Piasty Wlk. – Groß Peisten: Geschichte des Rittergutes
Die beiden Orte Groß und Klein Peisten, gleich östlich von Landsberg, bestanden schon als prußische Siedlungen und hießen zur Ordenszeit Große und Cleyne Paistio, wobei dem Namen das prußische paustre = Wildnis zugrunde lag. Urkundlich wird Groß Peisten erstmalig 1414 erwähnt. Aus diesem Grunde fand am 26.Juli 2014 die 600- Jahrfeier statt. Der Statthalter Heinrich Reuß von Plauen verlieh 1469 dem Paul Pregel, der sich nachfolgend zu einem Großgrundbesitzer entwickelte, Gut und Mühle Groß Peisten. Er erwarb um 1490 auch noch Klein Peisten.
Der Landhofmeister Melchior von Kreytzen (um 1475 – 1550) aus einem prußischen Geschlecht erwarb 1547 u. a. Groß und Klein Peisten, und sein Sohn, der Kanzler Johann von Kreytzen (1506 – 1575), arrondierte den Besitz zu einer riesigen Begüterung, die bis 1815, als der letzte männliche Erbe Erdmann Friedrich Alexander v. Kreytzen starb, in der Familie blieb.
Für Geschichts- und Heimatforscher mag das Testament von Johann Wilhelm von Kreytzen aus dem Jahre 1791 von Interesse sein, das von Helmut und Inge Ramm transskribiert wurde. Es wurde dem Grünen Hausbuch der adlig Peistischen Güter entnommen, das im GStAPK in Dahlem verwahrt wird.
Helmut Ramm schrieb dazu: Weil sein Vater verstorben war, übernahm am 21.Okt.1791 der neue Lehnsherr Erdmann Friedrich Alexander von Kreytzen, Erbherr von Peisten und Sillginnen, seine Lehnsgüter. Diese Aufstellung enthält alle gutsuntertänigen Bewohner in Albrechtsdorf und weiteren Dörfern und Gütern die zu diesem Lehsbereich gehörten. Die Einwohner mußten dem neuen Lehnsherrn ihre Untertänigkeit durch Unterschrift, Handzeichen (+ + + ) oder Handschlag versichern und anerkennen. Von Kreytzen Testament Teil 1 und von Kreytzen Testament Forsetzung
Während der Großen Pest im Anfang des 18. Jhs. ereignete sich in Groß Peisten ein Angstpsychose mit grausamer Folge: Der Verwalter des Gutes ließ eine schwachsinnige alte Frau, nur weil sie Pestkranke gepflegt hatte, lebendig in einen Sarg legen und diesen von Landdragonern beschießen, so dass die Frau zu Tode kam.[1]
Die Begüterung sollte testamentarisch an die Linie Creytz Domnau fallen, was jedoch angefochten wurde. Nach langwierigen Erbauseinandersetzungen vor allem mit der russischen Linie, die sich bis 1836 hinzogen, übernahm Franz Heinrich Anton von Creytz das Erbe. Er musste jedoch bereits 1837 den Groß Peistener Besitz aus wirtschaftlichen Gründen verkaufen. Käufer war Hugo Karl August Ludwig von Esebeck.
Für 1846 wird ein Franz von Kortzfleisch, Kgl. Preuß. GenLT. a. D., als Herr auf Groß und Klein Peisten genannt; er hatte im Juli 1837, gemeinsam mit seinem Schwager von Wedell, für den stolzen Betrag von 85.000,- Talern die Güter Gr. Und Kl. Peisten mit Hoofe, Kattlack, Papperten, Powinken, Eideln, Schwadtken und Sieneken erworben. Beide behielten den Besitz bis zur Veräußerung Ende 1858/ Anfang 1859. Wilhelm Aloysius Strüvy lernte Ferdinand von Esebeck auf einer Reise nach Ostpreußen kennen, verbrachte eine kurze Zeit in Groß Peisten. und kaufte durch dessen Vermittlung das Gut Worlack.
1858 erwarb der Eisenbahnkönig Bethel Henry Strousberg, 1823 in Neidenburg geboren, der durch die Finanzierung und den Bau von Eisenbahnlinien vorübergehend ein riesiges Vermögen zusammentrug, die beiden Güter Groß und Klein Peisten. Nach seinem Konkurs übernahm 1875 ein Bankenkonsortium die Besitzung und verkaufte 1876 den gesamtem ehemaligen Strousbergschen Besitz an Wilhelm Aloysius Strüvy und seinen Schwager Oskar von Steegen. Wilhelm A. Strüvy behielt Groß Peisten für sich; die Vorwerke wurden verkauft, so das noch 781,5 ha Land blieben.
Kurioserweise musste das Gut Groß Peisten aufgrund nicht näher ausgeführter Abmachungen nach dem Konkurs monatlich 1 Taler zur Unterstützung von Bethel Henry Strousberg bis zu dessen Tod 1884 aufbringen.
Das Gutshaus in Gr. Peisten stammte in den Grundmauern noch aus der Ordenszeit von 1408 – 1410, wurde im Barock umgebaut und 1846 oder 1866 um ein Stockwerk erhöht. Um ca. 1881 ließ der Vater des letzten Besitzers, Kurt Strüvy, die Säulen und den Frontbalkon über dem Eingang anbringen Von allem blieben nach dem 2. Weltkrieg nur noch Reste der Grundmauern aus dem 15. Jh. übrig.
In der Pferdezucht gehörte Gr. Peisten zu den größeren Aufzuchtbetrieben des Kreises. Die Schafhaltung hatte dagegen im Laufe der Zeit stark abgenommen. 1932 zählte man in Gr. Peisten nur noch 230 Tiere. Allerdings nahm der Bestand zum Kriegsende wieder zu und Gr. Peisten erlangte während dieser Phase sogar mit einem Wollbock, der anschließend ins Allgäu verkauft wurde, 1942 den Siegerpreis.
Außerdem verfügte Gr. Peisten von 1897 bis zum bitteren Ende über die einzige Brennerei des Kreises mit einem Kontingent von 707 hl. Der Wald nahm eine Fläche von 156 ha ein. Das Holz wurde in einem eigenen Sägewerk verarbeitet. Dazu gab es noch eine Ziegelei mit einer Kapazität von 800.000 Ziegeln.
40 ha Wiesen und 68 ha Weiden standen den 90 Pferden, 162 Rindern, 32 Milchkühen sowie 23 Schafen und 184 Schweinen als Weide- bzw. Futterflächen zur Verfügung. Sicherlich nicht allen, einige waren wohl auch ganzjährig in den Stallungen. Ob es schon Traktoren und Dreschmaschinen gab, ist nicht verzeichnet, ist jedoch für die 1930er Jahre anzunehmen. Die Milchkühe waren registriert beim Deutschen Herdbuchverband und die Schweine gehörten zum Deutschen Edelschwein – das war ein Zeichen hervorragender Zuchterfolge. (Nachzulesen bei Niekammers Güteradressbuch Ostpreußen von 1932).[2]
Zu Groß Peisten gehörten außerdem die Güter in Worlack, Powarschen und Klein Peisten Letzter deutscher Besitzer war der Generallandschaftsrat Wilhelm Strüvy (14. 3. 1886 – 4. 12. 1962), der noch 1961 mit dem Preußenschild, der höchsten Auszeichnung der Landsmannschaft Ostpreußen, geehrt wurde. Er war ein hoch geschätzter Landwirt und überlebte die sowjetische Kriegsgefangenschaft, in die er als Oberstleutnant d. R. zum Kriegsende geraten war. 1949 kam er in die Bundesrepublik und nahm seinen Wohnsitz in Lübeck. Wilhelm Strüvy wurde geboren auf dem Gut in Wróblik – Sperlings im Kreis Heilsberg.
Die Gutshäuser in Groß und Klein Peisten sowie die Kirche sind verschwunden, ebenso die Ziegelei, die einst die Familie Scheffler leitete. Von der Mühle und der Brennerei existieren noch Ruinen. Das Inspektorenhaus steht noch. Es wurde bis zur Vertreibung von der Familie Rautenberg bewohnt.
Generalfeldmarschall Paul v. Hindenburg war befreundet mit dem Großvater von Wilhelm Strüvy. Auf einem der Bilder ist v. Hindenburg anlässlich eines Empfangs auf Gr. Peisten zu sehen.