Zapovednoje – Groß Kryszahnen/ Seckenburg
In Seckenburg gab es nie eine Burg, sondern es gab nur das Vorwerk Seckendorf. Als Friedirch Wilhelm I. 1731 in Begleitung des kaiserlichen Gesandten Reichsgraf von Seckendorff, des polnischen Oberst von Polentz und des holländischen Generals Baron von Ginckel das Land um Groß Kryszahnen besuchte, ließ er hier drei Vorwerke anlegen, die er zu Ehren seiner Begleitung Seckendorf, Ginkelsmittel und Polenzhof benennen ließ. Bis nach dem 1.Weltkrieg gab es nur die Ortschaft Groß Kryszahnen. Lediglich die Kleinbahnstation, Kirche, Standesamt und Gericht firmierten unter „Seckenburg“ (offenbar nicht Seckendorf, wobei unklar ist, wo die “Burg” herkam)[1]. Dem Zug der Zeit folgend setzte der Gemeindevorsteher in einer jahrelangen Auseinandersetzung mit dem zuständigen Amt den Namen Seckenburg für den ganzen Ort durch.
Seckenburg ist ein Marktflecken an der ehemaligen Grenze zwischen eingedeichtem Neuland und alter Niederung. Das Gebiet von Tilsit, an Memel und Gilge entlang bis Seckenburg und weiter südlich bis an den hochwasserfreien Teil der Niederung, der Linkuhner Niederung, wurde ab 1650 durch Eindeichung für die landwirtschaftliche Nutzung gewonnen. 1664 gab es zwar einen zusammenhängenden Schutzwall, der aber noch unzureichend war, weil er in Eigenverantwortung der Anwohner gebaut worden war und von diesen gepflegt werden musste. Da das nur begrenzt funktionierte, gab es seit 1716 die Aufsicht durch die Provinzialkammer und durch Deichverbände. Man baute außerdem Schöpfwerke zur Entwässerung. In der 2. Hälfte des 19. Jhs. erstreckten sich hier üppige Getreidefelder und Viehweiden, die Landwirtschaft war äußerst einträglich. Die Länge der Deiche betrug 59 km.
Durch seine Lage an Gilge und Kleinem Friedrichsgraben war Seckenburg ein Umschlagplatz zwischen Land- und Flußverkehr. Markttag war der Donnerstag. Schiffe brachten alle möglichen Kolonialwaren für die Ladengeschäfte der Niederung und transportierten auf dem Rückweg Schlachtrinder, Schweine und vor allem Gemüse auf dem Dampfer „Vorwärts“ nach Königsberg. Auch das Hinterland von Seckenburg war durch Wasserwege erschlossen. Kartoffeln und Mohrrüben wurden dagegen hauptsächlich mit der Bahn in die Städte der Provinz transportiert, in Einzelfällen sogar bis nach Wien. Der bei Seckenburg nach Süden mit spürbarem Gefälle abzweigende Kleine Friedrichsgraben hieß, zumindest bis zur Kolonie Friedrichsgraben, bei den Litauern „Greituschke“, was litauisch „Die Schnelle“ bedeutet.[2]
Die Kirche in Seckendorf ist ein Bau von 1896. Sie kam unbeschädigt über den Krieg und wurde Lagerhalle. Auch nach dem Krieg konnte Pfarrer Otto Kybelka aus Memel von August 1945 bis März 1946 in der Kirche Gottesdienste abhalten. Noch 1990 befand sie sich in ordentlichem Zustand, auch wenn im Westen eine Türöffnung durchgebrochen wurde und die Fenster zugemauert sind. In 2006 sind die Zerfallserscheinungen unübersehbar. Die kleinere der beiden Glocken hängt heute in der Kirche von Heinrichswalde.[3]
Noch 1943 konnte die Mittelschule von Seckenburg in das zum Schulhaus umgebaute Reichsarbeitsdienstlager einziehen. Zuvor waren die Platzverhältnisse so beengt, dass teilweise zwei Klassen in einem Raum gleichzeitig unterrichtet werden mussten, was ziemlich anstrengend für alle Beteiligten gewesen sein muss. Die Freude über das komfortable neue Haus hielt dann aber nur bis zum Oktober 1944. Heute existiert es nicht mehr.
In Seckenburg wohnte die 1942 in Tilsit geborene Schriftstellerin Irene Schwarz mit ihren Eltern, bis alle das Land verlassen mussten. Auf der Flucht fanden ihre Mutter und ihre Großeltern den Tod. Sie selbst wurde ein namenloses Findelkind, das dennoch mit Hilfe von Nachbarn und Freunden ihren Vater wiederfand, als der aus dem Krieg zurückkehrte. Dieses persönliche Schicksal beschreibt sie in ihrem Buch “Ohne Namen, ohne Eltern, ohne Heimat – eine wahre Geschichte aus Ostpreußen“.