Sanditten

Lunino – Sanditten

Die Gegend von Sanditten ist altes Siedlungsgelände, was Funde aus vorgeschichtlicher Zeit belegen. So gab es in einer Entfernung von 1 km westlich von Sanditten ein 1928 beim Stubbenroden entdecktes Hügel- und Flachgräberfeld, das Aufschluss über die Besiedlung des Landes von der Bronzezeit bis zur Älteren Römischen Kaiserzeit gab. Zwischen 1929 und 1932 wurden von Carl Engel mindestens 102 dieser Gräber untersucht, von denen ein kleinerer Teil den Hügelgräbern zugerechnet wird. Die Analyse von zwei dieser Gräber, Nummern 1 und 54, nahm Carl Engel 1962 in einer Niederschrift vor, die von Rudolf Grenz bearbeitet wurde. Auffällig war auch ein Flachgrab aus der Älteren Kaiserzeit (Nr. 8), das neben zwei Körperbestattungen auch zwei Pferdebestattungen barg, die alle von Süden nach Norden ausgerichtet waren. Weitere Gräberfunde aus spätprußischer Zeit machte man beim Anlegen von Kartoffelmieten nahe Zargen auf der Anhöhe des Pregeltals, dem Vorwerk von Sanditten.[1]

Sanditten selbst ist also eine prußische Siedlung gewesen. Darauf deutet schon der Name hin: die Endung „-itten“ heißt prußisch Ort, Siedlung. Die Vorsilbe weist auf einen Personennamen hin – Sande, Sandutte o. ä.

In geschichtlicher Zeit wurde Sanditten geprägt von der Familie von Schlieben. Das Geschlecht der Schlieben stammt ursprünglich aus Sachsen. 1454, am Beginn des Städtekrieges, traten Georg von Schlieben, dem die Güter Hohendorf und Radeburg in Sachsen gehörten, mit seinem Bruder Christoph sowie Magnus, Hans und Conrad von Schlieben als Söldnerführer mit 557 Mannen in den Dienst des Deutschen Ordens. Sie häuften durch ihre Kriegsdienste, die Kriegsbeute und ihr Verhandlungsgeschick – Georg von Schlieben war einer der drei bevollmächtigten Gesandten des Ordens beim Friedensschluss von Thorn 1466 – hohe Forderungen gegen den Orden an, den dieser nur mit der Vergabe von Landbesitz einlösen konnte. So erhielten die Brüder Schlieben 1469 Stadt und Schloss Gerdauen sowie die Stadt Nordenburg zusammen mit einer Vielzahl von Dörfern übereignet. Weitere Verschreibungen von Gütern erfolgten bis 1471, sodass sich bald große Teile der späteren Kreise Gerdauen und Darkehmen im Besitz der Familie von Schlieben befanden. Neben seinen militärischen Erfolgen trat Georg von Schlieben bei der Inbesitznahme der Stadt Allenstein 1455 sehr unrühmlich in Erscheinung, als er das von den Bürgern in der Burg in vermeintliche Sicherheit gebrachte Vermögen unrechtmäßig vereinnahmte und erst nach massivem Druck seitens Papst und Hochmeister teilweise wieder herausrückte.

Am 16. 1. 1552 erhielt Wolf von Tippelskirch das Dorf Sanditten verliehen. Dessen Sohn Dietrich verkaufte den Besitz am 10. 10. 1581 an Christoph von Schlieben (gest. 1589) und seitdem war Sanditten im Besitz von dessen Familie bis 1945. In der Ahnenfolge gilt Ernst von Schlieben (1580 – 1630) als Stammvater der Sanditter und der im 18. Jh. erloschenen Tharauer Linie der Schlieben. Er hatte zusammen mit seiner Frau Anna, geb. v. Diebes, 24 Kinder und sein Enkel Georg Adam von Schlieben (1649 – 1720) – Erbhauptmann zu Gerdauen und Nordenburg, preußischer Oberforstmeister (1687) und Jägermeister (1714) – wurde von König Friedrich Wilhelm I. 1718 in den erblichen Grafenstand erhoben.

Das bekannte Barockschloss in Sanditten wurde unter Georg Christoph Graf v. Schlieben (1673 oder 1676 – 1749) von einem unbekannten Baumeister 1736 einstöckig gebaut mit rechtwinklig angesetzten Seitenflügeln, die einen barocken Ehrenhof bilden. Der große Gartensaal reichte über 2 Stockwerke. Der Hauptbau mit hohem dreiachsigem Mittelstück, das besonders zum Park und zum Pregel hin vorspringt, erhielt 1830 einen klassizistischen Säulenvorbau mit Portal. Nach Carl von Lorck war Sanditten der stattlichste Vertreter des Hochbarock in Ostpreußen. Hier übernachtete König Friedrich Wilhelm IV. am 12./13. September 1856, bevor er nach Schirwindt zur Einweihung der Immanuelkirche weiterreiste.

Die Beherbergung des Monarchen offenbarte für Sanditten einen großen Fortschritt, denn noch einige Jahrzehnte zuvor konnte man den Kronprinzen und späteren König bei dessen Durchreise nach Russland nicht zum Frühstück empfangen, weil man die Ausstattung des Schlosses dafür nicht würdig genug hielt. Der Kronprinz picknickte deshalb im Sanditter Wald auf einer Lichtung, die seitdem den Namen „Prinzenplatz“ trug.

Georg Christoph von Schlieben wurde 1718 zum Hofjägermeister und 1724 zum kurmärkischen Kriegs- und Domänenkammerpräsidenten ernannt. Als Friedrich Wilhelm I. ihn 1730 zum Oberjägermeister beförderte, wohnte er im Jagdschloss Grunewald in Berlin, wo noch immer sein Porträt von Pesne hängt. Im großen Ahnensaal des Schlosses Sanditten hingen die Brustbilder samt Wappen von 14 Generationen Schliebenscher Familienmitglieder. Ansonsten war das Schloss bereits im 1. Weltkrieg von den Russen seines wertvollen Inventars beraubt worden, das sie waggonweise abtransportieren ließen. Im 2. Weltkrieg war es nicht besser. Letzter Besitzer von Sanditten war Georg Günther Graf von Schlieben (1891 – 1974), mit dem der männliche Stamm der Linie Sanditten erlosch. Der Gutsbetrieb hatte zuletzt eine Größe von ca. 2.250 ha.[2]

Georg Günther von Schlieben stattete das Gutshaus nach dem 1. Weltkrieg neu aus. Unter der neu erworbenen Raumausstattung befanden sich auch Möbel aus dem Besitz von Hortense Bonaparte (1783 – 1837), Stieftochter Napoleons, aus dem Schloss Arenenberg in der Schweiz, die er auf einer Auktion ersteigert hatte. Teile des Mobiliars dienten in der Endphase des 2. Weltkriegs als Stützen für die Schützengräben im Park.[3]

Das Schloss überstand den Krieg, diente danach als Gefangenenlager, wurde aber 1951 gesprengt und damit weitgehend zerstört. 1985 standen nur noch Ruinen, die inzwischen aber ebenfalls verschwanden. Schmiede und Stellmacherei von 1935 sind ebenfalls Ruine, einige Scheunen fehlen, der Kuhstall wird vielleicht noch genutzt.

Die Kastanienbäume auf der Dorfstraße fielen schon dem Winter 1941/42 zum Opfer, doch die alten Bäume im Schlosspark zum Pregel hinunter, der im Übrigen sehr verwildert ist, stehen noch zum großen Teil. 1991 wurde berichtet, dass noch etwa 8 schöne alte Holzhäuser aus deutscher Zeit vorhanden sind. Die 2-klassige Dorfschule wurde Wohnhaus.[4]

[1] Heimatbuch Wehlau, S. 49
[2] Rudi Meitsch, Einst Musterwerk unter den Schlössern, Oprbl. Nr. 23/1988, S. 13
[3] Herle Forbrich, Herrenhäuser ohne Herren, Martin Meidenbauer Verlagsbuchhandlung, München 2008, S. 28
[4] Inge Bielitz, Ein Spaziergang durch mein Sanditten, Oprbl. Nr. 5/1991, S. 13