Rudziszki – Raudischken/Raudingen
Das gut erhaltene Herrenhaus des hiesigen Gutes befindet sich nur 2 km von der Grenze zu Nordostpreußen entfernt. Es entstand ursprünglich im 17. Jh. – vermutlich um 1627, wurde 1800 – 1820 vermutlich umgebaut. Eine Erweiterung mit Küchenräumen, Gutsbüro, Kutscherwohnungen etc. erfolgte 1910. Dabei ergänzte man das Hauptgebäude an der Südseite um einen senkrecht dazu gestellten Flügelanbau (Quelle: Heinz Possekel aufgrund der Lebenserinnerungen von Gerd von Below).
Das Dorf Raudischken, am 16. 7. 1938 in Raudingen umbenannt, wurde unter Dietrich von Schlieben (1605 – 1652) in der damals zu den Schliebenschen Besitzungen gehörenden Wildnis angelegt und 1627 erstmals urkundlich erwähnt.
Im Besitz der Familie von Schlieben blieb das Rittergut Raudischken, bis es nach 1771 für 46.000 Rtlr. an den Major Friedrich Casimir Freiherr von Funck (1720 – 1793) aus Kurland verkauft wurde. Die Erben veräußerten das Gut und nach weiteren Besitzwechseln erwarb um 1835 Eduard Hasford (1797 – 1871) das Gut in Raudischken. Anno 1895 betrug seine Fläche einschließlich Vorwerken 756 ha. 1906 kaufte es Otto von Below (1869 – 1938) mit teilweiser finanzieller Unterstützung seines Schwiegervaters Wilhelm Graf von Zitzewitz in Pommern, und bis 1945 blieb es in dieser Familie. 1910/11 erfolgte ein neobarocker Umbau des Wohnhauses.
Die Schäden am Gutshaus, den die Russen im 1. Weltkrieg angerichtet hatten, waren bald behoben und die nach Pommern geflüchtete Familie konnte wieder nach Raudischken zurückkehren. Die wirtschaftlich schwierigen Jahre nach dem 1. Weltkrieg machten auch vor Raudischken nicht Halt. Um 1930/31 erfolgte die Aufsiedlung durch die Siedlungsgesellschaft. Einschließlich Vorwerk wurde das Land in 49 Neusiedlerareale aufgeteilt. Der Familie von Below verblieb das Herrenhaus mit Park und 20 ha Ackerland sowie etliche Hektar Wald.
Die Geschichte der Familie von Below von 1904 – 1994 ist nachzulesen in „Meine Lebenserinnerungen – als Zeitzeuge eines bewegten Jahrhunderts“ von Gerd von Below. Das Buch ist zu beziehen über Dr. Fritz von Below, Nordstr. 58, 52078 Aachen, email fritz.v.below@t-online.de
Die Einwohner von Raudischken begaben sich am 19. Januar 1945 auf die Flucht. Der Treck brach noch vor dem Frischen Haff auseinander und nicht jede der nun auf sich allein gestellten Familien gelangte bis in den Westen des Reichs. Nach dem 2. Weltkrieg, das Raudischken weitgehend unbeschadet überstanden hatte, war im Herrenhaus zunächst der polnische Grenzschutz stationiert und anschließend zog eine Trinkerheilanstalt ein. Das Haus brannte 1950 aus, woraufhin beim Wiederaufbau das ursprüngliche Mansardendach durch ein Walmdach ersetzt wurde. Heute befindet sich hier ein Heim für geistig Behinderte. Auch etliche Neusiedlerhäuser und der Getreidespeicher von 1913 haben überlebt. Die achteckige Schmiede befand sich bereits 2006 im Zustand des Verfalls. Der Bahnhof und andere grenznahe Gebäude sowie alle Bauten auf dem in der Oblast Kaliningrad gelegenen Siedlungsteil und dem Vorwerk Bräsigswalde wurden abgerissen.
Vor dem Haupteingang erstreckt sich auch heute noch eine repräsentative ovale Auffahrt, umgeben von einem im englischen Stil angelegten Garten. Der Wirtschaftstrakt mit großem Gutsteich liegt auf der Nordseite der Anlage.
Eine gute Dokumentation für die Gemeinde Raudischken fand man unter www.raudischken.de von Heinz Possekel. Viele Details und etliche Bilder finden sich bei Wulf D. Wagner „Kultur im ländlichen Ostpreußen“. Geschichte, Güter und Menschen im Kreis Gerdauen, Band II“, Husum Verlag 2008, S. 982 -996