Das Hohe Tor heißt heute Leninplatz (Ploschtschad Lenin). In der Mitte steht eine Lenin-Statue. Der blickt auf die Hohe Strasse, heute Straße des Sieges (Ulica Pobedy). Dort gibt es noch etliche alte mehrstöckige Wohnhäuser. Gleich links am Anfang der Hohen Strasse steht das ehem.Reitmeyersche Haus, in dem die Kreissparkasse Tilsit untergebracht war. An einem Jugendstilgebäude aus der Zeit um 1900 wurde eine Ordensritterfigur im 4. Stock angebracht. Das Schwert, das diese in Händen hielt, hat man jedoch entfernt.
Die gesamte Nordseite der Deutschen Straße zwischen Langgasse und Speichergasse einschl. des Hauses Nr. 24, des Napoleonhauses, fiel 1944/45 vollständig dem Krieg zum Opfer und wurde abgeräumt. Nur zur Luisenbrücke hin trifft man auf einige Gebäude aus deutscher Zeit sowie einen alten Speicher.
Von dem berühmten Architekten Erich Mendelsohn aus Allenstein gab es in Ostpreußen ohnehin wenig realisierte Gebäudeentwürfe. Neben der Leichenhalle in Allenstein hat immerhin das 1925/26 entworfene Haus der Loge der Drei Erzväter in Tilsit überlebt, ein Juwel der Baukunst des 20. Jhs.
Das Geburtshaus von Armin Müller-Stahl am Ende der Lindenstraße steht noch. Es ist ein vierstöckiger Jugendstilprachtbau mit Türmchen, Ziergiebeln und verschnörkelten Balkonen, in dem sich heute ein Studentenheim befindet und dessen Inneres entsprechend umgebaut wurde.
Am noch existierenden Geburtshaus von Max von Schenkendorf in der ehem. Packhofstraße 7/8 brachte man eine Gedenktafel in Russisch an, übersetzt: „In diesem Haus wurde der deutsche Dichter Max v. Schenkendorf geboren (1783 – 1817)“.
Das Rathaus von 1752 – 1755 gibt es nicht mehr. Desgleichen ist das neogotische Landratsamt verschwunden.
Die Denkmäler für Königin Luise und Max von Schenkendorf sind aus dem Stadtbild verschwunden. Das Schenkendorfdenkmal stand auf dem Schenkendorfplatz und der lag zwischen den beiden Hauptstraßen Deutsche Straße und Hohe Straße. Dafür stehen jetzt am Hohen Tor eine Leninstatue, in der Hohen Straße in einem kleinen Park anstelle des ehem. Hotels Reichshof ein Rotarmist mit der Inschrift „Vorwärts, dem Kommunismus entgegen“ und auf dem Anger ein Panzermonument – ein T-34-Panzer auf dem Sockel des Elchdenkmals.
Das Elchstandbild war in sowjetischer Zeit nach Königsberg verlagert worden, stand zuletzt im Tierpark, wurde aber aus Anlass des 100jährigen Jubiläums des Tilsiter Stadttheaters wieder nach Tilsit zurückgebracht. Bei den Bemühungen um die Rückführung des Tilsiter Wahrzeichens haben sich der Regionalforscher Isaak Rutmann gemeinsam mit dem städtischen Kulturamt und dem Museum äußerst engagiert hervorgetan.
Der preußische Ministerpräsident Braun hatte seinerzeit den Bildhauer Ludwig Vordermeyer beauftragt, ein Elchstandbild zu schaffen, dass er seiner Heimatstadt Königsberg schenken wollte. Der Oberbürgermeister von Königsberg lehnte das Geschenk jedoch ab. Als der Tilsiter Oberbürgermeister Dr. Salge davon hörte, bot er sofort einen würdigen Standort in Tilsit an und so kam der Elch 1928 in die Memelstadt und wurde nunmehr dort von Ministerpräsident Braun enthüllt. Im Gegensatz zum Gumbinner Elch, der bereits seit längerer Zeit wieder an seinen Heimatstandort zurückfand, schaut der Tilsiter Elch, aufgestellt am 29. 6. 1928 – nach links. Auf dem Anger stand er mit dem Kopf zum Theater und mit dem Hinterteil zum Gericht gewandt, so dass der Volksmund sagte, er kotze auf die Kunst und scheiße auf die Justiz. Dennoch nannten ihn die Tilsiter liebevoll „Gustav“. Der neue Standort der Tierplastik befindet sich auf einem gepflasterten Rondell an der Angerpromenade gegenüber dem Amtsgericht.
Die stark verfallsgefährdete Francksche Villa im Stil des französischen Barock, bisher als Kinderheim genutzt, will die Orthodoxe Kirche jetzt grundlegend sanieren und dort ein orthodoxes Gymnasium unterbringen. Die kommunale Verwaltung wird zu diesem Zweck die Villa an die Kirche veräußern.[1] Allerdings ist die ROK den von ihr übernommenen Pflichten des Denkmalschutzes nicht nachgekommen und die Villa verfiel noch weiter. Nunmehr soll ein privater Investor die Sanierung vornehmen. Das Gebäude wurde 1887/1888 für den Unternehmer Franz Frank gebaut. Bis zum Ende der deutschen Zeit wurden die Räumlichkeiten vermietet, u. a. an Vertreter der evangelisch-lutherischen Gemeinde, weshalb man das Haus auch als „Pastorenhaus“ bezeichnete. Nach dem 2.Weltkrieg befand sich hier zunächst das Militärregistrierungs- und Einstellungsamt, dann das Waisenhaus „Iskorka“, bis 2010 die ROK die Immobilie übernahm.[2]
Im Jahr 1827 gründete Louis Geiger in der Ragniter Straße/Ecke Fleischerstraße eine Brauerei. Aus dieser ging 1871 die Tilsiter Actien-Brauerei in der Teichstraße 14 – 17 hervor, die ein bedeutender und renommierter Bierproduzent wurde. Auf einem Gelände von 15.000 m² entstanden moderne Bierproduktionsräume, ein Sudhaus, ein Maschinenhaus, eine Abfüll- und Reinigungsanlage für Fässer und Flaschen, Eiskeller für Eis aus dem nahen Mühlenteich, Bürotrakt sowie zwei Direktorenwohnungen und geräumige Stallungen. Man produzierte Pilsener, Weißbier, Malzbier, Karamelbier und Mineralwasser – in den 1930er Jahren etwa 2,2 Mio Liter/Jahr. Im Herbst 1944 wurde die Produktion eingestellt, aber die alte Tradition des Bierbrauens, wesentlich ergänzt um das Produkt Kwas, wird fortgeführt durch die Brauerei Tilsitkrone, die 2022 ihre Tätigkeit aufnahm.[3]
[1] Ostpreußenblatt Nr. 2/2010 (15. 1.), S. 13
[2] Jurij Tschernyschew, Investor soll „Fränkische Villa“ retten, Oprbl.Nr.10/2018 (8. März), S. 13
[3] Hans Dzieran, Von „Tilsitkoje“ und „Koroljewa Luise“ bis zu „Paragraf 77“, Oprbl. Nr.15/2022 (14. April), S. 13; Hans Dzieran, Neues Leben in Tilsiter Actien Brauerei, Tilsiter Rundbrief, Pfingsten 2022, S. 22 ff