Rinderzucht in Ostpreußen

Das Bild zeigt die 1927 auf einer Fachausstellung in Dortmund gezeigten Hochleistungsrinder aus Tykrigehnen.

Durch die Jahrhunderte waren die Rinder in Ostpreußen nur Dunglieferanten, dienten allenfalls der Eigenversorgung oder der Belieferung eines eng begrenzten lokalen Marktes, denn die Tiere, ihr Fleisch und ihre Milchprodukte vertrugen keine lang dauernden Transporte. Erst die Eisenbahn eröffnete die Möglichkeit, Rinder und ihre Produkte auf den lukrativen westlichen Absatzgebieten des Deutschen Reichs zu vermarkten. Für dieses Geschäft brauchte man aber mehr Vieh und vor allem ausgezeichnete Qualitäten.

Die Erfahrung der Züchter zeigte, dass die holländischen und friesischen Rinder sich am besten für die harten klimatischen Bedingungen in Ostpreußen eigneten. Um die Züchtung der besten Rinder systematisch und effizient zu bewerkstelligen, gründete man 1882 die „Ostpreußische Holländer Herdbuchgesellschaft“.  Die Holländer tauchen deshalb im Namen auf, weil die Tiere aus Holland mit ihrem Wuchs und ihren Milchleistungsqualitäten zunächst die Basis für die Züchtung bildeten. Man verschaffte sich die besten Rinder aus Holland, Friesland und Jeverland und züchtete daraus ein überaus widerstandsfähiges schwarzbuntes Niederungsvieh mit hohen Milchleistungen und viel Fleisch. Durch geeignete Zuchtmaßnahmen, optimale Fütterung, Verbesserung der Hygiene und intensive Pflege optimierte man die Faktoren Körperformen, Konstitution, Anpassungsfähigkeit und Leistungen. In einem „Herdbuch“  wurden genauestens die Daten über Geburt, Abstammung, Merkmale wie Typ, Körperbau, Leistung sowie über den Verbleib eingetragen, aber nur dann, wenn sie die Mindestanforderungen einer streng urteilenden Kommission erfüllten. Ständige Leistungsmessungen gaben Auskunft über die Fortschritte der Züchtung.

Der Rinderbestand erhöhte sich dank der gezielten Aktivitäten der Ostpreußischen Holländer Herdbuchgesellschaft von 1882 bis 1939 um mehr als 50 % auf 1,4 Mio Stück bei wesentlich gesteigerter Qualität.  Die Rekordkuh „Quappe“ vom Gut Palmnicken lieferte in einem Jahr 14.708 kg Milch und der Rekordbulle „Neptun“ brachte 1.250 kg auf die Waage.  1939 gehörten der Ostpreußischen Herdbuchgesellschaft 4.731 Mitglieder an, zu denen 304.261 Herdbuchtiere gehörten. Das waren 22,3 % des Rinderbestandes (Dr. Hans Bloech, Ostpreußens Landwirtschaft, S. 94).

Die Herdbuchgesellschaft zählte zuletzt, 1942, über 6000 Mitglieder und war damit die größte Züchtervereinigung Europas. Viele dieser wertvollen Rinder wurden im Krieg notgeschlachtet, abtransportiert oder kamen einfach mehr oder minder qualvoll um. So brutal endete der Stolz vieler Generationen ostpreußischer Landwirte und Rinderzüchter.

Die heute in Ostpreußen anzutreffenden schwarz-weißen Tieflandrinder basieren auf Importen der 1950er und 60er Jahre aus Holland und aus der Bundesrepublik und dabei vorwiegend aus Ostfriesland mit Oldenburg und aus Schleswig-Holstein. Es gibt aber eine ganz neue Entwicklung auf dem Rindersektor, und zwar im russischen Nordostpreußen. Die größten Güter Ostpreußens hatten landwirtschaftliche Betriebsflächen in der Größenordnung von 6.000 Hektar. Die Güter wurden abgelöst durch Kolchosen, die mit dem Untergang der Sowjetunion in die Pleite gingen. Um das Jahr 2015 hat die Moskauer Gesellschaft Miratorg in der Oblast Kaliningrad ca. 50.000 Hektar Landwirtschaftsfläche aufgekauft und darauf eine Weidefläche für eine riesige Rinderherde angelegt. Das war ohne Weiteres möglich, weil die einst dort existierenden Dörfer nach dem 2. Weltkrieg eingeebnet wurden, weil sie der sozialistischen Kollektivierung im Weg waren. Im Jahr 2012 importierte das Unternehmen etwa 12.000 Rinder der Rasse Aberdeen-Angus aus den USA für Rindermast und Schlachtung. Daraus sind bis 2017 etwa 50.000 Tiere geworden

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