Geschichte des Ermlands
Mit einer Urkunde vom 29. 7. 1243 gründete der päpstliche Legat Wilhelm von Modena die Bistümer Kulm, Pomesanien, Samland und das Bistum Ermland. Die vier Bischöfe dieser neuen Bistümer ersetzten den Zisterzienserbischof Christian (gest. 1245). Die vier Bistümer fasste man l246 zu einem Erzbistum mit Sitz in Riga zusammen. Erster Erzbischof war Albert Suerbier. Erster Bischof im Samland wurde 1246 der Dominikaner Werner, 1248 gefolgt von dem Deutschordenspriester Heinrich von Streitberg und 1250 von dem Deutschordenspriester Anselm von Meißen (1210 – 1278), der das Herrschaftsgebiet des Bischofs als den mittleren Teil des kirchlichen Sprengels festlegte.
Das Ermland war die größte der preußischen Diözesen und reichte im Norden bis an den Pregel, im Süden bis zum Omulef-Fluß und vom Frischen Haff bis an die Litauische Grenze. Nach der Reformation kam noch die Diözese Samland hinzu und 1821 Teile der Diözese Pomesanien. Der Name „Ermland“ geht zurück auf Ermia, Gattin von Warmio, des neunten Sohnes von König Widewuto, und dieser Warmio ist der Namensgeber für den prußischen Gau Warmien und das heutige polnische Warmia.
Jedem der vier Bischöfe wurde ein Drittel seiner Diözese als Herrschaftsbereich zuerkannt, an dem er ein Drittel dem Domkapitel zur Verfügung zu stellen hatte. Da das Domkapitel des Ermlands nicht dem Deutschen Orden inkorporiert war, genossen Bischof und Domkapitel bis 1772 eine relative Selbständigkeit. Nachdem der zunächst als Bischof ausersehene Ordensbruder Heinrich von Strittberg oder Streitberg verzichtet hatte, der statt dessen 1254 den Bischofsstuhl des Samlands einnahm, wurde Anselmus, aus einem Land der Krone Böhmens, vielleicht aus der Markgrafschaft Meißen oder Schlesien stammend, 1250 zum Bischof des Ermlands ernannt und von dem Legaten Petrus de Collemedio aus Albano geweiht. Er wählte 1251 als weltliches Territorium die späteren Kreise Braunsberg, Heilsberg, Allenstein und Rößel, wobei er sich endgültig erst 1254 mit dem Orden einigte. Die dadurch fixierten Grenzen des Ermlands hatten, von geringfügigen Ausnahmen abgesehen, Bestand bis 1945. Die Polen ergänzten das historische Ermland nach dem 2. Weltkrieg durch die Landstriche bis zur sowjetischen Demarkationslinie, also um Teile der ehemaligen Kreise Heiligenbeil, Pr. Eylau und Bartenstein.
Das Domkapitel gründete Bischof Anselm 1260. Es hatte 16 geistliche Mitglieder, darunter vier Prälaten des Dompropstes, Domdechanten, Domkustos und Domkantor, und nahm seinen Sitz zunächst in Braunsberg, ab 1284 in Frauenburg. Durch Teilungsvertrag von 1288 mit endgültiger Regelung 1346 erhielt es als seinen eigenen weltlichen Bereich die Kammerämter Frauenburg, Mehlsack und Allenstein. Dabei war das Gebiet um Allenstein zunächst noch gemeinsamer Besitz von Bischof und Kapitel. Erst Bischof Hermann von Prag (1338 – 1349) teilte 1346 das südöstliche Ermland und gab das Kammeramt Allenstein an das Domkapitel ab.
Kaiser Karl IV. erkannte mit der Goldenen Bulle die souveräne Stellung des Bischofs von Ermland an und bezeichnete ihn als Fürsten und Vasallen. Er residierte ab 1350 in Heilsberg. Während der Bischof des Ermlands bis 1354 dem Erzbischof von Riga unterstand, trat er seit dieser Zeit unter die unmittelbare Hoheit des Papstes und wurde gleichzeitig zum deutschen Reichsfürsten erhoben, was die spätere Titulierung als Fürstbischof des Ermlands begünstigte. Papst Pius II. (1458 – 1464), der vorher von Papst Calixtus III. (1455 – 1458) in den Wirren des preußischen Städtekrieges zum Bischof des Ermlands ernannt worden war, ohne je seinen Bischofsstuhl eingenommen zu haben, bekräftigte, dass das Bistum Ermland dem Apostolischen Stuhl direkt unterstellt sei. Diese Zuordnung wurde allerdings endgültig erst mit der Aufhebung des Bistums Riga 1566 wirksam, dauerte dann aber bis 1929, als das Ermland dem Erzbistum Breslau zugeordnet wurde. Mit Hinweis auf den deutsch-polnischen Vertrag wurde 1972 erstmals wieder ein polnischer Bischof für die Diözese Ermland eingesetzt.
Im Gegensatz zu den anderen ordenszeitlichen Bistümern Samland und Pomesanien erhielt das Ermland von Anfang an eine begrenzte staatsrechtliche Selbständigkeit und der Bischof und das Domkapitel des Ermlands waren nicht dem Deutschen Orden inkorporiert. Bischof Anselm, selbst Ordensbruder, bestimmte, dass die Kapitelherren nicht aus dem Ritterorden stammen sollten. Diesem Umstand hatte es das Bistum Ermland u. a. zu verdanken, dass es den Ordensstaat um rd. 250 Jahre bis zur ersten polnischen Teilung überlebte, während die Bistümer Pomesanien und Samland mit der Umwandlung des Ordenslandes in ein Herzogtum und der damit einhergehenden Einführung der Reformation 1525 ihre Existenz aufgaben.
Bischof und Domkapitel besorgten die Besiedlung ihres Territoriums, wobei etwa die eine Hälfte Prußen und die andere Hälfte deutsche Zuwanderer aus Niederdeutschland, Ostmitteldeutschland und Schlesien waren. Die siedelnden Bauern waren vornehmlich freie Zinsbauern auf der Basis des kulmischen Rechts. Einschränkungen ihrer Selbständigkeit gab es erst später im 16. Jahrhundert. Im 15. Jh. und verstärkt im 16. Jh. wurden um Allenstein, Wartenburg und Bischofsburg auch Einwanderer aus Masowien angesiedelt.
Die Vertretung des Landes nach außen sowie Krieg bzw. Verteidigung blieb dem Orden vorbehalten. Auf dem militärischen Sektor fand eine enge Abstimmung auch in strategischen Fragen statt. Auch auf personellem Gebiet fand teilweise eine Vermischung zwischen Bistum und Orden statt. So wurde z. B. der Komtur von Ragnit, Friedrich von Liebenzell, zum Bischofsvogt des Ermlands ernannt, aber nach 1333 wieder beim Orden als Komtur in Golau eingesetzt.
Da das Ermland die Verteidigung dem Orden überließ, hatte es wenig Interesse daran, Rittergüter gegen die Verpflichtung zum Militärdienst zu vergeben. Stattdessen förderte es die Besiedlung durch Bauern, denen man Scharwerksdienste und Zinsen abverlangen konnte. Deshalb gab es relativ wenig Großgrundbesitz, dafür aber um so mehr Bauerndörfer. Nach den Verwüstungen im15. Und 16. Jh., als zu viele Bauernhöfe wüst lagen, fand man nicht mehr genügend Neusiedler im eigenen Land und förderte deshalb in größerem Umfang die Einwanderung von Kolonisten aus dem Herzogtum Masowien ins südliche Ermland. Es kam auch vor, daß die Bischöfe ansehnliche Flächen an ihre nächsten Verwandten oder an adlige Gutsbesitzer aus dem nördlichen Ermland ausgaben. Zur Zeit des 2. schwedisch-polnischen Krieges (1655 – 1660) zählte man anlässlich der Inventur im Auftrag des Großen Kurfürsten durch den Statthalter Fabian Burggraf zu Dohna-Lauck 200 Grundbesitzungen von Adligen und Freien. Große Adelsgüter entstanden erst später, als in den Kriegswirren, die auf den Niedergang des Ordens folgten, und nach der Übernahme des Bistums durch Preußen, weil Adel und Königtum sich gegenseitig stützten.
Der Städtekrieg (1454 – 1466) brachte politische Differenzen zwischen Bischof und Domkapitel. Während der ermländische Bischof zunächst zum Deutschen Orden hielt, schloss sich das ermländische Domkapitel gleich am Anfang dem Preußischen Bund an. Diese Konstellation brachte Spannungen und Verwirrungen und endete damit, dass das Ermland unter die Oberhoheit der polnischen Krone kam, und zwar als “Patrozinium”, nicht als “Regnium Poloniae”. Unter polnischer Herrschaft wurde der ermländische Bischof Mitglied des polnischen Senats.
Der polnische König als neuer Lehnsherr seit dem Frieden von Thorn 1466 hatte auch zugesagt und verbrieft, dass die Bischofswahl völlig unabhängig erfolgen darf. Dagegen verstieß er jedoch sehr bald, indem er einen eigenen Kandidaten – Vincent Kielbasa – gegen den vom Kapitel nominierten Nikolaus von Thüngen aufstellte. Dieser, gebürtig aus Wormditt, war Sekretär bei der römischen Kurie, ab 1459 Kanoniker an der Breslauer Domkirche und ab 1465 Domdechant im Bistum Ermland. 1467 wählte ihn das Domkapitel des Ermlands zu seinem Bischof. Als er von seinem weltlichen Gebiet Besitz ergreifen wollte, ächtete ihn der polnische Reichstag. Nikolaus von Thüngen floh nach Riga, gab sich jedoch nicht geschlagen, sondern organisierte von Livland aus seinen Widerstand. Er suchte und fand Verbündete wie König Corvinus von Ungarn und den Deutschen Orden und brachte mit solcher Hilfe, von Braunsberg ausgehend, das Ermland wieder in seinen Besitz. Als Folge kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen mit Polen, die man als den “Pfaffenkrieg” (1467 – 1479) bezeichnete. Die meiste Zeit über gab es Waffenstillstand, doch 1478 flammten die militärischen Aktionen wieder auf. Sie führten ein Jahr später durch Vermittlung des Königs von Ungarn zu einem Vergleich, dem Vertrag von Petrikau. Darin konzedierten die Polen, dass Nikolaus von Thüngen bis zu seinem Tod (1489) ermländischer Bischof blieb. Das Kapitel wurde jedoch verpflichtet, zukünftig nur noch Personen zum Bischof zu wählen, die dem König von Polen genehm waren. Außerdem mussten Bischof, Domherren, Bischofsvogt, Kapitelvogt und alle Beamten fortan dem König von Polen den Treueid leisten. Und dennoch wählte das Kapitel als Nachfolger von Nikolaus von Thüngen den Onkel von Nikolaus Kopernikus, Lukas Watzenrode, zum Bischof des Ermlands – gegen polnischen Protest. Dann aber dauerte es nicht mehr lange, bis es dem polnischen König gelang, sein Nominationsrecht durchzusetzen. Um 1600 waren die gebürtigen Polen im Kapitel bereits in der Überzahl und im 18. Jh. fand sich mitunter nur ein einziger Deutscher unter den 16 Mitgliedern des Gremiums. In der inneren Verwaltung dagegen behielt das Ermland aber durchaus seine frühere Selbständigkeit.
Das Bistum Ermland konnte den Vormarsch der Reformation im preußischen Umland nicht bremsen oder gar verhindern, kämpfte aber erfolgreich dafür, den Katholizismus im eigenen Machtbereich zu behaupten. Gleich 1526 erwirkte Bischof Mauritius Ferber einen Synodalbeschluß, der Nichtkatholiken den dauerhaften Aufenthalt im Ermland verbot, d. h., sie durften sich “kein volles Jahr” dort aufhalten. Um diese später noch verschärfte und gut überwachte Bestimmung zu unterlaufen, begaben sich die dennoch vorhandenen Protestanten über Sylvester und einige weitere Tage im neuen Jahr ins benachbarte Herzogtum bzw. Königreich, ins sog. “Ausland”, um sich nach dieser Unterbrechung wieder ordnungsgemäß im Ermland aufhalten zu dürfen. Ein gängiger Spottvers dazu lautete:
Johann, spann an
zwei Katzen voran,
zwei Ziegen nach hinten,
so geht es nach Zinten.[1]
Trotzdem setzten sich die zahlreichen Anhänger der protestantischen Lehre in Elbing und Braunsberg vorübergehend gegen die bischöfliche Repression durch. Der König von Polen gewährte den Elbingern 1557 Religionsfreiheit und der Elbinger Rat entzog den Katholiken 1573 die Hauptpfarrkirche St. Nikolai, was aber 1612 wieder rückgängig gemacht wurde.
Der aus dem Geist der Gegenreformation geborene Hang zu Prunk und Pracht fand in vielen der ermländischen Kirchen, vor allem den Wallfahrtskirchen, seinen künstlerischen Ausdruck. Wie in anderen katholischen Ländern auch standen viele Kapellen und Kreuze am Wegesrand. Erst nach der Vereinigung des Ermlands mit Preußen im Zuge der ersten polnischen Teilung 1772 eröffnete sich die Möglichkeit, auch protestantische Kirchen zu bauen. Diese sind deshalb hier relativ jung, genauso wie umgekehrt die katholisch begründeten Kirchen im protestantischen Teil Ostpreußens.
Während des 2. schwedisch-polnischen Krieges (1656 – 1660) wurde das Ermland vom schwedischen König Karl Gustav in ein weltliches Fürstbistum umgewandelt und im Rahmen des Bündnisses zwischen Schweden und Brandenburg am Anfang dieses Krieges dem Großen Kurfürsten zugeordnet.
Das galt allerdings nur für kurze Zeit. Der Große Kurfürst wechselte rasch die Fronten. Im Vertrag zu Wehlau mit Polen erlangte er die Unabhängigkeit für Preußen, musste aber zustimmen, dass das Ermland sich wieder unter die Krone Polens begab. Endgültig kam das Fürstbistum 1772 mit der ersten polnischen Teilung an Preußen. Daran konnte auch der letzte Fürstbischof Ignatius Krasicki, der mit Friedrich II. befreundet war und daher auch die Hedwigskathedrale in Berlin einweihte, nichts ändern. Der Bischof, der selbst vom Verlust seines Landes überrascht wurde, protestierte beim Papst, fand aber kein Gehör und die eigenständige Existenz des Fürstbistums Ermland war für immer beendet. Domkapitel und Bischof erhielten anstelle ihrer bisherigen ordentlichen Einnahmen Staatsdotationen, die aber schmaler ausfielen. Die Bauern dagegen, deren Grundherren bisher Bischof und Domkapitel waren, profitierten von den Vorteilen der Bauernreformen, die der preußische Staat bereits vor 1807 für die königlichen Domänenbauern eingeführt hatte.
Die nachfolgende Zeit brachte für das Ermland eine Phase der ruhigen und unaufgeregten Entwicklung. Erst der Kulturkampf Bismarcks ab 1873 zwischen dem Reich und der Kirche brachte neue Aufregungen. So wurde das Priesterseminar in Braunsberg 1876/77 geschlossen und zahlreiche Pfarrstellen blieben unbesetzt, weil die Kirche die staatlich geforderte Mitbestimmung bei der Stellenbesetzung ablehnte. Der passive Widerstand der Katholiken führte letztlich dazu, dass die Kulturkampfgesetze ab 1880 sukzessive abgebaut wurden.
Durch den Friedensvertrag von Versailles wurde nach dem 1. Weltkrieg eine Veränderung der ermländischen Diözesangrenzen erforderlich. Seit dem Konkordat des Heiligen Stuhls mit dem preußischen Staat vom 14. 6. 1929 stimmten dann die Diözesangrenzen mit denen der preußischen Provinz Ostpreußen überein. Gleichzeitig wurde die Diözese Ermland der neu gebildeten Kirchenprovinz Breslau angeschlossen.
Im Nationalsozialismus mißlang der anfängliche Versuch, sich der neuen Parteiherrschaft anzupassen. In der Folge wurden kirchliche Veranstaltungen behindert oder verboten, Priester und Laien der katholischen Pfarrgemeinden verhaftet, kirchliches Eigentum enteignet. Insgesamt mussten 35 Priester für kürzere oder längere Zeit ins Gefängnis, 10 Priester kamen sogar in ein Konzentrationslager. Andere Geistliche wurden Opfer des Krieges oder der Eroberer. Bischof Kaller wurde am 7. 2. 1945 von der Gestapo von Frauenburg nach Stutthof deportiert und von dort ins Reich ausgewiesen. Er kehrte im August 1945 noch einmal ins Ermland zurück, wurde jedoch jetzt von den Polen gezwungen, das Land wieder zu verlassen.
Von den 8 Domherren des ermländischen Kapitels überlebten 6 die Zeit 1945/46 nicht. Der Domdechant und Generalvikar Dr. Alois Marquardt wurde nach Russland verschleppt und kam 1955 frei. Der Domherr Dr. Bruno Schwark wurde nach Westdeutschland ausgewiesen und sorgte mit dem später hinzustoßenden Domdechanten mit Billigung der Kurie für eine ermländische Rumpforganisation in Westdeutschland. Aus Priestern und Laien wurde der Ermländerrat gegründet, der 1963 durch die Ermländervertretung abgelöst wurde. Die beiden überlebenden Domherren bildeten mit den 1956 ernannten vier Konsistorialräten das geistliche Gremium der Diözese in Deutschland. In Polen gab es zunächst eine Reihe von provisorischen Regelungen, bis Papst Paul VI. am 4. 8. 1972 erstmals den polnischen Weihbischof Dr. Józef Drzazga zum ordentlichen Bischof des Ermlands ernannte und damit die Reihe der ermländischen Bischöfe fortsetzte. 1992 wurde Ermland zum Erzbistum erhoben.
Im Ermland gab es Juden erst relativ spät. Vom 15. Bis zum 18. Jh. sind in den Akten keine Juden aufgeführt. Erstmals 1727 gab es einen Verwaltungsakt mit einem zum Christentum konvertierten Juden und um 1750 wurde eine jüdische Hilfskraft bei einem Schmiedemeister erwähnt.[2] Allerdings gab es schon seit etwa 1700 Handel treibende Schutzjuden, die ein Vermögen von mindestens 1.000 Reichstalern vorzuweisen und pro Jahr 150 Gulden zu entrichten hatten. Die bischöflichen Schutzjuden mussten sich in Heilsberg niederlassen, die domkapitularischen in Braunsberg. Mit den Reformgesetzen vom Anfang des 19.Jhs.und besonders dem Emanzipations-Edikt vom 11. 3. 1812 entfielen die wesentlichen Restriktionen für die Juden. Die nun ins Ermland einwandernden Juden waren zumeist arme Leute, aber ihre wirtschaftliche Lage änderte sich Schritt für Schritt. Sie traten bald auf Jahrmärkten auf und richteten sich in den Städten Kaufläden ein. Die jüdische Gemeinde wuchs aufgrund des Kindersegens und des Nachzugs von Glaubensgenossen schnell an, verlor aber auch wieder viele Mitglieder, die in die größeren Industriestädte abwanderten.1933 gab es nur noch in Allenstein eine Synagogengemeinde.
Unter den Nationalsozialisten folgte dann die Demütigung, Entrechtung, Vertreibung und Vernichtung der Juden. 1936 wurde der jüdische Friedhof geschändet. Wer nicht emigrieren wollte oder konnte, wurde ab 1940 gezwungen, die eigene Wohnung oder das Haus zu verlassen und in Häuser in der Liebstädter Strasse umzuziehen, die von der Gestapo überwacht wurden und als Ghetto fungierten. Ab 1941 versammelte man hier auch die Juden aus Südostpreußen. Der erste Transport der Juden verließ am 24. 6.1942 Allenstein in Richtung Minsk.[3] Am 2. 8. 1942 folgte ein weiterer Transport von vorwiegend alten Leuten nach Theresienstadt. Der letzte Transport ging am 15. 3.1943 ab nach Theresienstadt.
Weihnachtsbrauch im Ermland: Am ersten Weihnachtsfeiertag gab es im ganzen Ermland ein Erbsengericht zu Mittag: „de Wiehnachtsarfte“, weiße Erbsen mit Speck oder manchmal auch mit Wurst. Man hatte merkwürdige Erklärungen für diesen Brauch. In Klackendorf, Kreis Rößel, sagte man: „Das hängt mit der Erbsünde zusammen.“ In Glockstein, Kreis Rössel, glaubte man, daß dann die Erbsen gut geraten würden, und in Komainen, Kreis Braunsberg, hoffte man, dadurch viel Geld zu bekommen. Tatsächlich handelt es sich hier um eine Segen bringende Speise, wie man sie an wichtigen Anfangsterminen verzehrte. Dieser Brauch erinnert daran, daß der 25. Dezember um die Mitte des 4. Jahrhunderts von Rom aus als Jahresanfang bestimmt wurde und daß noch im Jahre 1310 eine Kirchenversammlung zu Köln den ersten Weihnachtstag als Jahresanfang für Deutschland festsetzte. (so Prof. Dr. Erhard Riemann – Alte Weihnachtsbräuche im Ermland).