Rößel

Historische Chronologie für die Stadt Rößel

• Zwei Steilabhänge der Zaine/Eiser-Bach (Sajna) boten günstige Bedingungen für eine Wehranlage. Schon 1241 ließ der sich gerade an der Ostseeküste entlangkämpfende Orden in einem Landzipfel, der mitten in die Wildnis hineinragte, ein Festes Haus aus Erde und Holzpalisaden, von Schutzgräben umzogen, errichten, um eine wichtige Handelsroute vom Frischen Haff über Lidzbark Warminski – Heilsberg nach Polen zu schützen. Der Name der Befestigung, der auf die spätere Siedlung überging, leitete sich von der prußischen Festung Resel ab, die ungefähr vier km weiter nördlich gestanden hatte.

• Schon ein Jahr nach der Gründung eroberten aufständische Prußen den Befestigungspunkt und machten die Besatzung nieder, aber der Orden veranlasste sofort den Wiederaufbau. Beim Großen Prußenaufstand gaben die Leute des Ordens 1262 diese weit vorgeschobene Wehranlage selbst auf, machten sie funktionsunfähig und retteten sich über Schleichwege durch feindliches Gebiet in eine vom Orden noch gehaltene Burg.

• Als der Aufstand vorbei war, ging man 1273 an den Wiederaufbau, übergab den Stützpunkt dann aber dem Bischof des Ermlands, weil diesem das Land hier zugesprochen worden war

• Der Bischof bestimmte Elerus aus Braunsberg zum Lokator für eine Siedlung, die neben der Wehranlage entstehen sollte. Für die Gründung dieser Stadt gewann Elerus hauptsächlich Leute aus seiner Heimatstadt Braunsberg. Rößel erhielt 1337 das Stadtprivileg und dieses Jahr gilt als Gründungsdatum

• Mit Genehmigung des Bischofs Hermann von Prag (1338 – 1349) siedelten sich in der Nähe der Burg ab 1347 Augustinermönche an

  • Im dreizehnjährigen Städtekrieg 1454 – 1466 schlug sich Rössel zunächst auf die Seiten des Preußischen Bundes, verhandelte jedoch bereits ein Jahr später mit dem Orden, um in dessen Obhut zurück zu kehren. Vermutlich hatte dabei der amtierende Bischof Franz Kuhschmalz, ein überzeugter Anhänger des Ordens, seinen Einfluß geltend gemacht. Da Rössel dennoch im Laufe des Bürgerkrieges von den Söldnern beider Seiten ausgeplündert und zerstört wurde, erlitt die Stadt nachhaltige Schäden. Mit dem 2. Frieden von Thorn kam Rössel zusammen mit dem Ermland unter die Hoheit des Königs von Polen[1]
  • Im Pfaffenkrieg 1479 konnte sich Rössel gegen die Truppen des abgesetzten Bischofs Nikolaus Tüngen behaupten. Im Reiterkrieg Albrechts von Hohenzollern gegen seinen Onkel Sigismund, König von Polen, 1519 – 1521, hielten die Befestigungsanlagen dem Ansturm der Ordenssöldner ebenfalls stand. Danach verlor die Burg ihre militärische Bedeutung, wurde dafür aber zum beliebten Aufenthaltsort der ermländischen Bischöfe.[2]
  • Nach 1736 zog der bischöfliche Burggraf um nach Satopy Samulewo – Santoppen, wo sich mit einer bischöflichen Residenz das damals größte Gestüt des Ermlands befand. Als das Ermland 1772 preußisch wurde, übergab man 1775 die Burgkapelle der evangelischen Gemeinde und 1780 beschloss man, die Burg zu einem Gefängnis umzubauen. Im Turm richtete man ein Spirituslager ein, das samt Turm 1806 abbrannte
  • Als die Häftlinge 1806 Wind davon bekamen, dass Napoleon im Anmarsch sei, entfachten sie einen Aufstand und zündeten ihre Zwinganstalt an. Fast die ganze Burg brannte aus[3], aber der Brand vernichtete offenbar auch große Teile der Stadt. Zu den wenigen verschonten Gebäuden gehörte die Gymnasialkirche des Klosters. Der Wiederaufbau begann unmittelbar danach, dauerte jedoch bis in die 1840er Jahre
  • 1807 fand in Rößel die letzte staatlich betriebene Hexenhinrichtung Europas statt, weil man die Magd Barbara Zdunk, Mutter von vier unehelichen Kindern, verdächtigt hatte, durch Zauberkraft den großen Stadtbrand gelegt zu haben
  • Bald nach dem Brand begann der Wiederaufbau. Dabei wurde verboten, strohgedeckte Häuse aus Holz zu errichten. Die Grundstücke wurden kleiner, die Straßen breiter, die Stadtmauern wurden abgebrochen, die Burg der evangelischen Gemeinde überantwortet.[4]

• Seit der preußischen Verwaltungsreform 1818 war Rößel das Verwaltungszentrum eines Landkreises. Der Landrat hatte seinen Sitz auf seinem eigenen Gutshof, der sich in der Nähe der Stadt befand.

  • Erst zur Zeit des Landrats Frhr. v. Schroetter, der 1857 das Gut Rheindorfshof bei Rößel gekauft hatte, verlegte man das Landratsamt in die Stadt. Als jedoch derselbe Landrat das gerade erworbene Gut 1862 wieder verkaufte und sich dafür in Kobulten, 10 km südlich von Biskupiec – Bischofsburg, ansiedelte, verlegte man auch das Landratsamt nach Bischofsburg – immerhin aufgrund allerhöchster königlicher Order von 1862 nach entsprechendem Antrag der Kreisstände, und so blieben die Verhältnisse bis 1945

• Anschluss an das Eisenbahnnetz 1908

• Vom 7. bis 11. 9. 1914 schlugen Hindenburg und Ludendorff ihr Generalsstabsquartier im Zeichensaal der Taubstummenanstalt von Rößel auf und leiteten von hier aus die Schlacht an den Masurischen Seen

• Im 2. Weltkrieg blieben die Gebäude von Rößel ziemlich ungeschoren, doch in der Zeit danach verfiel ein großer Teil der Bausubstanz

• Seit 1981 bemüht man sich um eine Sicherung und Wiederherstellung des Altstadtkerns und in der Folge wurde Rößel in die Liste des Weltkulturerbes der UNESCO aufgenommen

Prominenz:

Martin A. Borrmann (10. 9. 1895 – 30. 11. 1974), wurde in Rößel als Sohn eines Pfarrers und Geistlichen geboren, der seit 1903 Leiter des Diakonissen-Mutterhauses der Barmherzigkeit in Königsberg war und der in dieser Funktion die Gründung des Mutterhauses Bethanien in Lötzen betrieben hatte. Das “A” hintter Martin sollte später verdeutlichen, dass er nicht mit dem Hitler-Adlatus Martin Bormann vewechselt wird. Martin war Schüler des Friedrichs Kolleg in Königsberg. In dieser Zeit betätigte er sich nebenbei als Organist in der Altroßgärtner Kirche und in der Kapelle des Krankenhauses der Barmherzigkeit, die von Diakonissen betreut wurde. Studium der Medizin in Berlin, Bonn, Königsberg und München. 1920 erste literarische Veröffentlichungen. Die “Frankfurter Allgemeine Zeitung” schickte ihn als Reiseschriftsteller nach Indonesien. In dieser Episode erschien das Buch “Sunda” (1925). 1929 – 1933 arbeitete er als Dramaturg am renommierten Königsberger Neuen Schauspielhaus, was der neue politische Geist durch Entlassung beendete. Für den Sender Königsberg verfasste er drei Sendungen zu musikalischen Suiten von Otto Besch über Masuren, das Samland und die Kurische Nehrung.[5] Von 1945 – 1955 lebte Borrmann unter dem Pseudonym “Matthias Born”. Seit 1958 war er durch eine Krankheit an den Rollstuhl gefesselt und erlit in der Folge eine halbseitige Lähmung, was ihn aber nicht verbitterte. Max Brod hat ihn bekannt gemacht, Thomas Mann hat ihn akzeptiert, mit Agnes Miegel war er befreundet. 1961 erhielt er den Ostpreußischen Kulturpreis. Neben Novellen, Erzählungen und Features für den Rundfunk schrieb er den Roman „Trampedank – Vom Glück der Pechvögel“ (1960).


[1] Malgorzata Jackiewicz-Garniec/Miroslaw Garniec, Die Burgen im Deutschordenssaat Preußen, Olsztyn 2009, S. 378
[2] Malgorzata Jackiewicz-Garniec/Miroslaw Garniec, Die Burgen im Deutschordenssaat Preußen, Olsztyn 2009, S. 379
[3] [1] Malgorzata Jackiewicz-Garniec/Miroslaw Garniec, Die Burgen im Deutschordenssaat Preußen, Olsztyn 2009, S. 380
[4] [2] Malgorzata Jackiewicz-Garniec/Miroslaw Garniec, Die Burgen im Deutschordenssaat Preußen, Olsztyn 2009, S. 383
[5] E.B., Sein Humor war unverwüstlich, PAZ Nr. 36/2015 (5. September), S. 11

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