Marion Gräfin Dönhoff ( 2. 12. 1909 – 11. 3. 2002), geboren auf Schloss Friedrichstein nahe Königsberg, Publizistin und herausragende Meinungsbildnerin in der Bundesrepublik Deutschland, leitete ab Spätherbst 1938 von Quittainen aus als Rentmeisterin die Familiengüter im Oberland. Dem Nationalsozialismus stand sie höchst ablehnend gegenüber und nahm sogar aktiv am Widerstand gegen Hitler teil. Sie war Realistin genug, um frühzeitiger als andere zu erkennen, welche Folgen der von den Nazis entfesselte Krieg auch für Ostpreußen haben wird: als sie sich in der Nach vom 22. zum 23. Januar 1945 mit dem Treck ihrer Gutsleute von Quittainen aus auf die Flucht begab, schloss sie die Haustür hinter sich in dem Bewusstsein, dass sie die Tür zur 700jährigen Geschichte ihrer Familie im Osten ins Schloss fallen ließ, wie sie selbst schrieb.
Der Treck brauchte fast 8 Stunden, um in das 11 km entfernte Pr. Holland zu gelangen. Von hier aus ritt Gräfin Dönhoff auf ihrem Fuchs Alarich allein weiter und kam bis in dem Westen Deutschlands zur Familie Metternich in Vinsebeck durch, während es dem Teil der Gutsleute, die aufgaben und nach Quittainen zurückkehrten, schlecht erging, mehrere erschossen oder nach Sibirien abtransportiert wurden.
Die Gräfin selbst gehörte ab 1946 der Redaktion der „Zeit“ an, wo sie 1950 das politische Ressort übernahm. 1954 verließ sie die Zeit aus Protest, weil ein NS-naher Staatsrechtler in der Zeit schreiben durfte, kehrte aber 1955 als stellvertretende Chefredakteurin wieder zu ihrer Zeitung zurück. Ab 1968 Chefredakteurin, ab 1973 Mitherausgeberin.
Zu Zeiten Willi Brandts war sie eine der herausragenden Propagandistinnen seiner neuen Ostpolitik. Auch wenn sie sich nicht dazu entschließen konnte, im Gefolge Willi Brands mit zur Vertrags- und Versöhnungsreise nach Warschau zu fahren, engagierte sie sich für die Aussöhnung zwischen den Neuansiedlern im russischen und im polnischen Teil Ostpreußens mit den Deutschen. So stiftete sie die verloren gegangene Kant-Büste in Königsberg durch einen Nachguss und übernahm 1995 die Patenschaft für eine Schule in Nikolaiken, die ihr zu Ehren den Namen „Marion – Dönhoff – Lyzeum“ erhielt.
Insgesamt wird gerühmt, dass sie bedingungslos ihre eigene – sich aber durchaus auch ändernde – Meinung vertrat, in ihrer Urteilsbildung souverän und unabhängig war und jegliche Klischees vermied. Auf diese Weise hat sie in ihrer Zeit die öffentliche Meinungsbildung durchaus nachhaltig beeinflusst.
Ehrungen: Ehrendoktor Smith-College USA 1963; Joseph-E.-Drexel-Preis 1964; Theodor-Heuss-Preis 1966; Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 1971; Ehrendoktor der Columbia University New York 1982; Heinrich-Heine-Preis 1988; Ehren-Bürgerin von Hamburg und Kaliningrad.
Bücher: Namen, die keiner mehr nennt (1962); Die Bundesrepublik in der Ära Adenauer (1963); Welt in Bewegung (1965), Deutsche Außenpolitik von Adenauer bis Brandt (1970), Menschen, die wissen, worum es geht (1976); Von Gestern nach Übermorgen (1981); Amerikanische Wechselbäder (1983), Weit ist der Weg nach Osten (1985); Preußen (1987); Der südafrikanische Teufelskreis (1987); Kindheit in Ostpreußen (1988); Bilder, die langsam verblassen: Ostpreußische Erinnerungen (1989); Ritt durch Masuren (mit sehr schönen Fotografien) (1992); Im Wartesaal der Geschichte (1993).
1909 2. Dezember: Marion Gräfin Dönhoff in Friedrichsstein bei Königsberg/Ostpreußen geboren
1924 Sturz mit dem Auto in den Fluss Pregel
1925 Besuch eines Lyzeums in Potsdam
1926 Überwechslung auf ein Gymnasium für Jungen
1928 Abitur in Potsdam
1929 Besuch einer Haushaltsschule in Samadan bei St. Moritz; anschließend Rundreise durch die USA
1930 Längerer Aufenthalt bei ihrem Bruder Christoph in Südafrika
1931 Studium der Volkswirtschaft in Frankfurt am Main
1933 Fortsetzung des Studiums in Basel (Schweiz) bei dem Ökonomen Edgar Salin
1935 Promotion zum Dr. rer. pol.
1936 Einarbeitung in die Verwaltung der Dönhoffschen Familiengüter Friedrichstein und Quittainen
1941 Ritt durch Masuren mit ihrer Cousine Sissi Lehndorff
1945 Flucht aus Ostpreußen auf dem Fuchs Alarich, Ankunft in Westfalen
1946 Eintritt in die Redaktion der ZEIT
1950 Verantwortlich für das politische Ressort
1954 Aufenthalt beim Observer in London nach politischen Auseinandersetzungen mit dem Chefredakteur der ZEIT, Richard Tüngel
1955 Rückkehr zur ZEIT, erneut verantwortlich für das politische Ressort
1968 Chefredakteurin der ZEIT
1970 Einladung von Willy Brandt, ihn anlässlich der Unterzeichnung des Deutsch-Polnischen Vertrags nach Warschau zu begleiten; schließlich nimmt sie die Einladung nicht an
1973 Herausgeberin der ZEIT
1992 Enthüllung des Kant-Denkmals in Kaliningrad (ehemals Königsberg), das sie gestiftet hat
1995 Übernahme der Patenschaft für das Marion Dönhoff Lyzeum in Nikolaiken, Kreis Sensburg
2002 11. März: Marion Gräfin Dönhoff gestorben