Judity – Juditten
In Juditten befindet sich noch ein recht gut erhaltener Landsitz. Die erste Erwähnung des Ortes geht auf einen Eintrag im Zinsbuch des Deutschen Ordens im Jahr 1437 zurück, in dem die Verpachtung von 18 Haken (ca. 200 ha) an den Prußen Jodute geregelt wurde. Der Orden verkaufte 1510 den Besitz an die Familie von Lesgewang, die prußischen Ursprungs ist.
1711 erwarb die Witwe Maria Elisabeth von Kuenheim das Gut von der Familie von Lesgewang zu einem Preis von 15.000 Reichstalern für ihren fünften Sohn Otto Wilhelm und hier wohnte die Familie v. Kuenheim bis 1945, Sie wurde 1263[1] in der Stadt Kunheim im Elsaß erstmals urkundlich erwähnt und wanderte im 15. Jh. von dort nach Preußen aus.
Der Vorfahre Georg Wilhelm v. Kuenheim auf Knauten (Krs. Pr. Eylau, heute russisch) hatte sich 1555 mit Martin Luthers Tochter Margarethe (1534 – 1570) vermählt. Ein Bild von ihr gehörte einst zur reichen Innenausstattung von Juditten, ebenso ein vergoldeter Silberring des Reformators von 1525.
1798 wurde die Familie v. Kuenheim von Friedrich Wilhelm III. in den Grafenstand erhoben.
An die Bauarbeiten, die Maria Elisabeth von Kuenheim durchführen ließ, erinnert noch ein Relief an der Südwand der Wagenremise mit den Initialen M.E. und der Jahreszahl 1733. Das alte Haus wurde in der napoleonischen Zeit zerstört und durch ein klassizistisches Gebäude ersetzt. Dieses, an einem kleinen See gelegen, wurde 1862/63 unter Wilhelm von Kuenheim, verheiratet mit Fanny von der Groeben aus Groß Schwansfeld, zu seiner jetzigen Gestalt umgebaut.
Der Mittelvorbau wird durch eine Vorhalle auf Pfeilern betont. An den Portalen lagern zwei eindrucksvolle Bronzelöwen, die seinerzeit auf der Pariser Weltausstellung 1889 erworben worden waren. Der westliche wacht, der östliche schläft. Diese Löwen haben inzwischen eine Geschichte. Die Entwürfe stammen von Christian Daniel Rauch (1777 – 1857) und Theodor Kalide (1801 – 1863). In der Königlich Preußischen Eisengießerei in Gleiwitz wurden ab 1822 mehrere Exemplare gegossen. Von dem wachenden Löwen sind 7 Abgüsse bekannt und einer davon steht vor dem Eingang zum Gutshaus Juditten. Der schlafende Löwe wurde wohl 17 Mal gegossen, die sich neben dem in Juditten fünf weitere Male in Polen befinden. Acht Exemplare gibt es in Deutschland, weitere in Tschechien und in Estland.[2]
Von der reichhaltigen Innenausstattung haben einige Ahnenporträts überlebt, die sich heute im Museum für Ermland und Masuren in Allenstein befinden. Ein gegen Kriegsende stark beschädigtes Porträt von Johann Ernst von Kuenheim (1730 – 1818) hängt restauriert in der Ordensburg von Rastenburg. Kamin und Fliesenfußboden in der Eingangshalle sind noch ursprünglich und es gibt einen weiteren Kamin und 2 gotisierende Kachelöfen aus alter Zeit.
Das Gut hatte Ende der 1920er Jahre eine landwirtschaftliche Fläche von 1.167 ha, darin 674 ha Ackerland, 162 ha Weide, 150 ha Forst und 122 ha Wiese.[3] Zum Gut gehörte einst eines der ältesten Privatgestüte des ostpreußischen Stutbuchs für Warmblüter mit wertvollen Trakehnern. In den Ställen standen vor der Flucht 56 Mutterstuten und der ehemalige Trakehner Hauptbeschäler Tyrann. Heute dominiert hier die Rinderzucht und Juditten war längere Zeit Vorwerk von Liski – Liesken.
Nach dem Krieg befanden sich im Erdgeschoß ein Kindergarten und eine Begegnungsstätte, im Obergeschoß Wohnräume für Gestütsangestellte. Ende der 1980er Jahre räumte das Gestüt das Haus und dieses wurde samt Park 1998 an einen Privatmann verkauft. Die Löwen transportierte man nach Liesken ab und stellte sie dort vor dem ehemaligen Verwaltungsgebäude des Gestüts auf. Inzwischen sind sie wohl nach Juditten zurückgekehrt .
Eberhard v. Kuenheim, von 1970 bis 1993 Vorstandsvorsitzender bei BMW, wurde am 2. 10. 1928 in Juditten geboren. Seine Mutter kam in einem sowjetischen Lager um, während er als Kriegsteilnehmer in englische Kriegsgefangenschaft geriet. Nach dem Maschinenbau-Studium in Stuttgart bis 1954 arbeitete Eberhard v. Kuenheim zuerst in der Werkzeugmaschinenfabrik Max Müller in Hannover, trat 1965 auf einer Stabstelle für Technische Fragen bei den Industriewerken Karlsruhe (IWK) an, die zur Quandt-Gruppe gehörte, wurde dort 1968 Generalbevollmächtigter und dann 1970 BMW-Chef. 1993 wechselte er in den Aufsichtsrat von BMW, dem er bis 1999 als Vorsitzender angehörte. Bis 2010 leitete er die zu seinen Ehren im Jahr 2000 eingerichtete Eberhard-von-Kuenheim-Stifung, die sich die Förderung von unternehmerischem Denken und Handeln zum Ziel gesetzt hat, und ist seitdem deren Ehrenvorsitzender. Im Jahre 2016 strich BMW allerdings den Namen Eberhard von Kuenheims aus dem Namen der Stiftung. Seit dem 28 Februar 1983 ist Eberhard von Kuenheim Ehrenbürger der Stadt Kunheim im Elsass, wo die Familie von Kuenheim ursprünglich herstammt.[4] Das Gebäude der Fakultät Maschinenbau der TU München auf dem TU-Campus in Garching bei München trägt ihm zu Ehren den Namen „Eberhard von Kuenheim-Bau”. In seiner Zeit als Vorstandsvorsitzender von BMW wurden erfolgreiche Modellreihen und neue Technologien eingeführt. Auch das markante Verwaltungsgebäude in München von 1973 fiel in seine Verantwortung. Er machte den Münchner Autobauer zum Weltkonzern und steigerte den Umsatz von BMW von 1 Mrd. DM 1970 auf 30 Mrd. DM im Jahr 1993, den Personaleinsatz in dieser Zeit von 23.000 auf 71.000 Mitarbeiter.[5] Im Jahr 2015 lag der Umsatz bei 92,175 Mrd. €. und man beschäftigte über 110.000 Mitarbeiter. Allerdings fällt in seine Zeit auch das missglückte Engagement bei Rover in England.
[1] Ernest Urban, e-mail 11. 9. 2008
[2] Recherchiert von dem Journalisten Manfred E. Fritsche, Oprbl. Nr. 33/2015 (15. August), S. 20
[3] Eberhard von Kunheim und Hans Dietrich von Burkersroda, Unbeschwerte Zeit, Kulturzentrum Ostpreußen in Ellingen, 2015, S. 16
[4] Ernest Urban, e-mail 11. 9. 2008
[5] Wikipedia „Eberhard von Kuenheim“, 12. 9. 2008, Mitarbeiterzahl vom Stern, 7.10.2003