Geschichte von Pieniezno – Mehlsack
Im landschaftlich reizvollen Berggelände des Stablack am Anfang eines hübschen Tales liegt als größere Gemeinde der Ort Mehlsack. Zu prußischer Zeit befand sich hier die Festung Malcekuke, was man etwa mit “Gehölz der Unterirdischen” oder “Teufelsgrund” übersetzen könnte. Die deutschen Siedler verballhornten den prußischen Namen zu “Melzak” und dann zu “Mehlsack”. Der heutige polnische Name leitet sich ab von dem Redakteur der Gazeta Olsztynska, Seweryn Pieniecny, der im Straflager Hohenbruch, Kreis Labiau, während der Nazizeit den Tod fand.
Um 1251 eroberten die Ordensritter die Gegend von Mehlsack. Die in der Nordwestecke der Altstadt an einem Steilhang über der Walsch (Walsza) errichtete Ordensburg wurde Verwaltungszentrum eines Kammeramtes und gehörte zum weltlichen Besitz des ermländischen Domkapitels. In der Burg, die im frühen 14. Jh. gebaut wurde, residierte ab 1312 der Kapiteladministrator und Kapitelvogt. Dieser war der oberste weltliche Amtsinhaber des Domkapitels, zuständig für das Militär und die Gerichtsbarkeit. Um die Mitte des 14. Jhs. wurde der Sitz des Administrators nach Allenstein verlegt, während dann in Mehlsack ein Burggraf amtierte.[3]
Die neben der Burg entstehende Siedlung fand bereits 1284 erste urkundliche Erwähnung und 1304 gab es einen Hinweis auf eine christliche Gemeinde mit einem Pfarrer Euchardus. Die Gemeinde erhielt jedoch erst 1312 die Handfeste von Bischof Eberhard von Neiße und so feierte man 1987 das 675jährige Bestehen des Städtchens in Münster/Westfalen.
Trotz guter Verteidigungsmöglichkeiten in einem stark strukturierten Gelände wurde Mehlsack häufig erobert und gebrandschatzt, so in den Ordenskriegen des 15. Jhs., durch Gustav Adolf und Karl XII. von Schweden im 17. und 18. Jh., durch Napoleon im 19. Jh. und zuletzt im 2. Weltkrieg. 1414 brannten polnische und litauische Truppen die Stadt fast vollständig nieder. Im Städtekrieg 1454 – 1466 schlug sich Mehlaack als einzige Stadt des Ordenslandes auf die Seite der Ordensritter, wurde dafür aber 1455 von den Bündischen aus Rache zerstört. 1627 wüteten die Schweden in der kleinen Stadt. Im 2. Weltkrieg verlor Mehlsack 90 % seiner Bausubstanz.
Zwischen den Kriegen war das Walschtal eine Oase der Ruhe und Erholung. Man traf auf seltene Pflanzen wie den Frauenschuh und viele Tiere. Es gab einen Naturlehrpfad, Heilquellen und ein Kurhaus. Eine gottesfürchtige Einwohnerin ließ eine Kapelle errichten. Schon 1907 richtete H. Conwentz im Walschtal ein Naturschutzgebiet ein, das zu den ältesten in Europa zählt.[2]
In Mehlsack wurde der Bildhauer Georg Fuhg (1898 – 1976) als Sohn des dortigen Besitzers eines Hartsteinwerks geboren. Er besuchte die Präparandenanstalt und legte zunächst das Volksschullehrer-Examen ab. Nach drei Jahren begann er aber ein Studium an der Kunst- und Gewerkschule in Königsberg bei Professor Hermann Brachert und lebte danach als freischaffender Künstler in Königsberg. Er erhielt öffentliche Aufträge ebenso wie private für Grabmale in Beynuhnen, Labiau, Insterburg, Soldatenehrenmale in Lötzen und Angerburg, Arbeiten in Kirchen von Wormditt und Braunsberg. Die bekannte, heute noch in Königsberg existierende Skulptur des Sängers Walther von der Vogelweide von 1930 ist von ihm, auch die lebensgroße Bronzeplastik des Trakehners „Hessenstein“ vor dem Ostheim in Bad Pyrmont und die Büste von Agnes Miegel für das Agnes Miegel Haus in Bad Nenndorf. Mit dem Lazarettschiff „Sachsenwald“ gelangte er als verwundeter Soldat 1945 über Kopenhagen nach Schleswig-Holstein und vereinte sich mit seiner geflüchteten Familie in Thüringen. 1950 siedelte die Familie nach Neumünster über. Georg Fuhg hatte 1929 Käte Wölki geheiratet, die vor ihm 1968 starb.[1] Auszeichnung: Kulturpreis der Landsmannschaft Ostpreußen (1964).
Aus Mehlsack stammte Karl Selke (1836 – 1893). Bürgermeister von Luckenwalde 1862 – 1868, Oberbürgermeister von Elbing 1869 – 1874) und Oberbürgermeister von Königsberg 1875 – 1893). Die Familie hatte ihre Wurzeln in Danzig.[4]
In Mehlsack geboren wurde der Priester und Humorist Otto Miller. Frau Annette Griehl übermittelte dessen Lebensdaten:
Dr. Otto Miller, *27.07.1879 in Mehlsack/ Ermland/ Ostpreußen, +04.01.1958 in Wewelsburg. 1884 Umzug nach Braunsberg, Besuch des dortigen Gymnasiums, Abitur, Priesterseminar, Studium.
08.02.1903 Priesterweihe durch Bischof Andreas Thiel in Frauenburg, Kaplan in Neuteich/Werder bei Pfarrer Johannes Tietz. 1906 zum Studium nach Rom “Stipendium Preuckianum”: Philosophie, Archäologie.
1908 Rückkehr ins Ermland. 1909 Pfarrer in Genua (I), Studium in Freiburg i. Brsg., Promotion zum Dr. phil. beim Historiker Prof. Heinrich Finke: “Dantes Geschichtsphilosophie”. 1909 Kaplan in Seeburg/Rößel. 1911 Zweiter Sekretär des Bischofs Dr. Augustinus Kaller. 1922 Erster Sekretär an der bischöfl. Kurie in Frauenburg. 1922 Pfarrer in Thiergart, Dekanat Marienburg.
Werke: “Der Individualismus als Schicksal”, erschienen 1933 in Freiburg/ Brsg., Neuauflage 1964 bei Glock und Lutz in Nürnberg, “Wo nimmt man jetzt das Lachen her. Empfehlungen eines freien Geistes” (Humor), erschienen bei Glock und Lutz/ Nürnberg 1966. 1979, zum 100. Geburtstag erscheint in St. Augustin, Verlag Wort und Werk “Wenn der Durst nach Gott uns quält – Gebetete Lyrik”.
In der Nähe von Mehlsack fiel am 18. 2. 1945 der sowjetische General Iwan D. Tscherniakowskij, Befehlshaber der 3. Belorussischen Front. Ihm verdankt die Stadt Insterburg in Nordostpreußen ihren heutigen Namen. Das Denkmal, das man zu seinen Ehren errichtete, ist umstritten. Im Jahr 2001 forderte der Senator der Solidarnocz aus Braunsberg, Tadeusz Kopacz, das Denkmal aus der Liste der mit Russland vereinbarten Orte der Erinnerung zu streichen, denn er heißt auch der „Henker der Heimatarmee“ und man wirft ihm in Polen vor, tausende von Polen nach Sibirien verbannt zu haben[5]
[1] Lorenz Grimoni, Der Bildhauer Georg Franz Fuhg (1898 – 1976), Königsberger Bürgerbrief, Winter 2010, S. 62
[2] Malgozata Jackiewicz-Garniec/Miroslaw Garniec, Burgen im Deutschordensstaat Preußen, S. 340
[3] Malgozata Jackiewicz-Garniec/Miroslaw Garniec, Burgen im Deutschordensstaat Preußen, S. 342
[4] Welf Selke Urenkel von Karl Selke, Der Königsberger Oberbürgermeister Karl Selke (1836 – 1893), Königsberger Bürgerbrief, Winter 2023, S. 47 f
[5] Meldungen: Denkmalstreit um Rotarmisten, Oprbl. Nr. 16/2007, S. 16