Labiau-Stadt

Geschichte der Stadt Labiau

Auf dem westlichen Ufer der Deime, 2 km vor der Mündung in das Kurische Haff, existierte eine prußische Festung, die der Orden eroberte und 1258/59 für eigene Zwecke ausbaute, um Königsberg vor Feinden zu schützen, die sich über das Haff näherten. Da in diesem Zusammenhang die Burg urkundlich erwähnt wurde, gilt das Jahr 1258 als Gründungsjahr, so dass man im Jahr 2008 dessen 750. Wiederkehr feierte.

Die von Prußen bewohnte Lischke bei der Burg wurde damals nach dem Fluss Laba „Labigowe“ genannt. Daraus entstand im Laufe der Zeit der Name Labiau. Erstmals urkundlich erwähnt wurde Labiau 1258 in einem Teilungsvertrag zwischen dem Vizelandmeister Gerhard von Hirzberg und dem samländischen Bischof Heinrich von Strittberg.[2]

Die Burg Labiau wurde der Komturei Ragnit unterstellt. 1277 brannten die Schalauer die Burg nieder, danach wurde sie verschiedentlich erfolglos belagert und im 14. Jh. dann in Stein ausgebaut. 1352 fand bei Labiau eine Schlacht statt, in der die Litauer von einem Ordensheer unter Henning Schindekopf beschlagen wurden. Für den Orden war die Burg ein wichtiger Zwischenstopp für die Kriegszüge gegen die Szameiten und Litauer. Die Wasserburg des Ordens galt als uneinnehmbar. Sie wurde 1550 erweitert und in dieser Zeit von Anna Maria, der 2. Frau von Herzog Albrecht,bewohnt.[3]

Labiau war eine wichtige Zwischenstation auf dem Wasserweg, der von Königsberg über den Pregel, die Deime und das Haff in den Memelstrom führte, und dieser war neben dem Landweg über Insterburg der beste Weg in das Kriegsgebiet im Norden. Deshalb gab es bereits unter dem Landmeister Meinhard von Querfurt Arbeiten am Fluss, um dessen Lauf zu begradigen und das Wasserbett zu vertiefen. Unter dem Hochmeister Konrad von Jungingen, der sich auf die Gewinnung von Szameiten konzentriert hatte, wurden im Anfang des 15. Jhs. zwei Schleusen bei Labiau gebaut, um den Wasserstand der Deime zu regulieren und ständig befahrbar halten zu können. Dagegen gelang es wegen der Tücken des moorigen Untergrunds nicht, eine Kanalverbindung zwischen Deime und dem Nemonienstrom herzustellen.

Später zweigte bei Labiau der Große Friedrichsgraben ab, der sich dafür anbot, das Haff zu vermeiden. In dieser günstigen Lage entwickelte sich neben der Burg schon im 13. Jh. eine Siedlung, seit 1372 mit Krug. Die Beurkundung für diesen Krug vom Ragniter Komtur Gerhard von Lensen erfolgte mit der ältesten Verleihungsurkunde Labiaus. Mit diesem und 3 weiteren Krügen bis 1392 war die Braugerechtigkeit verbunden sowie das Recht, selbstgebrautes Bier ausschenken zu dürfen.[5] In einer Urkunde aus der Zeit des Komturs von Ragnit, Kuno von Lichtenstein (1392 – 1396) ist erneut eine Gemeinde beim Haus Labiau erwähnt.[4] Die Bedeutung der Siedlung nahm zu, als man die Deime Ende des 14. Jhs. für die Schifffahrt ausbaute. Das Gebiet von Labiau wurde vornehmlich mit freien Prußen bevölkert, während sich die Deutschen oft weiter westlich im Samland niederließen.

Eine erste verbriefte Nachricht von Schulunterricht in Labiau stammt vom 27. Juni 1408, als der Hochmeister Ulrich von Jungingen auf der Durchreise die Schule besuchte und die Schüler mit 2 Scot beschenkte. Diese noble Geste wiederholte er ein Jahr später. Damals befanden sich die Schulräume neben der Stadtkirche St. Jodocus, später gab es ein Schulgebäude in der Haffstrasse.[6]

Die Deime nimmt unter den Flüssen Ostpreußens eine Sonderstellung ein, denn sie hat ihr Gefälle im Lauf der Erdgeschichte umgekehrt. Zunächst hatte sie eine südliche Laufrichtung hin zum Pregeltal. Als sich das Eis über dem tiefer liegenden Kurischen Haff aufgelöst hatte, kehrte sie ihr Gefälle in Richtung Norden um. Solche Flussumkehr ist relativ selten. Wenn heftige Nordwinde wehen, kann es allerdings passieren, dass die Deime erneut in Richtung Süden fließt. Insofern gehört sie zu den interessantesten Flüssen Ostpreußens.[7]

Vermutlich hat sich Labiau im Städtekrieg 1454 – 1466 erst auf massiven Druck durch die Städte Königsberg-Altstadt und Königsberg-Löbenicht dazu bereit gefunden, gegen den Orden anzutreten. Bereits 1455 wechselte Labiau aber die Front, unterstützte nun den Orden und kämpfte auf dessen Seite gegen die ordensfeindliche Stadt Wehlau.

Spätestens mit der Gründung des Herzogtums Preußen 1525 wurde das Land lutherisch. Nicht jeder Ordensrepräsentant war mit dieser fundamentalen Änderung einverstanden. Auch der letzte Hauskomtur von Labiau, Hans Rauber, hatte große Bauchschmerzen, besann sich dann aber und huldigte dem neuen Herzog. Der Hauskomtur wurde durch den Amtshauptmann abgelöst. Erster Amtshauptmann war Georg von Benndorf. Er wohnte fortan im Schloss.

Im Jahr 1548 zerstörte ein Großbrand etliche Häuser der Stadt und auch Teile des Schlosses. Die Schule, die in der Nähe der Kirche stand, ging dabei ebenso verloren. Ein neues Gebäude mit zwei Schulräumen entstand 1688 in der Marktstrasse.

Schon 1626 bezeichnete man das Gemeinwesen als Stadt, doch die Stadtrechte gewährte erst am 28. Juli 1642 Kurfürst Friedrich Wilhelm, der Große Kurfürst. Unter seiner Regentschaft legte man 1656 Wallbefestigungen im Westen und Süden der Stadt an. Das 350jährige Stadtjubiläum feierte man 1992 in der Patenstadt Cuxhaven.

Internationale Bedeutung erlangte die Stadt Labiau, als am 20. November 1656 in seinem Schloss derVertrag zu Labiau geschlossen wurde, in dem Schweden die Souveränität des Großen Kurfürsten über Preußen anerkannte. Am 29. September 1657 akzeptierte dann auch Polen im Vertrag von Wehlau Brandenburgs Souveränität über Preußen. Im späteren Krieg gegen Schweden nahm der Kurfürst am 18. Januar 1679 im Schloss von Labiau Quartier, unmittelbar bevor die preußischen Soldaten nach der Schlacht von Splitter bei Tilsit die Schweden aus Ostpreußen verjagten.

Die Stadt Labiau musste während des siebenjährigen Krieges und der russischen Besetzung Ostpreußens am 20. Januar 1758 den russischen Oberkommandierenden General Fermor mit 800 Berittenen aufnehmen. Sie waren auf dem Durchmarsch nach Caymen, wo am nächsten Tag die Kapitulation Ostpreußens vollzogen wurde.

Ab 1732 waren in Labiau Soldaten stationiert. Im letzten Drittel des 18. Jhs. erhielt die Stadt endlich ein Rathaus – an der Zugbrücke auf der Schlossseite gelegen.

In der Zeit der Napoleonischen Eroberung Ostpreußens hielt sich Marschall Davoust mit seinem Korps längere Zeit in Labiau auf. Auf Kosten der Stadt wurde eine Feldbäckerei eingerichtet, jede Menge Hafer, Branntwein und Bier angefordert. 1812 verwandelten die Franzosen die Kirche in ein Lazarett und im Januar 1813 fand bei Labiau ein Gefecht der vordringenden Russen gegen die zurückweichenden Franzosen statt.

Nachdem die Belastungen aus der Zeit der napoleonischen Besetzung verdaut waren, nahm Labiau im 19. Jh. eine günstige Entwicklung. Das Labiauer Bier war recht gut und bewirkte, dass die Blankenstein’sche Brauerei neben den Schneidemühlen der herausragende Industriearbeitgeber der Stadt wurde. . Es gab einen wöchentlichen Schweinemarkt, einen jährlichen Viehmarkt sowie einen Pferdemarkt. Die Schuhmacher von Labiau waren auf vielen Märkten Ostpreußens vertreten. Aus den Schuppen des Ukelei-Fisches, die man in großen Mengen leicht gesalzen in verlöteten Dosen nach Paris, Wien etc. versandte, wurde Perlmutt gewonnen. Der Fisch selbst landete als Dünger auf Wiesen und Äckern – welch ein Raubbau, der dazu führte, dass der Ukelei in den Labiauer Gewässern bald fast ausgerottet war![8] 1860 wurde eine Chaussee nach Königsberg dem Verkehr übergeben, 1889 erfolgte der Anschluss an die Eisenbahnverbindung nach Königsberg mit Erweiterung nach Heinrichswalde und Tilsit. 1891 errichtete man den Städtischen Schlachthof, der kurz vor dem 1. und dem 2. Weltkrieg erweitert wurde. 1895/96 bekam Labiau das Kreiskrankenhaus mit Erweiterungsbauten 1919/20 und 1929. 1903 nahm das Gaswerk seine Tätigkeit auf, 1905 kam das Oberfischmeisteramt nach Labiau, 1912/13 baute man das Kreishaus.

Nach dem 1. Weltkrieg stellte man 1923 die Adlerbrücke wieder her, die im Krieg auseinander gebrochen war und 1929/30 erfolgte der Bau des Deimehafens nach Plänen des Königsberger Architekten Locke.[9]   Labiau hatte 1925 rd. 5.000 Einwohner und war eine Stadt mit munterer Geschäftigkeit. Es gab drei Sägewerke, zwei große Mühlen, eine Zementwarenfabrik, eine Rohrweberei, eine Brauerei, dazu Molkereien, Selters- und Limonadenfabriken.[10]

Nach langen Jahren der Beengung wurde am 10. Oktober 1910 ein Volksschulgebäude mit 18 Klassenräumen, Turnhalle, Duschen, Lehrküche seiner Bestimmung übergeben. Hier wurden sämtliche vorher verstreut untergebrachten Volksschulen zusammen gelegt und um Mittelschulklassen ergänzt. Ein zweites Schulgebäude wurde am 9. Oktober 1937 eingeweiht und nahm die Oberschule auf, die aus Memel hierher verlegt worden war, und beherbergte außerdem die Mittelschule. Die Pläne für den Schulneubau entwarf der Königsberger Architekt Walter Kuhrke, die Bauausführung oblag dem Zimmermeister Paul Krispin aus Labiau. Damals zählte man in Labiau 1.150 Schüler.[11] Neben der städtischen Schule gab es die gewerbliche Berufsschule und die Fachschule für Binnenschifffahrt.

Zwischen dem Pöppeler Wald in Richtung Haffwerder und der Stadt Labiau lag der Flugplatz Eichwalde, gebaut 1937/38. Von hier aus starteten etliche JU 88 im Juni 1941 zum Angriff auf Russland, bis eine Verlegung des Flugzeugparks in größere Frontnähe weit im Osten notwendig wurde. Noch einmal für kurze Zeit im Herbst 1944 starteten und landeten Kriegsmaschinen hier. Nach 1945 nutzten die Sowjets das Gelände als Militärflughafen, der aber irgendwann aufgegeben wurde. Heute ist die Fläche versteppt.[12]

Die jüdische Geschichte Labiaus ist wenig dokumentiert. Erste Hinweise auf jüdische Mitbürger in Labiau gab es in der Bürgerrolle von 1761 – 1854. Die Volkszählung vom 16. Juni 1925 ergab 36 Juden in der Stadt und 76 Juden in den Dörfern des Kreises Labiau, insgesamt also 112 Personen. Die Synagoge in der Schmiedestrasse, deren Entstehung nicht bekannt ist, wurde in der Reichsprogromnacht 1938 zerstört.[1]

Im 2. Weltkrieg bestand bei Labiau ein starker militärischer Stützpunkt, um Königsberg von Nordosten her gegen die vordringenden sowjetischen Truppen zu schützen. Der Räumungsbefehl wurde am 21. Januar 1945 gegeben und zwei Tage später wurde die Labiauer Brücke gesprengt. Trotz aller Gegenmaßnahmen gewannen die Sowjets am 23. Januar 1945 einen Brückenkopf auf dem jenseitigen Ufer der Deime. Im Verlauf dieser Kämpfe wurde die Stadt zu einem Drittel zerstört. In das Schloss zog die Marine ein.

Zu den prominenten Söhnen der Stadt zählt Ludwig Kasimir von Auer (2. 2. 1788 – 18. 7. 1837), General und 1812 Träger des Ordens Pour le Mérite, in Labiau geboren als Sohn von Johann Kasimir von Auer, Adjutant des Generals v. Bülow und Chef des Preußischen Generalstabs ab 1819, und Friederike d’Artis de Bequignolles.[13]

In Labiau wurde Karl Gustav Adolf Dullo (13. 6. 1832 – 21. 12. 1907) als Sohn des Kreisrichters in Labiau und späteren Landgerichtsdirektors in Braunsberg (gest. 1860) geboren. Er schlug die mittlere Justizbeamtenlaufbahn ein, widmete sich daneben aber seiner Passion, der Musik. Er komponierte u. a. Lieder, eine Hamletouvertüre, einen Chor zur Braut von Messina, kleine und große Opern, leitete den Sängerbund des Handwerksvereins, gab die Königsberger Musikzeitung heraus und war zeitweilig Musikreferent der Ostpreußischen Zeitung.[14]


[1] Info übermittelt von Peter Sziedat, 25. 8. 2014
[2] Heimatkreisgemeinde Labiau, Oprbl. Nr. 34/1989, S. 21/22
[3] Beate Szillis-Kappelhoff, Opr-forum, 28.6.2007
[4] Heimatbuch Labiau, S. 91
[5] Heimatbuch Labiau, S. 38
[6] Heimatbrief Labiau, S. 31
[7] Heimatbuch Labiau, S. 6
[8] Von Tohus, Dezember 2008, S. 35
[9] Heimatbuch Labiau, S. 114
[10] Heimatbuch Labiau, S. 123
[11] Heimatbrief Labiau, Dez. 2007, S. 32 f
[12] Hans-Joachim Riechert, Von tohus, Dezember 2008, S. 44
[13] Heimatbuch Labiau, S. 277
[14] Heimatbuch Labiau, S. 278

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