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Der Kreis Pillkallen/Schloßberg

Während der Ordenszeit und in der Herzogszeit gehörte der größere nördliche Teil des erst 1818 gegründeten Kreises Pillkallen zu Ragnit, der südwestliche dagegen zu Insterburg. Er war deröstlichste Kreis Ostpreußens und Preußens mit der östlichsten Stadt des Deutschen Reichs: Schirwindt. Die östliche Grenze des Kreises Pillkallen/Schlossberg, hauptsächlich durch die Szeschuppe (Ostfluss) markiert, gehörte zur ältesten konstanten Grenzlinie im Deutschen Reich, die von 1422, dem Frieden am Melnosee, bis 1945 gültig war und heute noch das Gebiet der Oblast Kaliningrad nach Osten begrenzt. Zur Zeit des Friedensschlusses am Melnosee war das Gebiet des nachmaligen Kreises Pillkallen noch nicht aufgesiedelt. Rodung und Kolonisation erfolgten erst nach 1500.

Der Kreis Pillkallen/Schloßberg hatte 1939 eine Fläche von 105.433 ha, davon eine landwirtschaftliche Nutzfläche von 79.883 ha sowie 15.415 ha Forsten und Holzungen. Der Rest war unkultiviert oder Sonstiges. Er war damit der flächenmäßig zweitgrößte Kreis des Regierungsbezirks Gumbinnen. In Verbindung mit der Vielzahl von landwirtschaftlichen Betrieben war der Kreis Schloßberg ausgesprochen bäuerlich geprägt. Man baute Weizen, Hafer, Roggen, Klee und Kartoffeln an. Es gab im Durchschnitt der Jahre 1935/39 eine Erntemenge von rd. 33.000 t Sommergetreide, 21.000 t Wintergetreide, 45.000 Tonnen Kartoffeln, 89.000 t Futterrüben. Die Böden waren meist schwer zu bearbeiten. Sie eigneten sich aber gut als Dauerweiden, weshalb die Rinder- und Pferdezucht verbreitet war.[2] Es gab im Durchschnitt 15.000 Pferde, 50.000 Rinder, 48.000 Schweine, 3.000 Schafe und 155.000 Stück Geflügel.

Die Bevölkerungszahl betrug nach der Volkszählung am 17. 5. 1939 insgesamt 42.656 Einwohner in 10.260 Haushalten, davon rd. 6.000 Einwohner in Pillkallen/Schloßberg und 1.100 in Schirwindt, der Rest auf dem platten Land. Die landwirtschaftliche Bevölkerung hatte einen Anteil von rd. 60 Prozent.

Die Kühe gaben im Schnitt 3.424 kg Milch, was bis zum Ende der deutschen Zeit vermutlich auf 4.400 Liter bei 3,4 % Fettgehalt gesteigert wurde. Die Kuh „Norne“ aus Tannenwalde erbrachte eine Milchleistung von über 12.000 kg, die Kuh „Fee“ desselben Halters Weszkalnys war längere Zeit die beste Kuh Deutschlands. Die Qualität des Pillkaller Rinderbestands wurde nach Einschätzung von Leistungs-Inspektor Otto Kowalzik von keinem ostpreußischen Kreis übertroffen. Die Hektarerträge für Winterroggen lagen um 18 – 20 t, für Winterweizen um 18 – 21 t, für Sommergerste um 21 – 28 t, für Spätkartoffeln um 100 t. Trotz des im bäuerlichen Leben meist besonders ausgeprägten Traditionsbewusstseins war der Kreis Pillkallen/Schlossberg der am stärksten motorisierte Kreis Ostpreußens.

In der Anfangszeit der landwirtschaftlichen Erschließung des Kreises im 16. Jh. kamen Kolonisten in großer Anzahl aus Litauen. Sie waren als Neusassen willkommen, solange sie dem Christentum und einem anständigen Benehmen verpflichtet waren. Vermutlich war für die Landflucht aus Litauen zum wesentlichen Teil die Lubliner Union von 1569 verantwortlich, durch die die Bauern in Litauen zu Leibeigenen gemacht wurden. Der Zuzug deutscher Siedler erfolgte mehr in der 2. Hälfte des 16. Jhs. und verstärkt im 17. Jh.

In jener Zeit wurde in allen Kirchen des Kreises in deutscher und in litauischer Sprache gepredigt. Für die Ausbildung der preußisch-litauischen Pfarrer wurde 1732 das litauische Seminar in Königsberg eingerichtet.

Das Kreisgebiet wurde beim Einfall der Tataren 1656 in Mitleidenschaft gezogen, viele Dörfer brannten ganz oder teilweise ab, viele Einwohner flüchteten, soweit sie nicht erschlagen oder verschleppt wurden. Anschließend lag die Hälfte der Äcker wüst. Dieser Einbruch wurde bis zum Aufkommen der Großen Pest noch nicht ausgeglichen.

Die Große Pest forderte gerade auch im Gebiet von Pillkallen große Opfer. Sie grassierte dabei besonders im südlichen Kreisteil. Noch 1719 lagen 30 von 204 Dörfern wüst, in der Stadt Pillkallen gab es nur noch 14 besetzte Haushaltungen.

Nach der Pest 1709 – 1711 gab es unmittelbar bis 1711 einen noch von König Friedrich I. initiiertenZuzug von Halberstädtern aus Mitteldeutschland. Es folgten Deutsche aus Elbing und Marienwerder und eine größere Gruppe von Schweizern aus Neuenburg. Ab 1721 siedelten hier Nassauer und Anhaltiner, Zuzügler aus dem Magdeburgischen und ab 1732 Salzburger.

Im Zuge des Retablissements richtete König Friedrich Wilhelm I. im Kreisgebiet 6 Domänen ein, die außerdem als organisatorische Maßnahme der Landesverwaltung dienten: Dörschkehmen/Derschau, Grumbkowkeiten/Grumbkowsfelde, Ußpiaunen/Kiesdorf, Löbegallen/Löbenau, Kussen, Braktupönen. Sie lösten die Verwaltungsfunktion von 5 Schulzenämtern durch Besetzung mit Amtmännern ab. Soweit sie Neugründungen waren, setzten sie sich aus angekauften kölmischen und bäuerlichen sowie brachliegenden Hufen zusammen. Nur Löbegallen existierte bereits vorher. Dr. Friedrich Schmalz in Kussen war im 19. Jh. lange Jahre Landrat des Kreises Pillkallen.

Im Zuge der großen Stein-Hardenbergschen Verwaltungsreform wurde 1818 der Kreis Pillkallengebildet und die Stadt Pillkallen zum Verwaltungssitz des Kreises bestimmt.

Die Pillkaller Kleinbahn, die hauptsächlich dem Güterverkehr diente, wurde 1901 eröffnet und erreichte auf rd. 60 km Streckenlänge eine Vielzahl von Dörfern sowie die Stadt Schirwindt.

Bereits am 2. August 1914 durchstreiften russische Patrouillen das Kreisgebiet und kamen bis dicht an die Kreisstadt Pillkallen heran, wobei sie versuchten, die Bahnlinie Tilsit – Stallupönen durch Sprengung zu unterbrechen. Am 17. August wurden Pillkallen und Schirwindt eingenommen. Die russischen Truppen verhielten sich recht diszipliniert, auch wenn etliche Brände durch unsachgemäßen Umgang mit Feuer zum Zubereiten der Speisen ausbrachen und dadurch etliche Gebäude einäscherten. Im September konnten deutsche Soldaten die Stadt zurückerobern, doch bereits am 12. November waren die russischen Truppen erneut da und diesmal wurde auch geplündert und sinnlos zerstört. Dabei war es auf dem Land noch schlimmer als in der Stadt, wo 700 Zivilpersonen, darunter 120 Kinder, verschleppt wurden. In Schirwindt blieben nur 8 Gebäude unversehrt. Erst am 9. Februar 1915 wurden die Russen zum Abzug gezwungen.

Besonders schwer betroffen wurde die Pferdezucht. Bis etwa 1900 war der Kreis Pillkallen/Schlossberg eines der wertvollsten Hochzuchtgebiete Ostpreußens. Das Heer deckte hier 18 Prozent seines Pferdebedarfs aus vielen kleinen und den großen Betrieben. Diese im Kreisgebiet aufgebaute Pferdezucht ging im 1. Weltkrieg verloren, denn die Pferde fielen überwiegend den Russen in die Hände.

Als am 31. Juli 1944 sowjetische Panzerverbände nördlich von Neustadt/Naumiestis durchbrachen, erging ein teilweiser Räumungsbefehl für die Stadt Pillkallen/Schlossberg und den südlichen Teil des Kreises. Am 1. August wurden die an der Grenze liegenden Ortschaften sowie Teile des Kreisgebiets östlich von Schlossberg geräumt, am 16. September begann ein Großangriff auf den Verteidigungsriegel der 4. deutschen Armee, am 14. Oktober erfolgte der Räumungsbefehl für die Kreisstadt Pillkallen/Schlossberg und den westlichen Teil des Kreises, am 17. Oktober fiel Schirwindt. Die Flüchtlinge wurden im Kreis Wehlau untergebracht und von hier aus nahm mit der Offensive der Roten Armee am 13. Januar 1945 auch das Schicksal der Pillkaller/Schloßberger wie der aller anderen seinen Lauf. Neben Pillkallen/Schlossberg wurden Schirwindt, Willuhnen, Blumenfeld, Petershausen und Heinrichsfelde ziemlich vollständig zerstört.

Von der Pillkaller Kleinbahn hat eine Dampflok überlebt. Herr Arne Woest schrieb dazu:“ Gebaut wurde die Lok 1917 für 1 m Spurweite. Diese Lok wurde 1944 verladen und zur Reparatur nach Görlitz transportiert und hat so den Krieg überlebt. Nach dem Krieg fuhr diese auf der Spreewaldbahn bis zu deren Stilllegung. 1971 wurde diese Maschine nach Bruchhausen Vilsen verkauft. Dort ist die Lok noch bis heute auf der Strecke nach Asendorf im Einsatz.“[1]

Hochmoore und Torfbrüche im Kreisgebiet:

Westlich von Pillkallen gab es das 22 qkm große Torfmoor Königshuld, das mit über der Hälfte seiner Größe in den Kreis Tilsit-Ragnit hineinragte. Seine Wölbung betrug um die 6 Meter und je nach Witterung und Feuchtigkeit schwankt die Moordicke bis zu 2 Metern. Um 1900 zog man einige Entwässerungskanäle durch das Moor, um in den Randgebieten Landwirtschaftsflächen zu gewinnen.

Das Adlerswalder Moor mit einem Umfang von 13 qkm liegt mitten im Adlerswalder Forst. Hier befindet sich die Wasserscheide zwischen Pregel und Memel, indem ein Teil des Wassers in die Inster und der andere Teil in die Szeschuppe abfließt.

Das dritte große Moorgebiet war das 10 qkm große Königsbruch im Osten des Kreises nördlich von Schirwindt, offenbar auch die „Plinis“ (Hochmoor) genannt. Außerdem gab es eine größere Anzahl von Torfbrüchen. Insgesamt nahmen die Hochmoore eine Fläche von 3,5 % der Kreisfläche ein.

Die Szeschuppe (Ostfluß) entspringt nördlich von Suwalki, durchfließt litauisches Gebiet und bildet von Schirwindt bis Schillehnen/Schillfelde die 53 km lange Grenze zu Litauen, bevor sie bei Ragnit in die Memel mündet. Ihr größter Nebenfluss ist die Schirwindt. Die Gründung von Schillehnen geht auf König Friedrich Wilhelm I. zurück.

Einziger See im Kreis war der 1,18 qkm große Willuhner See. Der Gutsbesitzer Wallat hatte ihn 1841 vom Fiskus gepachtet und 1884 erworben. Er ist etwa 500 Meter breit und 4 km lang und war eine beliebte Zwischenstation der Zugvögel. Nach dem 2. Weltkrieg war er Teil des Truppenübungsgeländes und ist auch heute unzugänglich.


[1] mail arnewoest@hotmail.com vom 3. 5. 2014
[2] Julia Larina, Stadtuntergang – Schirwindt, das es nicht mehr gibt, Konrad-Adenauer-Stiftung e.V., 2019

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Literatur

Der Kreis Schloßberg

Der Kreis Schloßberg

Schloßberger Chronik Band 7

Schloßberger Chronik Band 7

Herausgegeben von der Kreisgemeinschaft Schloßberg/Pillkallen, 694 Seiten DIN A 4, Preis: 40 € zuzügl. Porto. Bestellungen an die Geschäftsstelle der Kreisgemeinschaft, Rote-Kreuz-Str. 6, 21423 Winsen (Luhe), Tel.. 04171 2400; Fax: 04171 2424

Die vorliegende Chronik ist vielleicht die letzte, in die sich Zeitzeugen eingebracht haben. Behandelt werden die Kirchspiele Blumenfeld, Ebenhausen, Eichbruch, Fohlental, Friedfelde, Grenzbrück, Hainort, Kiesdorf, Kurschen (mit der geretteten Chronik der Schule), Laschen, Lindenhaus, Mühlenhöhe, Petershagen, Reinkenwalde, Salten, Scharen, Schatzhagen, Schleswighöfen, Schwarpen, Schwarzwiesen, Siedlerfelde, Talwiesen, Treufelde, Weidenbruch.

Ortslagepläne mit Einwohnerlisten auf dem Stand von 1944, Dokumente, viele Bilder

Weitere Chroniken:
Band 1 – Der Kreis Schlossberg, Geschichte und allg. Übersicht
Band 2 – Kirchspiel Kussen
Band 3 – Kirchspiel und Stadt Schirwindt
Band 4 – Kirchspiel Willuhnen
Band 5 – Kirchspiel Schillfelde
Band 6 – Die Stadt Schloßberg

Alfred Partikel

Alfred Partikel

Partikel-Ausstellung in Ahrenshoop und Buch über Partikel von Katrin Arietta: Alfred Partikel. Die „gebrochene Fiktion der Idylle“, hrsg. von Günter Roese in Zusammenarbeit mit der Stiftung Kunstmuseum Ahrenshoop, MCM Art Verlag Berlin, 24,80 Euro, ISBN 978-3-9811946-5-4

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