Uschakowo – Heiligenwalde
Heiligenwalde wurde 1344 unter Hochmeister Winrich von Kniprode gegründet und feierte 1994 sein 650jähriges Bestehen. Lokator war Volkwin von Dobrin, dem 60 Hufen für die Besiedlung zur Verfügung gestellt wurden. Auf diesem Gelände gab es einen Heiligen Wald der Prußen, den diese selbst nicht betreten durften. Um den Heidenglauben zu brechen und den Sieg des Christentums augenscheinlich zu machen, wurde in diesem Heiligen Wald 1344 eine Kirche gebaut, die heute noch existiert.
Das Kirchenschiff aus Feldstein mit Ziegeln gemauerten Ecken entstand als ältester Teil zum Ende des 14. Jhs. der Chor wurde in der 1. Hälfte des 15. Jhs. angebaut. Im Norden befinden sich die flach gedeckte Vorhalle, auch als Waffenhaus bezeichnet, und die Sakristei, wobei die Nordseiten des Kirchenschiffs und des Chors fensterlos sind. Der Turmanbau erfolgte in der 2. Hälfte des 15. Jhs. der Oberbau mit dem Fachwerkverband wurde jedoch später aufgesetzt. Die achteckige Laterne stammt von 1712.
Innen verfügt das Kirchenschiff über eine Korbbogendecke vom Anfang des 18. Jhs. Im Chor gibt es ein sechzehnteiliges Sterngewölbe. Der Triumphbogen ist fast rundbogig. An der Nordwand haben Reste mittelalterlicher Wandmalereien (Kruzifix mit Ranken) überlebt. Sie stammen vermutlich aus der 1. Hälfte des 15. Jhs.
Das 600jährige Jubiläum wurde 1944 noch einmal ordentlich gefeiert. Die Kirche überlebte den Krieg und die Nachkriegszeit, weil sie von der lokalen Sowchose Rodniki alsGetreidelager genutzt wurde und darunter zwar litt – insbesondere am Turm gab es Beschädigungen und die Chorwand wurde durchbrochen – aber nicht zerstört wurde. Allerdings ging die Ausstattungverloren, so insbesondere auch die Kanzel von 1675 und der barocke Beichtstuhl von 1673, den der Königsberger Meister Clodssey angefertigt hatte. Die Holzskulpturen verkaufte der Kolchosdirektor seinerzeit nach Litauen. Nur die Sakristeitür, der Taufstein aus Granit und das Weihwasserbecken existieren noch.
Dieser schöne alte Taufstein aus dem 14. Jh. hat eine bemerkenswerte Geschichte: ein Dorfjunge aus dem 2. Schuljahr hatte auf einem alten Foto in der Kirche den Sockel wiedererkannt, den er in einem Garten des Dorfes gesehen hatte. Er wurde geborgen, gesäubert und dient der Taufschale nun wieder als Standbein.[3]
Nachdem die Bezirksregierung von Neuhausen die Kirche von der Sowchose übernommen hatte, übergab sie das Gotteshaus dem Gymnasium von Neuhausen. Damit hatte die Kirche einen „Herrn“, der auch mitverantwortlich war für die kommenden Instandhaltungsmaßnahmen, und nun konnten 2002 die Restaurierungsarbeiten beginnen
Zur Rettung gründete die Heimatkreisgemeinschaft Landkreis Königsberg 1993 in Minden den „Verein zur Erhaltung der Kirche von Heiligenwalde e. V.“. Vorbild für dessen Satzung war die des „Vereins zur Erhaltung der Stadtkirche zu Unna e.V.“. Der Heiligenwalder Verein stellte privates Startkapital zur Verfügung. Vorsitzende des Vereins wurde Dr. Bärbel Beutner. Das Architekturbüro „Altstadt“ in Königsberg übernahm die Renovierungsarbeiten. Georg Gawrilowitsch Artemjew, Journalist, Lehrer, Historiker und Heimatforscher, war Leiter der Schule in Heiligenwalde und engagierte sich maßgeblich für den Erhalt der Kirche. Er starb am 9. 1. 2006 im Alter von 67 Jahren. Von ihm gibt es die Novelle „Susannenthal“, eine preußische Liebesgeschichte, der eine alte Sage zugrunde liegt.
Mit einem feierlichen Festgottesdienst in der mit Blumen geschmückten Kirche wurde das Haus Gottes am 26. 7. 1994 erstmals wieder für den Gottesdienst genutzt. Der NDR 3 war mit seinem „Ostsee-Report“ dabei, ebenso ein russisches Fernsehteam aus Königsberg.
Inzwischen ist das in die Ostwand eingeschlagene Tor für die Traktoren wieder verschlossen, die Fenster sind wieder verglast, die alten Eingänge haben neue Türen, der Verputz des Innenraumes ist abgeschlossen. Eine neue Holztreppe führt auf die neu gemauerte Empore. Eine weitere neue Holztreppe führt auf den Turm hinauf. Die Sakristei und der frühere Haupteingang im Anbau, dem „Waffenhaus“, wurden renoviert. Am Tor des schmiedeeisernen Zaunes um die Kirche herum steht „Heiligenwalde 1344“. Auf dem Fußboden wurden neue Bodenplatten verlegt, weil der alte Boden durch die Traktoren sehr ramponiert war und sich teilweise gesenkt hatte. Die Platten wurden so angeordnet, dass man erkennt, wo früher Bänke standen. Den Entwurf dafür fertigte Günther Legat, die Finanzierung der Maßnahme stiftete die Familie Kurschat. Eine Empore wurde wieder auf der Turmseite aufgemauert.
Im Herbst 2006 erfolgte die Einweihung der fertig restaurierten Kirche mit einem Konzert, nachdem der Direktor des Gymnasiums von Neuhausen, Anton Iwanowitsch, die Teilnehmer begrüßt hatte. Ein gepflasterter Weg führt um die Kirche herum. Die Instandsetzung der Kirche erfolgte unter der Leitung des Architekten Viktor Michailowitsch Staruschkin. Baumeister Staruschkin ist Geschäftsführer des 1994 gegründeten „Vereins zur Erhaltung der Kirche“, der Partnerorganisation zum deutschen Förderverein. Die Ausstattung im Inneren entstand unter der Leitung von Galina Engelowna, Ehefrau des verstorbenen Georg Gawrilowitsch Artemjew.
Georg Gawrilowitsch Artemjew wurde am 3. April 1938 in Ussurisk am Ussuri geboren, wo sein Vater als Offizier der Roten Armee stationiert war. Als der Vater nach einigen Jahren nach Alma Ata in Kasachstan versetzt wurde, kam der Junge in Kontakt zu den dortigen Russlanddeutschen und schloss Freundschaft mit ihnen. Nach einem weiteren Umzug nach Omsk studierte Georg Artemjew an der dortigen Pädagogischen Hochschule Germanistik und Französisch. Er arbeitete dann als Journalist und Lehrer. 1985 kam er in die Oblast Kaliningrad und dort 1986 nach Heiligenwalde, wo er die Leitung der Schule übernahm.
Die Schule in Heiligenwalde stammt von 1936 und war nach dem Krieg Mittelschule. Von 2006 – 2009 diente die Schule als Jugendzentrum unter der Leitung von Galina Engelowna. Dann wurde die Einrichtung geschlossen und die Ausstattung auf die Mittelschule in Waldau und in das Gymnasium von Neuhausen verteilt. Über eine Nachnutzung ist noch nicht entschieden. Nachdem die ROK Ostern 2010 die Kirche übernommen hatte, ließ sie 2010/11 die Schule renovieren und richtete dort ein Heim für Betreutes Wohnen sowie ein Jugendfreizeitzentrum ein.[1] Das Dach wurde repariert, die Wasserleitungen erneuert, zwei Badezimmer mit Toilette eingebaut. In der unteren Etage gibt es holzgetäfelte Wände, neue Fußböden, eue Türen, eine Einbauküche mit Kühlschrank und Waschmaschine. Menschen, die in Schwierigkeiten gekommen sind – z. B. durch Verlust des Arbeitsplatzes oder der Wohnung – können hier vorübergehend unterkommen. Auch das Jugendzentrum wurde wieder eingerichtet, mit neuen Sportgeräten ausgerüstet und die Computer wieder gangbar gemacht. Am 1. Oktober 2011 weihte Bischof Serafin das “Zentrum für die Kultur und Aufklärung” ein.[2]
Ebenfalls erhalten sind die Gebäude der Domäne – Wohnhaus, Kuhstall, Pferde- und Schweinestall sowie etliche Bauernhäuser.
[1]Dr. Bärbel Beutner, Kie Kirche von Heiligenwalde – ein Kleinod am Pregel, Königsberger Express, Nov. 2012, S. 16; siehe auch Dr. Bärbel Beutner, Zwei Kirchen in Ost und West, Oprbl. Nr. 4/2017 (27. Januar), S. 20
[2] Dr. Bärbel Beutner, Unser schönes Samland, Winter 2012, S., 50
[3] Dr. Bärbel Beutner, 2. 5. 2009