Am Gutshaus von Lamgarben wurde 1998 vom Ermländisch-Masurischen Verband deutschstämmiger Landfrauen eine zweisprachige Gedenktafel angebracht, gestiftet vom Niedersächsischen Landfrauenverband, mit folgendem Text: „Hier lebte und wirkte in den Jahren 1880 – 1911 die Begründerin der Landfrauenbewegung Elisabet Boehm, geb. Steppuhn. Vor 100 Jahren reifte hier eine Idee, die heute Landfrauen auf der ganzen Welt verbindet. Garbno (Lamgarben) – 1998“. Die deutsche Landfrauenbewegung feierte 1998 im Berliner Olympiastadion ihr 100jähriges Bestehen. Die Boehms gaben 1911 die Bewirtschaftung des Gutes auf und zogen nach Königsberg, 1925 nach Halle.
Elisabet Boehm (27. 9. 1859 – 30. 5. 1943) wurde als viertes Kind des Gutsverwalters und Reichstagsabgeordneten Hermann Steppuhn und seiner Ehefrau Emilie, die der Kaufmannsfamilie Noggerath entstammte, auf der Domäne Rastenburg geboren. 1862 erwarb Vater Steppuhn das Rittergut Liekeimen bei Bartenstein und die Familie siedelte dorthin über. In jungen Jahren wurde Elisabet von einer schweren Rachitis geplagt. Mit ihrem wachen Verstand konnte sie sich dennoch auf dem väterlichen Hof viele Kenntnisse aneignen, die man zur Führung einer Landwirtschaft benötigt. Am 7. 8. 1880 heiratete sie den ehemaligen Fähnrich Otto Boehm, Sohn des wohlhabenden Gutsbesitzers von Glaubitten, und zog auf das heruntergewirtschaftete Gut Lamgarben, das der alte Boehm seinem Sohn gekauft hatte. Elisabet musste hier gründliche Aufbauarbeit leisten, entdeckte dabei viele Defizite der eigenen Ausbildung und kam im Laufe der Zeit auf die Idee, eine Selbsthilfeorganisation für Landfrauen aufzubauen.
Sie trat in einen Gedankenaustausch mit einems kleinen Kreis von zunächst vier Frauen und gründete dann am 2. 2. 1898 in Rastenburg auf einer Versammlung von 15 Frauen den ersten „Landwirtschaftliche Hausfrauen Verein“ mit dem Ziel, der ländlichen Hausfrau berufliche, wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungsmöglichkeiten zu eröffnen und der Hausfrauenarbeit als Beruf Geltung zu verschaffen.
Die Landfrauenbewegung breitete sich schnell aus. Den Anfang machte 1900 Bartenstein . durch das Engagement von Elisabets Schwester Marta, 1903 folgten Lötzen, Gumbinnen, Insterburg, Gerdauen, Cranz und Königsberg.[1] Schon 1905 gab es 14 regionale Vereine, die sich zu einem ostpreußischen Provinzialverband zusammenschlossen. Elisabet Boehn präsidierte. In der Folge gründeten sich Vereine in ganz Deutschland. 1916 wurde der Reichsverband gegründet, dem Elisabet Boehm ebenfalls vorstand. Systemtisch wurde ein Nutzgeflügelzucht aufgebaut und 1912 das erste Geflügelzuchtbuch gegründet. Die <b>Biene als Symbol des Fleißes</b> wurde zum Symbol der Landfrauenbewegung und diente auch als eine Art Markenzeichen für frische landwirtschaftliche Produkte wie z. B. der Bienenstempel auf den Eiern, die erfolgreich in eigenen Verkaufsstellen vermarktet wurden. Ein Schwerpunkt der Vereinsarbeit war die Entwicklung eines eng an der Praxis orientierten ländlich-hauswirtschaftlichen Lehrlingswesens, das später als Grundlage für die Ausbildung zur Lehrerin der landwirtschaftlichen Haushaltungskunde und der Meisterin der ländlichen Hauswirtschaft diente. 1912 wurde so die Landfrauenschule in Metgethen gegründet. Die landwirtschaftlichen Lehrerinnen, die hier ausgebilet wurden, übernahmen dann Mädchenklassen in den bäuerlichen Winterschulen aller Kreisstädte, berieten die Bäuerinnen und baaufsichtigten die Lehrstellen für Hauswirtschaftsehrlinge. Ein Lehrlingsmädchen wurde für zwei Jahre in den bäuerlichen Hausahalt aufgenommen und in alle Arbeitsbereiche der ländlichen Hauswirtschaft eingeführt. Das Arbeitsspektrum umfasste die Teilbereiche Kochen, Einwecken, Backen, Schlachten, Wäsche, Hausarbeit, Milchwirtschaft, Geflügelhaltung, Gartenbau, Schweine- und Kälberaufzucht und Nadelarbeit. Die erworbenen Kenntnisse wurden zum Abschluss der Lehre vor einer Prüfungskommission nachgewiesen, erstmals am 22. 3. 1921 in Halle und im selben Jahr im ostpreußischen Moditten.[2] Erste Direktorin der Metgethener Schule war Irene Freiin von Gayl.
1925 wurde Elisabet Boehm nach Berlin berufen, um den Reichsverband Landwirtschaftlicher Hausfrauenvereine zu leiten. Ihre Nachfolgerin in Ostpreußen wurde Erna Siebert-Carben, die nach dem Krieg in Hannover die vertriebenen Landfrauen wieder sammelte. 1927 schloß sich der LHV dem Internationalen Verband der Landwirtschaft an und 1929 wurde der Reichsverband Mitglied im neugegründeten Weltlandfrauenverband.
1929 erhielt Elisabet Boehm die Ehrendoktorwürde der Universität in Königsberg verliehen. Im selben Jahr, an ihrem 70. Geburtstag, trat sie als Vorsitzende des Reichsverbandes der landwirtschaftlichen Hausfrauenvereine zurück.[3] Die Nazis lösten den Verband 1934 auf. Nach dem Krieg wurde 1948 die alte Satzung des Rastenburger landwirtschaftlichen Hausfrauenvereins der Satzung des neu gegründeten “Deutschen Landfrauenverbandes” zugrunde gelegt.
Die Familie Boehm war bekannt mit der Familie Blaskowitz, der der General Johannes Blaskowitz entstammt. Eine der Töchter des Ehepaars Blaskowitz und Schwester von Generaloberst Johannes Blaskowitz, Elfriede Blaskowitz, wurde von der Familie Otto und Elisabeth Böhm geb. Steppuhn als Waise und Pflegeschwester für die am 11. 11. 1881 geborene einzige Tochter Ellen Boehm in die Familie aufgenommen.
[2] Chista Wank, Ursel Burwinkel, Elisabeth Boehm – Bedeutende Frau aus dem deutschen Osten, abgedruckt in Masurische Storchenpost. März 2022, S. 28 f
[4] Dr. E. Neumann-Redlin von Meding, Elisabet Boehm…, Königsberger Bürgerbrief, Winter 2015, S. 33