Rittergut Wiese einst und jetzt

Den nachfolgenden Zeitungsartikel und die Bilder übersandte Herr Lutz Böhnert. Dieser Artikel ist im Privatbesitz von Lutz Böhnert, dessen Urgroßvater Heinrich Böhnert mit seiner Familie 40 Jahre lang auf dem Rittergut Wiese als Stellmachermeister gelebt und gearbeitet hat. Für die Parklandschaft zuständig war der Gärtnermeister “Puschke”, der im gleichen Haus wie die Böhnerts wohnte

Kontaktaufnahme bitte unter der mail-Adresse lutzboehnert@gmx.de

Schöne Herrschaftssitze in unserer Heimat  – Rittergut Wiese Kreis Preußisch Holland

Ein Artikel aus der “Elbinger Zeitung Nr.33” aus dem Jahre 1932

Eine heiße Sommersonne atmet ihren glühenden Hauch aus.

Wie flammende Speere bohren sich die Sonnenstrahlen aus einem wolkenlosen Himmel zur Erde, die ihren diesjährigen Erntesegen in so reichem Maße spendet, als wollte sie allen Anhängern der Autarkie und ihren Wirtschaftsthesen recht geben, daß das deutsche Volk sich selbst ernähren und sich somit völlig vom Ausland unabhängig machen kann. Ratternd und klappernd wühlen sich die langen Flügel der Schneidemaschinen tief in die goldenen Fruchthalme der Getreidefelder. Schwerbeladen wankt der Wagen, haushoch mit den kornbeschwerten Garben aufgebaut über den ausgedorrten Ackerboden , gezogen von vier Pferden, die sich mit aller Wucht und Kraft schwer in die Sielen legen. Flimmernd liegt die Gluthitze auf den kahl gehauenen Stoppeln, lässt in optischer Täuschung alle Gegenstände Feld, Wege und Wiesen vibrieren und zittern. Nur die Elbinger und der Buchwalder Hospitalforst, die sich von Buchwalde und Canthen her auf Reichenbach und Nahmgeist vorschiebt, um den Oberländischen Kanal bei den geneigten Ebenen zu schützen und zu sichern, steht fest und abwehrend den Angriffen der Sommerhitze gegenüber und bietet einen wirksamen Hintergrund zu dem entzückenden Landschaftsbild, das die grüne Schwelle des Oberlandes bietet. Inmitten dieser sommerlichen Pracht und diesen Erntesegens liegt das Rittergut Wiese. So einfach und schlicht sein Name ist, so köstlich ist die grüne Herrlichkeit, die wunderbare Ruhe und wohltuende Stille, die diesen Landsitz umschließt. Unter den Kronen alter Bäume, umsäumt von verschnittenen Heckenmauern, liegt wie verträumt dieses Juwel ländlicher Schönheit unseres Ostens. Den Mittelpunkt bildet das Herrschaftshaus der Herren von der Groeben, ursprünglich eines der anheimelnden Barockbauten, die nicht hochstrebend Raum nach oben suchen, sondern sich behaglich dem Charakter der flachen Landschaft anpassen und einfügen, in die Breite gehen, eine monumentale Note verkörpern. Vor etwa zwei Jahrhunderten mochte der Bau errichten worden sein, der Gutsherr hatte eine Steinpforte mit eingebaut, welche die Jahreszahl 1727 trägt. Dann mag das einstöckige Haus zu eng geworden sein, und man komponierte bei dem Ausbau des Mansarddaches zu einem vollen Stockwerk den Barock- mit dem englischen Tudorstil, der am Anfang der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts sich in Deutschland solcher Beliebtheit erfreute. So bedauerlich der Verlust der geschlossenen Einheitlichkeit des in unsere heimatliche Landschaft so wunderbar passenden ostpreußischen Barocks auch ist, so entstand dadurch auf der anderen Seite ein Bau, der in Verbindung mit dem wunderbar gehaltenen Park an die Herrensitze Englands gemahnt, die ebenfalls ihre eigenartige Schönheit durch die vollendete Harmonie des Landhauses mit seiner Umgebung erhalten. Es ist ein wunderbar schöner Anblick, wenn man aus der Sommersonnenhelle auf dem breiten Anfahrtswege und aus dem Schatten hoher Bäume plötzlich dieses Fleckchen Erde betritt, das in seiner Stille und Abgeschlossenheit nicht vermuten lässt, daß es eines der erfolgreichsten Arbeitstätten auf landwirtschaftlichem Gebiete ist. Der Ruhm seiner Schafszucht als der ältesten Stammzucht des Merinofleischschafes in Ostpreußen ist über das ganze Deutsche Reich verbreitet. In mehreren großen Herden belebt das wertvolle Zuchtmaterial das Landschaftsbild, und mit der gesamten Nachzucht wächst der Bestand zuzeiten bis auf 1500 Schafe. Die zahllosen Prämierungen und Auszeichnungen auf großen landwirtschaftlichen Ausstellungen geben ein äußeres Bild von dem, was die Stammherde Wiese für die deutsche Schafszucht bedeutet. Ein solcher Ruf und solche Erfolge auf züchterischem Gebiet können natürlich nicht die Frucht weniger Jahre sein, und so gehen die Ursprünge der Hochzucht Wiese bis in die 60er Jahre des vorigen Jahrhunderts zurück. Aber diese Schafszucht die den Namen Wiese in landwirtschaftlichen Kreisen so bekannt gemacht hat, ist natürlich nur ein Teilbetrieb der heute mit den Vorwerken Reichenbad, Bardeleben und Bodek rund 3500 Morgen umfassenden Begüterungen, zu welcher bis zum Jahre 1910 noch die Güter Marwitz und Hirschfeld gehörten und die zu Anfang dieses Jahrhunderts in einer Gesamtgröße von annähernd 8000 Morgen in den Besitz der Familie von der Groeben kam.

In dieser Zusammensetzung und früher noch zusammen mit dem Gute Hansdorf bei Elbing ist die Herrschaft Wiese Generationen lang stets in einer Hand gewesen. Sie hat mindestens von 1700 an der jetzt ausgestorbenen Familie Bodek angehört, nach der das gleichnamige Vorwerk benannt ist. Die letzte Erbtochter von Bodek heiratete ein Grafen Hülsen, durch deren Tochter der Besitz wiederum in die Familie von Sanden kam. Aber Frau von Sanden konnte das Gut nicht halten, sondern musste es an die Familie Frankenstein verkaufen. Es heißt, dass der Zusammenbruch, nachdem der wundervolle Besitz bisher immer nur durch Erbgang in andere Hände gekommen war, den Vorwurf für den berühmten Roman Gustav Freytags “Soll und Haben” geliefert hat.

Aus dem Herrschaftshaus, noch ganz im Banne eines wunderbaren Lehnbachschen Bismarckbildes, aus dem das stahlharte Auge des Altreichskanzlers dem Beschauer tief ins Allerinnerste dringt, treten wir durch den Anbau des Wintergartens in die zweite Berühmtheit von Wiese: In seinen Herrschaftlichen Park! Es ist als ob die Natur all die Liebe, Sorgfalt, und Pflege, die man ihr angedeihen lässt, in tausendfältiger Dankbarkeit vergelten wollte. Dieser Park strömt den ganzen Zauber einer gepflegten Landschaft nach dem Muster englischer Gartenkunst aus. Inmitten prachtvollen Rasens erheben sich uralte Bäume in malerisch zusammengestellten Gruppen, deren tiefe Schatten einen wunderbaren Kontrast zu dem lichtdurchfluteten Grün der weiten Flächen bilden. Zwei Teiche, an ihrem Berührungspunkt durch eine Brücke verbunden , die an beiden Ufern durch herrliche Hängeweiden flankiert werden. Auf dem Teich selbst geht es lebhaft zu. Allerlei Wassergeflügel, das sonst nur in freier Wildbahn zu leben gewohnt ist, ist hier heimisch und mit Menschen vertraut. Majestätisch furchen Schwäne den Wasserspiegel, in eleganten Bogen, den Hals zurückgeworfen und die Flügel gespreizt, ein Schoof Wildenten gründelt mit großem Eifer und sogar Wildgänse haben in diesem landschaftlichen Idyll auf den Anschluss an ihre gen Norden ziehenden Fluggefährten verzichtet, die alljährlich in der bekannten Dreieckform mit heiserem Geschrei hoch in den Lüften über unsere Heimat ziehen. Ein entzückendes Bild, wie selbstverständlich in die Landschaft hinein gesetzt, ist auf dem Giebel eines alten Gutshauses ein Storchnest, das sich mit seinen Insassen und einer malerischen Baumgruppe auf der Wasserfläche spiegelt. Auf Schritt und Tritt über den samtweichen Parkwiesen ein anderes Bild voller Schönheit, Leben und Lieblichkeit! Nur schweren Herzens reißt sich der Beschauer und Naturfreund los und lange noch klingt und tönt die Erinnerung an das wundervoll gelegene Wiese und die ausgesprochene Gastfreundschaft und Liebenswürdigkeit seines Gutsherrn nach.

( Anmerkung Böhnert : Wahrscheinlich der Sohn der Groebens Gerd von der Groeben)