Durch die Jahrhunderte waren die Rinder in Ostpreußen nur Dunglieferanten, dienten allenfalls der Eigenversorgung oder der Belieferung eines eng begrenzten lokalen Marktes, denn die Tiere, ihr Fleisch und ihre Milchprodukte vertrugen keine lang dauernden Transporte. Erst die Eisenbahn eröffnete die Möglichkeit, Rinder und ihre Produkte auf den lukrativen westlichen Absatzgebieten des Deutschen Reichs zu vermarkten. Für dieses Geschäft brauchte man aber mehr Vieh und vor allem ausgezeichnete Qualitäten.
Der Rinderbestand erhöhte sich dank der gezielten Aktivitäten der Ostpreußischen Holländer Herdbuchgesellschaft von 1882 bis 1939 um mehr als 50 % auf 1,4 Mio Stück bei wesentlich gesteigerter Qualität durch geeignete Zuchtmaßnahmen, optimale Fütterung, Verbesserung der Hygiene und intensive Pflege. Man verschaffte sich die besten Rinder aus Holland, Friesland und Jeverland und züchtete daraus ein überaus widerstandsfähiges schwarzbuntes Niederungsvieh mit hohen Milchleistungen und viel Fleisch. Die Rekordkuh „Quappe“ lieferte in einem Jahr 14.708 kg Milch und der Rekordbulle „Neptun“ brachte 1.250 kg auf die Waage.
In einem „Herdbuch“ wurden genauestens die Daten über Geburt, Abstammung, Merkmale wie Typ, Körperbau, Leistung sowie über den Verbleib eingetragen, aber nur dann, wenn sie die Mindestanforderungen einer streng urteilenden Kommission erfüllten. Die Herdbuchgesellschaft zählte zuletzt über 6000 Mitglieder mit ca. 140.000 Herdbuchtieren und war damit die größte Züchtervereinigung Europas. Viele dieser wertvollen Rinder wurden im Krieg notgeschlachtet, abtransportiert oder kamen einfach mehr oder minder qualvoll um. So brutal endete der Stolz vieler Generationen ostpreußischer Landwirte und Rinderzüchter.
Die heute in Ostpreußen anzutreffenden schwarz-weißen Tieflandrinder basieren auf Importen der 1950er und 60er Jahre aus Holland und aus der Bundesrepublik und dabei vorwiegend aus Ostfriesland mit Oldenburg und aus Schleswig-Holstein.