Kraupischken

Geschichte von Kraupischken

Der Schlossberg etwa 5 km südöstlich von Kraupischken beim Dorf Sassupönen war wohl einst Standort der Prußenfestung „Sassaburg“, die 1276 von den Ordensrittern unter Konrad von Thierberg erobert wurde. Sie galt den Litauern bis ins 19. Jh. hinein als heilig. Das Dorf Kraupischken im malerischen Instertal zwischen Ragnit und Insterburg wurde am 20. 11. 1352 als „Cropiscen an der Instrad“ erstmalig urkundlich erwähnt, als sich der Orden mit dem Bischof von Samland geeinigt hatte, die Landschaft Nadrauen aufzuteilen, und war somit eine der ältesten Siedlungen im Kreis.[1] Die Siedlung fungierte damals wohl als Rastplatz und Pferdewechselstation.Die Gegend war allerdings schon wesentlich länger besiedelt, denn man fand 1723 auf dem Gut Breitenstein Fürstengräber aus der Zeit 600 bis 800 n. Chr. Im Jahr 1725 erstattete Professor Rohde von der Albertus-Universität in Königsberg einen Bericht über die Ausgrabung dieser vorordenszeitlichen prußischen Begräbnisstelle im Gutspark. Damit dürfte die erste archäologische Ausgrabung in Ostpreußen überhaupt dokumentiert worden sein.

1554 wurde die Kirchengemeinde in Kraupischken gegründet. Der erste Geistliche, Augustin Jamund, wurde dadurch bekannt, dass er 1555 das Neue Testament ins Litauische übersetzte.[3]

Während der Pestjahre 1708/09 verlor das Kirchspiel Kraupischken fast die Hälfte der Einwohner. Ganze Ortschaften und viele Bauernhöfe lagen wüst und verlassen da. Mehrere Jahrzehnte litt das Land unter den Folgen dieser Seuche, aber mit dem Retablissement König Friedrich Wilhelms I. und der Einwanderung der aus Salzburg vertriebenen Protestanten, die besonders auch in Kraupischken eine starke Kolonie bildeten, nahm das Dorf wieder eine günstige Entwicklung.

Mit dem Bau der sog. „Kunststrassen“ entwickelte Kraupischken gute Verkehrsverbindungen nach Gumbinnen, Insterburg, Budwethen, Lengwethen-Ragnit und Szillen. Diese moderne Infrastruktur war förderlich für die Abhaltung von Wochenmärkten ab 1859 und eines Vieh- und Pferdemarkts ab 1861 oder 1862 und machte Kraupischken zum bestbesuchten Marktflecken des Kreises. Die fürchterliche Brandkatastrophe 1866 in Folge eines Gewitters, der über 100 Häuser zum Opfer fielen, konnte diese Entwicklung nicht aufhalten.

Eine Anbindung an die Kleinbahnlinie Insterburg – Ragnit erfolgte 1902. Noch in den Julitagen des Jahres 1914 konnte man das neue Krankenhaus einweihen. Dann begann der 1. Weltkrieg, in dessen Verlauf gleich nach 14 Tagen das Gefecht bei Kauschen, nur wenige Kilometer entfernt, stattfand. Die schwachen deutschen Kräfte versuchten, die Russen an der Überquerung der Inster zu hindern, was aber nicht gelang und 180 Gefallene kostete. Sie wurden auf den Heldenfriedhöfen von Kraupischken und Kauschen zur letzten Ruhe gebettet. Die Verletzten dagegen erlebten die Vorzüge des neu erbauten Krankenhauses. Dem Andenken der Gefallenen wurde ein Ehrenmal auf dem Kirchplatz gewidmet, das der berühmte Bildhauer Prof. Stanislaus Cauer gestaltete. Bis zur Schlacht von Tannenberg war der Ort allerdings in der Gewalt der Russen.

Nach dem Ende des Krieges musste das schöne Krankenhaus wegen hoher Betriebskosten schon wieder geschlossen werden. Dafür gab es jetzt elektrisches Licht und 1928 den Neubau der Volksschule. In der Nachfolgezeit war Max Banse Lehrer an der Volksschule, bevor er zum Schulrat in Tilsit befördert wurde.

Im Zuge der Namens-Arisierung taufte man 1938 Kraupischken in Breitenstein um. Der zunächst vorgesehene Name „Platzdorf“ wurde von der Bevölkerung nicht akzeptiert, so dass man den Namen Breitenstein wählte, der bis dahin dem Gut vorbehalten war.

1939 besaß Kraupischken über 1.400 Einwohner und zählte damit zu den größten Orten des ländlichen Kreises. Heute sind es aber auch immerhin noch 1.050 Bewohner.

Bereits im Oktober 1944 gab es in Kraupischken/Breitenstein und Umgebung die ersten Evakuierungsmaßnahmen. Der Räumungsbefehl erging dann am 19. Oktober, für die Bevölkerung westlich der Inster am 23. Oktober. Kraupischken wurde am 2. 11. 1944 von den Zivilpersonen endgültig geräumt. Einigen Zivilpersonen in Kraupischken wurde allerdings befohlen, bis zum bitteren Ende auszuharren. Herr Ernst Awiszus schreibt dazu: „Meine Großeltern mütterlicherseits und einige Hilfskräfte mussten in der einzigen Bäckerei “Reske” noch bis zum letzten Soldaten Brot backen. Meine Mutter Ilse Reske und Großmutter Frida Reske mussten überstürzt frühmorgens des 18. Januars 1945 die Flucht nach Wormditt (Ermland) antreten. Mein Großvater, Willy Reske, kam am späten Nachmittag nach und am Abend des 18.01.1945 hatten die Russen bereits das ehemalige Kraupischken kampflos und damit unzerstört eingenommen.“

Zunächst kam die Front noch zur Ruhe, doch dann erfolgte der Sturm auf Ostpreußen. Am 18. Januar 1945 konnte die Rote Armee die Insterstellung 5 km nördlich von Kraupischken durchbrechen, am 20. Januar 1945 mussten die letzten Soldaten das Gut Breitenstein verlassen.

Die 1946 angeordnete Umbenennung des Ortes durch die sowjetische Verwaltung orientierte sich am Geburtsnamen des kommunistischen Führers Lenin – Uljanow. Die Stadt Lütjenburg in Schleswig-Holstein übernahm 1953 die Patenschaft für Kraupischken.

Der Schuldirektor Jurij Userzow richtete 1981 in den neuen Schulräumen des Ortes ein Heimatmuseum ein, das inzwischen den Platz von 4 Räumen einnimmt: Darstellung der früher existierenden Betriebe und aller wesentlichen Gebäude, Familienchroniken, Informationen über die 60 Orte des Kirchspiels Kraupischken und etlicher anderer Kirchspielorte, Güter und Burgen, Geschirr, Münzen, alte Geldscheine, Bügeleisen, etc. Es ist unglaublich, wie umfangreich und vielseitig die Informationsquellen sind. Berge von Aktenordnern sind gefüllt. Auch Memorabilia aus der russischen Ära wie handgewebte Kleider, Tücher, Spinnrad, Bastschuhe, Topfgabeln etc. werden gezeigt. Das Museum ist inzwischen ein Museum für das ganze Königsberger Gebiet. Es wurde schon vom deutschen Fernsehen gefilmt. Besucher finden z. T. Papiere und Fotos über ihre Familien. Um dieses Potential an Quellen auszuweiten, bittet Herr Userzow um weitere Erinnerungsstücke und persönliche Berichte an die Adresse: Jurij Userzow, 238176 Uljanowo, Rayon Neman, Königsberger Gebiet.

Auslöser für die Einrichtung dieses Heimatmuseums war der ideologisch begründete Abriss des Denkmals für die Gefallenen des 1. Weltkriegs in Kraupischken auf Anordnung des Ersten Sekretärs der Kommunistischen Partei in Ragnit am Anfang der 1970er Jahre. Das Denkmal war gestaltet worden von dem Architekten Friedrich Lahrs und dem Bildhauer Stanislaus Cauer. In seinem Sockel befand sich ein Gründungsdokument als Friedensbotschaft an zukünftige Generationen. Dieses Dokument wurde das erste Ausstellungsstück des Museums, dem Jurij Userzow noch unzählige weitere folgen ließ.[2]

Das neue Heimatmuseum von Jurij Userzow neben der Schule, das ehemalige Haus Marx, wurde 1907 gebaut. Es stand leer und konnte so von Jurij erworben werden. Allerdings sind umfangreiche Renovierungsarbeiten notwendig, für die Spenden benötigt werden.



[1] Eine Abschrift der originalen Urkunde vom 20. 11. 1352 findet sich im Heimatrundbrief „Land an der Memel“ Nr. 75/2004 sowie in „Land an der Memel“ Nr. 101/2017, S. 97 ff
[2] Königsberger Express, Nr. 1/2018, abgedruckt im Gumbinner Heimatbrief, Juli 2018, S. 116
[3] Horst Glass, Auf den Spuren Sudermanns, Oprbl. Nr. 11/04, S. 13