Dubki – Neucken
Im 16. Jh. wohnte auf Neucken eine Familie von Rossen. Die erbende Tochter Esther von Rossen brachte das Gut in ihre Ehe mit Wilhelm V. von Massenbach ein. Der Sohn Georg V. von Massenbach lebte mit seine Familie in Neucken. In dieser Zeit wurde das Gut durch die Umstände des schwedisch-polnischen Krieges derart schwer belastet, dass es nach seinem Tod 1631/32 verkauft werden musste.[1] Von 1803 bis 1945 gehörte das Gut in Neucken der Familie von Braun. Letzter deutscher Besitzer war der Reichsminister a. D. Magnus Frhr. von Braun. Er war Vater von drei Söhnen: des Raketenforschers Wernher von Braun, des Staatssekretärs in Bonn und Botschafters Sigismund von Braun (14.4.1911 – 13.7.1998) sowie von Magnus von Braun d. J. (10.5.1919 – 21.6.2003), Kaufmann und Europa-Chef von Chrysler.
Das Gutshaus, spätbarock von 1804, wurde 1934 neobarock umgebaut. Bis zum Einmarsch der Roten Armee lebten im Gutshaus 58 Invaliden – Gelähmte, Blinde, Krüppel. Die sowjetischen Soldaten verlegten diese Behinderten auf das eineinhalb Kilometer entfernte Vorwerk Palpasch, wo sie innerhalb von 3 Monaten verhungerten, weil sie nicht mehr versorgt werden konnten. Der 71 Jahre alte Vetter Max von Braun, der auf dem Gut Zuflucht gesucht hatte und nicht trecken wollte, wurde auf der Stelle erschossen. Die Schwester Adele von Braun verhungerte 1945 in Bartenstein. Das war das leidvolle Ende des soliden Gutsbetriebs.
Im Park von Neucken stand einst eine Linde mit einem Umfang von 7,40 Metern, die sich aus vier miteinander verwachsenen Linden zusammen fügte. Davon war nichts mehr zu sehen, aber es gibt noch zwei gewaltige Eichen mit mehreren Metern Stammumfang. Auch die einstige Allee im Park ist noch zu erkennen.
Die Neuckener Chronik berichtete von einem Unfall, der hier der Königin Luise zustieß. Die Königin befand sich auf der Reise von Königsberg, wo dem König am 3. Juni 1798 gehuldigt worden war, über Mühlhausen, Bartenstein nach Warschau, das damals zu Preußen gehörte. Auf den schlechten Wegen in der Nähe von Neucken wurde ihre Kutsche umgeworfen. Während die Oberhofmeisterin kräftig schimpfte, soll die Königin sie besänftigt haben: “Lassen Sie es gut sein, uns fehlt ja nichts, und die armen Leute sind mehr erschrocken als wir selbst”.[2]
Letzter Eigentümer des Gutes in deutscher Zeit war Magnus von Braun. Die Familie von Braun gehört zum schlesischen Uradel. Dazu gehören jene Familien, die bereits vor dem Aufkommen schriftlicher Urkunden – also vor 1350 – 1400 – zum Ritterstand gehörten. Familie v. Braun wurde erstmals 1285 urkundlich erwähnt. 1573 erhob Kaiser Maximilian II. Georg und Hans von Braun in den Reichsfreiherrenstand, den Preußen 1860 für die preußischen Mitglieder der Familie bestätigte.
Magnus von Braun machte das Abitur in Königsberg, studierte Rechtswissenschaft in Königsberg und Göttingen. Nach dem Staatsexamen Tätigkeiten in Justiz und Verwaltung, und zwar im Ministerium für Handel und Gewerbe. 1911 – 1915 Landrat in Wirsitz, Prov. Posen, dann Versetzung ins Reichsamt des Inneren, wo er ab 1917 zeitweise das Amt des kaiserlichen Direktors in der Reichskanzlei bekleidete und Pressechef des Reichskanzlers war – der erste deutsche Reichspressechef überhaupt. Ende 1917 übenahm er die Leitung der politischen Abteilung der deutschen Militärverwaltung im besetzten Wilna und fungierte 1918 kurzzeitig als Kreishauptmann in Seine bei Suwalki und als Stadthauptmann von Dünaburg. 1919 ernannnte man ihn zum kommissarischen Polizeipräsidenten von Stettin, doch bald ging er zurück nach Berlin, um im Rang eines Geheimen Regierungsrats und Vortragenden Rats im Preußischen Ministerium des Inneren für Personalsangelegenheiten zuständig zu sein. Endlich wurde er zum Regierungspräsidenten in Gumbinnen ernannt, aber auch nur kurzzeitig, denn im Zuge des Kappputsches musste er im März 1920 aus diesem Amt wieder ausscheiden, weil man ihm mangelnde Unterstützung der Reichsregierung vorwarf. Danach wurde er als Generaldirektor an die Spitze der Raiffeisen-Genossenschaften berufen und war außerdem Vizepräsident im Reichsverband der Landwirtschaftlichen Genossenschaften. Am 1. 6. 1932 kehrte er als Reichsminister für Ernährung und Landwirtschaft in den Regierungen v. Papen und anschließend im Kabinett v. Schleicher in die Politik zurück. Zusätzlich war er Reichskommissar für die Osthilfe, wobei er sich stark für die Osthilfegesetzgebung engagierte, und ab Oktober 1932 Reichskommissar für das preußische Ministerium für Landwirtschaft, Domänen und Forsten sowie Mitglied im Zentralausschuss der Reichsbank war. Nach der Machtergreifung der Nationalsozialisten 1933 und dem Ausscheiden aus der Regierung war er auf seinem schlesischen Gut Oberwiesenthal in der Gegend von Löwenberg und Hirschberg ansässig. Das Gut soll unter Magnus von Braun 121 ha Landwirtschaftsfläche umfasst haben, wies aber höchst fruchtbaren Boden auf und erbrachte verlässliche Ernten. Nach der Vertreibung 1946 folgte er seinen beiden Söhnen Wernher und Magnus in die USA, kehrte aber 1952 nach Deutschland zurück, wo er letztlich in Oberaudorf am Inn wohnte.
Über dem Eingang zum Gutshauses in Oberwiesenthal befindet sich heute noch eine Wappenkartusche der Familie von Braun mit dem Datum 1646. In jener Zeit gehörte das Land als Vorwerk des Gutes Niederwiesenthal einem Sicemund von Braun. Das Gut selbst entstand vermutlich im Zuge der Aufteilung des hiesigen Gutsbesitzes in Niederwiesenthal und Oberwiesenthal. Die neben dem Gutshaus stehende Kirche ist ein im 18. Jh. umgebautes einstiges Gutshaus, das heute der Hl. Maria von Lourdes geweiht ist. Bystrzyca – Wiesenthal wurde nach Wlen – Lähn eingemeindet.
Magnus von Braun hatte am 12. 7. 1910 Emmy Melitta Cecile v. Quistorp (3.11.1886 – 27.12.1959) aus dem Crenzower Familienzweig geheiratet. Das Ehepaar hat drei ebenfalls prominente Söhne. Wernher v. Braun (23. 3. 1912 – 16. 6.1977), Weltraum- und Raketenforscher, wurde in Wirsitz in der Provinz Posen geboren, als Vater Magnus von Braun dort Landrat war. Während des 2. Weltkriegs bekleidete er die Stelle des Direktors der Heeresversuchsanstalt in Peenemünde und war maßgeblich an der Entwicklung der V 2 beteiligt. Nach dem 2. Weltkrieg arbeitete er für die Amerikaner in der NASA als Technischer Leiter der Army Ballistic Missile Agency in Huntsville, Alabama, wirkte an deren Raumfahrtprojekten mit und nahm als Direktor des NASA-Raumfahrtzentrums insbesondere am Apollo-Programm und an der Vorbereitung für die Mondlandung 1968 teil. Am 1. 3. 1947 heiratete er in Landshut Maria v. Quistorp (geb. 10. 6. 1928) aus dem Crenzower Familienzweig. Er war von Haus aus Dr. phil., aber auch Inhaber etlicher Ehrendoktorhüte amerikanischer Universitäten. Wernher v. Braun starb an Krebs. Seine Brüder waren der Staatssekretär in Bonn und deutsche Botschafter Sigismund von Braun (14. 4. 1911 – 13. 7. 1998) sowie Magnus von Braun d. J. (10. 5. 1919 – 21. 6. 2003), Kaufmann und Europa-Chef von Chrysler.