physiker und Nobelpreisträger Wilhelm Wien (13. 1. 1864 – 30. 8. 1928) zur Welt, der 1911 den Physik-Nobelpreis für die Entdeckung der Gesetze der Wärmestrahlung erhielt. Er war Schüler von Hermann von Helmholtz, der 1849 – 1855 an der Albertina in Königsberg lehrte, und Nachfolger von Röntgen in Würzburg.

Die Gutsanlage Gaffken wurde nach dem 2. Weltkrieg militärisch genutzt. Das Guts- und das Verwalterhaus haben die Zeiten ordentlich überstanden. Anbauten wie Terrasse und Pergola wurden entfernt. Der Schlossteich wurde tief ausgebaggert und diente als Ausbildngszentrum für Marinetaucher. Die Wirtschaftsgebäude und die Insthäuser gibt es nicht mehr. Die ehemalige Schule dient sowohl Kinovorführungen als auch kirchlichen Gottesdiensten. Der Bahnhof Gaffken und die Vorwerke Damerau und Nöpken sind verschwunden.[1] Der Friedhof ist stark zerstört. Im sog. „Wäldchen“ befand sich u. a. das Erbbegräbnis der Familie Wien.

Ein informatives aktuelles Google-Luftbild findet sich unter der Adresse www.geidau.de, einer sehr gelungenen Website von Bernd Hudelmaier.

Südlich von Gaffken liegt der 31 Meter hohe Kauster, auf dem zu prußischer Zeit eine Burg gestanden haben soll. Die Wälle sind jedoch überwuchert. Immerhin soll man am Westabhang einen schönen Blick in das Tal des Ziegenberger Mühlenfließes haben.


[1] Dr. Wilhelm Gieseke, Untergang – oder doch nicht?, Unser schönes Samland, Sommer 1994, S. 25 ff
[2] Laut Günther Henneberg in Unser schönes Samland, September 1970, S. 24, waren in der Gesamtfläche von 1.000 ha zuletzt 75 ha Wald und 250 ha eingezäunte Weideflächen entlang des Germauer Mühlenfließes

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