Lipowina Lindenau
Lindenau verfügte seit der Reformationszeit mehr als 150 Jahre lang über das Privileg, als einziger Ort im Kirchspiel eine Schule zu besitzen, auch wenn sie nur von den Kindern der wohlhabenden Dorfbewohner, den Kölmern und Schulzen, besucht werden konnte. Das Schulgebäude verfiel jedoch im Laufe des 18. Jhs. Erst 1784/85 gab es ein neues Haus, ab 1913 eine moderne Lehranstalt.
Der Ort Lindenau wurde 1339 erstmals urkundlich erwähnt. Im Jahr 1444 veräußerte ein Jost von Kirstansdurff die Güter Lindenau und Breitlinde, die er von seiner verstorbenen Ehefrau Katharina geerbt hatte. Herzog Albrecht erneuerte 1567 die Handfeste für Lindenau zu Gunsten von Johann von Kalnein auf Kilgis, dessen Vater Bastian von Kalnein bereits um 1539 Anteile von Lindenau besaß. Bemerkenswerter Besitzer im 17. Jh. war Albrecht von Kalnein (1611 – 1683). Er stieg als Mitglied der Regierung in Königsberg bis zum Oberburggrafen auf und wurde 1664 zudem Präsident des Oberappellationsgerichts. Er galt in seiner Zeit als einer der einflussreichsten Männer des Herzogtums Preußen und wohnte in einer Dienstwohnung im Südflügel des Schlosses. Gut Lindenau, das nach einer Vereinbarung mit seinem Bruder Heinrich von Kilgis abgetrennt und damit selbständig wurde, war sein Landsitz, auf dem vermutlich er bereits ein erstes Herrenhaus errichten ließ.
Als in der Erbfolge keine Söhne mehr zur Verfügung standen, übernahm der Ehemann von Albrechts jüngster Enkelin Anna Catharina von Kalnein (1682 – 1719), Oberstleutnant Joachim Melchior von Bredow (1677 – 1731) Gut Lindenau. Als dessen erbender Sohn 1738 unverheiratet jung starb, veräußerte der Bruder von Joachim Melchior, Johann Heinrich I. von Bredow (1676 – ), Dompropst zu Havelberg und Bauherr von Schloss Hoppenrade nördlich von Berlin bei Löwenberg, die Erbrechte 1739 an den aus dem Kreis Insterburg stammenden Friedrich Leopold von Geßler (geboren 1688), unter Friedrich dem Großen Generalfeldmarschall, und der verkaufte Gut Lindenau noch 1739 an seinen Schwager Albrecht Siegmund Reichsgraf Zeiguth-Stanislawski (1688 – 1768).
Albrecht Siegmund von Zeiguth-Stanislawski (1688 – 1768) war ein illegitimer Sohn des sächsischen Kurfürsten und polnischen Königs August II., bekannt als August der Starke, mit Henriette von Osterhausen, die nach ihrer Zeit als Maitresse den polnischen Adligen v. Stanislawski heiratete.[1] Er wurde am sächsischen Hof 1743 vom Kammerherrn zum Geheimen Etatminister und 1763 zum Kabinettminister befördert. 1736 hatte ihm Kaiser Karl VI. den Reichsgrafentitel verliehen. Im Königlichen Preußen bekleidete er das Amt des General-Postmeisters seit 1735. Sein Porträt, gemalt 1747 oder 1749 von Andreas Ernst Knopke aus Königsberg, sowie einer von einst 8 Tondos befinden sich heute im Museum von Allenstein.
Graf Zeiguth-Stanislawski nutzte Gut Lindenau als Sommersitz und ließ das Gutshaus im Innern umbauen und verschönern. Auch der Barockgarten sollte aus dieser Zeit stammen. Da der Graf kein Landwirt war, wurde der Wirtschaftsbetrieb von einem Verwalter geführt.
Nach dem Tod seiner ersten Frau aus dem Haus Geßler heiratete Albrecht Siegmund von Zeiguth-Stanislawski Luise Albertine Prinzessin von Holstein-Beck (1694 – 1773). Da beide Ehen kinderlos blieben, wurde nach dem Tod des Grafen und seiner zweiten Frau deren Bruder Carl Ludwig Herzog von Holstein (1690 – 1774) zum Erben bestimmt. Dieser und ein weiterer Bruder segneten jedoch ebenfalls bald das Zeitliche. Dadurch gelangte Gut Lindenau an den noch minderjährigen Friedrich Carl Prinz von Schleswig-Holstein-Sonderburg-Beck (1757 – 1816), seit 1775 Herzog zu Holstein-Beck, der vermutlich unter der Vormundschaft seiner Mutter Friederike geb. Burggräfin und Gräfin zu Dohna (1738 – 1786) stand.
Herzog Friedrich Carl von Holstein-Beck heiratet 1780 Friederike Amalie Gräfin von Schlieben a.d.H. Sanditten (1757 -1827). Sie war durch ihren Onkel, den Kammerherrn der Königin Elisabeth Christine, Ernst Ahasverus Heinrich Grf. v. Lehndorff-Steinort (1727 – 1811), der durch seine Tagebücher weithin bekannt wurde, mit dem höfischen Leben in Berlin vertraut, war eine aufgeweckte junge Frau und gilt als Ahnfrau der englischen, russischen, griechischen und dänischen Herrscherhäuser, denn ihr Enkel, König Christian IX. von Dänemark, verheiratete seiner Töchter erfolgreich an andere europäische Herrscherhäuser.
Obwohl Friedrich Carl von Holstein-Beck ein engagierter, Neuerungen gegenüber aufgeschlossener Landwirt war, gerieten seine Güter Lindenau und Grunenfeld infolge der Belastungen durch die Napoleon-Zeit in wirtschaftliche Schwierigkeiten und mussten 1820 versteigert werden. In der Folge erwarben 1835 Friedrich Burggraf und Graf zu Dohna-Lauck (1799 – 1873) und 1864 Friedrich Detlev Cord von Restorff (1840 – 1909) Gut Lindenau. Dessen Sohn Horst von Restorff (1880 – 1953) war der letzte deutsche Herr auf Lindenau.
Das Gutshaus kam recht gut durch den 2. Weltkrieg und wurde danach von einer Pflanzen-Produktionsgenossenschaft genutzt. Leider brannte es in der Sylvesternacht 1978 infolge eines defekten Heizkörpers vollständig aus. Nur die Wände blieben stehen und auch diese verfallen rapide. Eigentümer ist wohl die AWRSP. Inzwischen ist das Gutshaus Lindenau erfolgreich restauriert worden.
Weitere Details zu Lindenau siehe:
- Emil Johannes Guttzeit, Die Geschichte des Grenzkirchspiels Lindenau, Kreis Heiligenbeil, in: Prussia – Zeitschrift für Heimatkunde und Heimatschutz, Heft 28, Königsberg 1928, S. 1 – 158
- Wulf D. Wagner, Die Güter des Kreises Heiligenbeil in Ostpreußen, S. 259 ff
Die Kirche von Lindenau wurde als einfacher Feldsteinbau zum Ende des 15. Jhs. errichtet. Unter Johann von Kalnein erfolgte 1575 ein Umbau des Kirchturms. Im 2. Weltkrieg wurde die Kirche zerstört und später durch einen Neubau ersetzt.
Südlich von Lindenau im Grenzbereich zum einstigen Ermland erstreckt sich der Damerauer Wald, ein schöner Mischwald. In ihm steht – hoffentlich immer noch – eine gewaltige Eiche, der man ein Lebensalter von 1.000 Jahren nachsagt.
[1] Cornelius Gurlitt, August der Starke, S. 180