Filino – Klein Kuhren + Primorje – Groß Kuhren + Gut Finken
Klein-Kuhren war um die Wende zum 20. Jh. ein Ort, wo sich Künstler, kinderreiche Familien und Naturliebhaber besonders gerne aufhielten. Hier mündet das Finkener Mühlenfließ in die Ostsee, das im Laufe der Jahrtausende zwischen Groß und Klein Kuhren die Finkenschlucht ausgewaschen hat. Die ersten Siedler waren kurische Fischer. Durch die Finkenschlucht landeinwärts gelangte man zum Gut Finken, einem Vorwerk vom Kammeramt Dirschkeim, einst inmitten herrlicher Linden gelegen.,Frühere Reiseführer priesen die Finkenschlucht und Gut Finken als lohnendes Ausflugsziel.
Das Finkener Fließ begünstigte zur Ordenszeit die Anlage einer Mühle, die durch die kurfürstliche und königliche Zeit hindurch mindestens bis vor 100 Jahren in Betrieb war. Höchster Berg des samländischen Strandes war der 60,8 Meter hohe Wachbudenberg bei Klein Kuhren, von dessen Spitze aus man bis zur Kurischen Nehrung schauen kann. An der Steilküste des Wachbudenbergs steht an einer Stelle mit schönstem Ausblick auf die Ostsee eine 150 Jahre alte Zwillingsbuche, die von einem unglücklichen Liebespaar gepflanzt wurde, das nicht zueinander finden durfte. Diese romantische, wenn auch traurige Geschichte ist Teil der Familiensaga von Klaus Weigelt, Stadtvorsitzender der Stadtgemeinschaft Königsberg.[3]
Klein-Kuhren wurde am 14. 4. 1945 von der Roten Armee eingenommen.[5] Nach dem 2. Weltkrieg und bis 1992 war Klein Kuhren ein Feriendorf der Armee. Im Jahr 2011 ist das Areal noch verlassen und menschenleer. Anläufe von Investoren, die das Gelände restaurieren wollten, scheiterten.[1]
Auf der östlichen Seite des Finkener Fließes beginnt bereits das Gebiet von Groß Kuhren. Hier beeindruckt landschaftlich die im Westen des Ortes gelegene „Rosenschlucht“, an deren Hängen viele wilde Rosen wucherten. Die mehr östlich gelegene „Morgenschlucht“, wo rötliches Wasser durch den Morgengraben floss, ist länger als die Rosenschlucht. Merkwürdig sind die Zinnen und Zacken der umliegenden Berge – wie im Gebirge. Der Sand am Strand ist gelbbraun gefärbt. Es handelt sich dabei um eisenhaltigen Diluvialsandstein.
Herausragende Erhebung ist der Zipfelberg, der in einem Sturm 1899 seine Spitze, eine charaktervolle Mergelsäule, verloren hat. An seinen Steilhängen waren die für das Samland typischen Ablagerungen der verschiedenen Erdschichten gut zu erkennen, auch die Bernstein führende Blaue Erde. Vom Kahlen Zipfelberg, 60 m hoch und höchste Erhebung an der Küste, konnte man Groß- und Kleinkuhren sowie die Küstenstreifen gut überblicken. Der Küstenabschnitt zwischen Wachbudenberg und Zipfelberg galt einst als schönster und eindrucksvollster Teil der Samlandküste.
Der ursprüngliche Name des Ortes war Pella, Pelle oder Papelle = Gegend am Bruch. 1404 hieß das Fischerdorf Kuwrendorf, später Groß Cauren und dann Groß Kuhren.
Die See forderte recht häufig Opfer unter den Fischern. Ein besonders beklagenswerter Unfall ereignete sich am 15. Oktober 1845. Plötzlich einsetzender Schneesturm überraschte die Kuhrener Fischer weit draußen auf der See. Vier Boote gingen unter und 21 Fischer ertranken. Sie hinterließen 16 Witwen und 47 Kinder.
Im Laufe des 19. Jhs. wurde der Fremdenverkehr zunehmend eine Alternative zur Fischerei. Die Zahl der Feriengäste stieg kontinuierlich in dem Maße, wie neue Übernachtungsmöglichkeiten geschaffen wurden.
Die neogotische Kirche in Groß Kuhren, ein gutes Stück nördlich der Durchgangsstrasse, wurde am 13. Juli 1913 eingeweiht. Ihr Bau wurde möglich durch das Vermächtnis der Kaufmannswitwe Fischer, geb. Joppien. Die Kirche überstand den 2. Weltkrieg unbeschadet, wurde zunächst vernachlässigt, dann aber zu einem Kulturhaus hergerichtet. Zwischenzeitlich diente sie in den 1990er Jahren als Tanzsaal und befindet sich heute in erträglichem Zustand Das Dach wurde mit Asbestplatten neu gedeckt. Auch die Siedlung selbst befindet sich in einem nach russischen Verhältnissen vernünftigen Zustand, soweit einzelne Häuser nicht wegen Verfalls abgerissen werden mussten. Darunter fiel leider auch die Baptistenkapelle in der Nähe der Kirche. Es gibt am Dorfeingang ein akzeptables neues Hotel mit dem Namen “Gross Kuhren”.[1]
Gut Finken wurde 1785als Königliches Vorwerk und Mühle mit 3 Feuerstellen genannt. 1820 gehörte es als Erbpacht-Vorwerk dem Amtmann Charisius. Prinz Friedrich, später Kaiser Friedrich III. stattete zusammen mit Roon und Moltke dem Gut Finken 1855 einen Besuch ab.1857 wurden das Vorwerk und die Mühle zu einem Besitz zusammengefasst.
Die Finkener Mühle existierte schon zur Ordenszeit und gehörte später zu den kurfürstlichen Latifundien. Mitte des 18. Jhs. heiratete der Förster Gotthold Holdack in die Familie des Windmühlenbesitzers Jakob Sellnick ein. Emma Holdack (1847 – 1931) heiratete 1864 Joachim Bogeslav Morgenstern vom Gut Heiligenkreutz. Durch Erbschaft fiel der Besitz zuletzt an Emmas Großnichte Lotte Lisch, die es vorsorglich zu Beginn des 2., Weltkriegs an Winfried Hahn vermacht hatte.[2] Gut Finken besaß eine landwirtschaftliche Fläche 320 ha, in den 1930er Jahren reduziert auf 270 ha, sowie eine Wind- und eine Wassermühle, ein Sägewerk, eine Meierei und eine Imkerei. Die Meierei schloss man 1931 zugunsten einer rentableren Dampfmolkerei in der Nähe, und die Windmühle 1933 wegen des unwirtschaftlichen Betriebs.[4] Es gab 60 Stück Milchvieh, 100 Stück Jungvieh und knapp 200 Schweine.
Auf Gut Finken wurde der Architekt und Maler Gerhard Morgenstern (19. 8. 1881 – 16. 10. 1954) geboren. Durch ihn wurde das Gut aufgrund seiner malerischen Hanglage unterhalb des Wachtbudenberges mit Blick auf die Ostsee zwischen 1908 und 1914 zu einem Anziehungspunkt ostpreußischer Künstler. Dazu zählten Waldemar Rösler, Theo von Brockhusen, Max Neumann, mitunter Alfred Partikel, sowie einige andere Kunstsinnige.[6]
[1] Helga und Reinhold Gutsch, Neues aus Groß Kuhren und Umgebung, Unser schönes Samland, Winter 2011, S. 20
[2]Hans Georg Klemm, Unser schönes Samland, Herbst 2016, S. 29/30; Winfried Hahn, Gut Finken, Unser schönes Samland, Sommer 1992, S. 18 f
[3] Klaus Weigelt, Von der Samlandküste nach Königsberg. Ein Lebensweg, in Königsberger Bürgerbrief, Sommer 2017, S. 24
[4] Edgar Schumacher, Von Kl. Kuhren nach Finken u. Brüsterort, Unser schönes Samland, Herbst 2018, S. 58
[5] Hans-Georg Klemm, Unser schönes Samland, Sommer 2016, S. 42
[6] Dr. Wolfgang Schwarze/Rudolf Meyer-Bremen, Die Küste des Samlands in der Malerei, Unser schönes Samland, Winter 1995, S. 50 f