Nachimowo – Klein Scharlack und Groß Scharlack
Scharlack war bereits zu prußischer Zeit eine Siedlung. 1346 verlieh Winrich von Kniprode als Komtur von Königsberg dem getreuen Prußen Globse vier Haken Land im Feld Scharlack und 1350 nochmals vier Hufen dazu.[1]
In Klein Scharlack wurde 1910/11 vom Architekten Storp ein neobarockes Gutshaus gebaut. Letzte deutsche Besitzerin war Eva Woltag, geb. Johst (1895-1963), deren Familie das Gut 1855 gekauft hatte. Der Enkel Helmut Woltag schreibt dazu, dass die Familie Johst ursprünglich in Liessau/Westpreußen ansässig war und auf dem dort fetten Boden hervorragend wirtschaften konnte. Dadurch war sie finanziell leicht in der Lage, in Ostpreußen das völlig verwahrloste Gut Kl. Scharlack von 356 ha. Größe zu erwerben. Ein Standortvorteil für das Gut wurde im Eisenbahnzeitalter die Anbindung an die Kleinbahnlinie Labiau – Tapiau. Der Bahnhof befand sich direkt vor der Gutseinfahrt.
Der Treck des Gutes kam nicht nach Westdeutschland durch, sondern wurde bereits auf der Landstraße nach Königberg im Januar 1945 von den Russen überrollt.[2]
Es gab ein zweiklassiges Schulhaus, das auch von Schülern aus Schakaulack besucht wurde. Letzter Schulleiter war Lehrer Ernst Hube (gest. 1958), der nebenher auch ein eifriger Imker war. Das Schulgebäude brannte 1945 ab und existiert wohl nicht mehr.[3] In Groß Scharlack gab es zusätzlich eine einklassige Dorfschule (letzter Schulleiter war Ernst Haupt). Das Gutshaus ist heute Kulturhaus und wurde 1989/90 renoviert.
Das Rittergut Groß Scharlack besaß die früheste überlieferte Handfeste aus dem Jahr 1346. Verschrieben wurde das Land am 24. Dezember 1261 dem Ritter Indati. Von ihm übernahm es einige Jahre später der Ritter Christian von Charleiky, der vermutlich der Pate für den Ortsnamen war. Ein Nachfahre im 17. Jh., Geduhn v. Charleiky, wird als Stammherr der Familie von der Trenck angesehen. In seiner Blütezeit besaß das Gut Scharlack Ländereien vom Kurischen Haff bis nach Goldbach.[4] Zuletzt war Gut Groß Scharlack etwa 660 ha groß.[8]
Das Gut Groß Scharlack war zum Anfang des 20. Jhs. bekannt für seine Pferdezucht und seinen Saatzuchtbetrieb. Außerdem betrieb man hier eine anerkannte Ostpr.-Holländer Viehzucht sowie eine Yorkshire-Vollblut Schweinezucht. Bis 1945 gehörte das Gut der Familie Lepehne, zunächst Paul Lepehne und ab 1936 seinem Sohn Dr. Gerhard Lepehne.[5] Louis Lepehne (29. 1. 1819 – 27. 3. 1912) aus Pommern war ein erfolgreicher Geschäftsmann, der eine Labiauerin heiratete und in Labiau in den Rat der Stadt aufgenommen wurde. Zum 90. Geburtstag verlieh man ihm sogar die Ehrenbürgerschaft von Labiau. Sein Sohn Paul Lepehne (12. 5.b 1865 – 27. 1. 1946), der einen Holzhandel betrieb, erwarb Gut Groß Scharlack Anfang 1900. 1931 hatte das Gut mit erheblichen Schwierigkeiten zu kämpfen, weil infolge eines Brandes die große Scheune mit voller Ernte vernichtet wurde, die Kälberzucht Probleme machte und die Zinsen in exorbitante Höhen geklettert waren. Mit Hilfe des Landrats wurden die finanziellen Probleme so gelöst, dass kein Landverkauf erforderlich wurde.
Allerdings waren die Lepehnes unter den Nazis von den Rassegesetzen betroffen. Als sognannter “jüdischer Mischling ersten Grades” durfte Gerhard Lepehne nicht Mitglied der Deutschen Arbeitsfront sein, aber durch Entscheidung des Reichsleiters Baldur von Schirach gnadenweise dem Deutschen Jungvolk und der Hitlerjugend angehören. Die Eltern hatten sich in das mehr anonyme Berlin zurückgezogen, und Sohn Ulrich Lepehne, der bis dahin das Gut Adl. Klein Windkeim im Kreis Heiligenbeil bewirtschaftete, übernahm die Leitung von Groß Scharlack. Die nationalsozialistischen Belästigungen dieser Zeit blieben dabei nicht aus. Gerhard Lepehne hatte die Judenabgabe von 60.000 RM zu entrichten, der Jagdschein wurde ihm aberkannt und im November 1944 kam er sogar zwangsweise in ein Arbeitslager in Lenne-Vorwohle in Niedersachsen. Aber Gerhard Lepehne überlebte. Ulrich Lepehne wohnt heute mit seiner Frau Sonja in der Nähe von Gifhorn..[6]
Von den Gutsgebäuden in Groß Scharlack ist wenig geblieben. Vom Kuh- und vom Pferdestall waren dem Ortskundigen noch einige Reste erkennbar, die Pferdeschwemme bestand nur noch in einem kleinen Tümpel. Der Schutthaufen des Gutshauses ließ die Grundmauern erkennen und ermöglichte einen Blick in Kellerräume. Einige der Insthäuser sind erhalten. In der Nähe arbeitet ein moderner Kunststoffbetrieb.[7]
Das Gutshaus hat als Kulturhaus überlebt (Heimatbrief Wehlau, Nr. 58, S. 28))
Der Beitrag über das Rittergut Kl. Scharlack Krs. Labiau enthält gravierende inhaltliche Fehler. Es gehörte zuletzt meiner Großmutter Eva Woltag, geb. Johst (1895-1963). Ihr Vater Ernst Johst (nichtadlig!) verstarb im Januar 1940. Das Gut kam erst 1855 durch Kauf in unsere Familie. Der Treck kam nicht in den Westen durch, sondern wurde bereits auf der Landstraße nach Königberg im Januar 1945 von den Russen überrollt. – Exakt zitierbare Angaben über die meisten Güter, so auch dieses 1450 Morgen große Gut, finden Sie in Carl von Lorcks Standartwerk “Ostpreußische Gutshäuser”. Die Güter Ostpreußens sind recht gut erforscht. Solche gravierenden Fehler wie in diesem Artikel über unser Gut deuten auf mangelnde Sorgfalt des/der Verfasser(in). Da viele Benutzer des Internet keine Fachliteratur mehr benutzen, werden solche Texte in die Irre führen. – Es hat im übrigen nur äußerst selten Trecks aus Ostpreußen gegeben, die in den Westen durchkamen, da die sog. Räumungsbefehle durch die Partei viel zu spät erlaubt wurden. Die diesbezüglich falsche Angabe hätte die Redaktion stutzig machen müssen. – Ich kenne die Geschichte unseres Gutes recht genau. [9]
[1] Heimatbuch Labiau, S. 56
[2] Zuschrift von Helmut Woltag, 11. 8. 2008 + 12. 8. 08
[3] Von Tohus, Dez. 2007, S. 48
[4] Brigitte Stramm, Das Gut Groß Scharlack, von tohus, Dezember 2011, S. 39 ff
[5] Heinz Radzuweit in von tohus, Juni 2011, S. 64/65
[6] Brigitte Stramm, Das Gut Groß Scharlack, von tohus, Dezember 2011, S. 39 ff
[7] Brigitte Stramm, Neues aus dem Heimatkreis, Von tohus, Juni 2012, S. 78
[8] Sonja Lepehne, Weihnachten auf Groß Scharlack und Spurensuche, von tohus, Dezember 2012, S. 28/29
[9] Zuschrift von Helmut Woltag, 11. 8. 2008 + 12. 8. 2008