Johann Gottfried Herder

Ohne Zweifel ist Johann Gottfried von Herder (25. 8. 1744 Mohrungen – 18 12. 1803 Weimar), Geschichts- und Religionsphilosoph sowie Schriftsteller und Sprachwissenschaftler, der berühmteste Sohn der Stadt. Herders Großvater war Tuchmeister und Stadtältester in Mohrungen. Herders Vater (1706 – 1763) war zunächst Tuchmacher in der väterlichen Tuchproduktion, später Küster, Glöckner und Schullehrer bei Pfarrer Willamowius, und befand sich regelmäßig in wirtschaftlichen Schwierigkeiten. Herders Mutter, Anna Elisabeth geb. Peltz, kommt aus einer eingesessenen Schuhmacherfamilie. Das Ehepaar Herder hatte fünf Kinder, zwei starben früh. Johann Gottfried war der Älteste.

Nach dem Besuch der Stadtschule wurde der 16jährige Herder beim Diakon (Zweiter Pfarrer) Sebastian Friedrich Trescho als Hilfskraft angestellt. Trescho, geboren in Liebstadt, war Kanzelredner, verfasste Traktate und Poeme und belieferte den Königsberger Zeitschriftenmarkt mit Beiträgen. Alles Geld, das er dabei verdiente, steckt er in Bücher, und die deshalb recht reichhaltige Bibliothek nutzte Herder ausgiebig[1]. Trescho gab dem jungen Herder Französisch – und Musikunterricht. In der Lateinschule von Mohrungen wurde er in der lateinischen, griechischen und hebräischen Sprache unterrichtet.

Man wurde aufmerksam auf den intelligenten jungen Mann und 1762 gelangte er mit einem Stipendium der Grafen zu Dohna an die Universität von Königsberg, , wo er die Aufnahmeprüfung mit Glanz bestand und sodann Theologie, Philosophie und Naturwissenschaft – u. a. bei Kant – studierte. Im Frühjahr 1764 lernte er Johann Georg Hamann kennen, der ihn stark beeinflusste.[2] Von 1764 bis 1769 war Herder Lehrer an der Domschule von Riga, ab 1767 auch Pfarrer an der dortigen Hauptkirche. Nach einer Zwischenstation als Erzieher des Prinzen von Holstein-Gottorp und einem Aufenthalt 1770 in Hamburg, wo er mit Lessing zusammen traf, ließ er sich 1770 in Straßburg am Auge operieren, um eine lästige Fistel zu beseitigen. Während dieser Zeit machte er die Bekanntschaft von Goethe machte, der gerade hier studierte. Von 1771 bis 1776 war er Hofprediger, Superintendent und Konsistorialrat des Grafen von Schaumburg-Lippe in Bückeburg. 1773 heiratete er Caroline Flachsland, die er 1770 in Darmstadt kennengelernt hatte. Der Ehe entstammten 7 Söhne und 1 Tochter.

Auf Empfehlung von Goethe gelangte er nach Weimar als Hofprediger, Generalsuperintendent und Oberkonsistorialrat. Ab 1785 beteiligte er sich maßgeblich an der Weimarer Schulreform. 1787 wurde er Ehrenmitglied der Berliner Akademie der Wissenschaften. Dem inzwischen berühmten Mann wurde 1802 der erbliche Adel verliehen und er nahm dieses Privileg aus vorgeblich praktischer Notwendigkeit an, obwohl er Zeit seines Lebens die bevorzugte Stellung des Adels verdammt hatte.

Herder trat besonders als Sprachwissenschaftler hervor. Seiner Meinung nach war die Sprache diejenige Fähigkeit, die das Menschsein erst begründete. Ohne Sprache gebe es keine Vernunft. Literatur wiederum wäre der reinste Ausdruck der Sprache. Er befasste sich dabei stark mit dem Wesen und der Entwicklung der Sprache, mit dem Zusammenhang von Sprache und Denken sowie von Sprache und Literatur. In einem Teil seiner Arbeit behandelte Herder die Texte von Volksliedern und leistete hier Pionierarbeit, indem er das Volkslied ins Bewusstsein holte, auch den Begriff “Volkslied” erstmalig gebrauchte, und veröffentlichte: ”Volkslieder. Erster Teil” (1778) und “Volkslieder Nebst untermischten Stücken. Zweiter Teil” (1779), 2. Auflage 1807 als „Stimmen der Völker in Liedern“. Neben deutschen Volksliedern befasste er sich als erster deutscher Schriftsteller mit slawischen und baltischen Liedern und plante die Herausgabe englischer Volkslieder. In Riga wird es deswegen heute noch hoch geehrt. Unter den deutschen Volksliedern befand sich das “Ännchen von Tharau”, das dann in dieser Fassung populär wurde. Von einer Italienreise brachte er die Melodie des Weihnachtsliedes „O du fröliche …“ mit.

Herder grenzte sich ab von den Lehren Kants. Seine Erkenntnisse hatten Einfluss auf Goethe und Schiller, auf die Sturm-und-Drang-Bewegung und auf die Romantik. So übersandte ihm Goethe 1772 die Erstfassung des „Götz“ zur Beurteilung. Er hatte Verständnis für die französische Revolution und bekräftigte das Recht aller Völker auf Selbstbestimmung und Freiheit, auch um den Preis von Revolutionen. Er erkannte die Kultur als jeweils spezifische Leistung einer Nation an, fühlte sich aber von dem emotionsgeladenen deutschen Nationalismus von Johann Gottlieb Fichte abgestoßen. Herder trat als Schulreformer hervor. Als Schriftsteller und Sprachkundler übertrug er beispielsweise den „El Cid“ aus dem Spanischen.

Der Philosoph lebte 27 Jahre in Weimar. Im Kirms-Krackow-Haus erinnert ein Museum an sein Wirken. Seine letzte Ruhestätte fand Herder in der Stadtkirche St. Peter und Paul, wo er gepredigt hatte. Auf seinem in den Boden eingelassenen Grabstein ist sein Lebensmotto eingraviert: „Licht! Liebe! Leben!“[3]

Das Geburtshaus von Johann Gottfried Herder in Mohrungen befand sich in einem kleinen Haus in der Straße zwischen Pfarrkirche und Rathaus. Die Ruine dieses Geburtshauses wurde nach dem Krieg abgerissen und durch einen Neubau ersetzt. An diesem ist eine Gedenktafel angebracht mit der Aussage: “Er war ein großer deutscher Philosoph und ein Freund der Slawen”.

Gegenüber, neben der Kirche, steht ein kleines Denkmal. Die bronzene Herder-Büste ist ein Nachguss aus Ost-Berlin des 1854 – 1856 von Wilhelm Wolf aus Berlin geschaffenen Werks.

Im Dohna-Schlösschen findet eine Dauerausstellung statt, die dem großen deutschen Sprachwissenschaftler und Volksliedsammler gewidmet ist.



[1] Manthey, Königsberg, S. 210
[2] Manthey, Königsberg, S. 211/212
[3] Silke Osman, „Verzaubert von sonniger Schönheit“, Oprbl. Nr. 51/2000, S. 13 + „Er war ein Bund von Sternen“, Pr.Allg.Ztg. Nr. 50/03, S. 9