Sarkau

Lesnoe – Sarkau

Bereits 1408 wurde nördlich der heutigen Siedlung ein Krug urkundlich gemacht. Der Name des dabei entstehenden Ortes leitete sich ab von dem prußischen Szarka = Elster, Falke, was auf die Abrichtung von Vögeln für die Jagd hindeutet. 1568/69 kam ein zweiter Krüger hinzu.

Der fruchtbare Boden ringsum erlaubte eine einträgliche Landwirtschaft und führte zusammen mit der Fischerei und Einnahmen aus dem Durchgangsverkehr zunächst zu einem leidlichen Wohlstand. Flugsand infolge ungezügelter Abholzaktionen verdarben dann die Wiesen und bedrohten die Siedlung, die 1715 auf Anordnung der Behörden 1,5 km weiter nach Süden verlegt werden musste. Doch Abholzungen und die Verbreitung von Flugsand hielten an und führten zu spürbarer Verarmung der Bewohner. Die war so beachtlich, dass die Behörden den Sarkauern Fischern sogar die Befischung des gesamten Haffs gestatteten, was den Fischern in allen anderen Orten verboten war. Das gab für lange Zeit viel Neid und Streitereien.

Die Suche nach Nahrungsquellen führte dazu, dass die Fischer Krähen fingen, die sie durch einen Biss in den Hals töteten, was schnell ging und für die Tiere schmerzlos gewesen sein soll. Daher nannte man sie auch Krajebieter = Krähenbeißer. Ein geschickter Jäger fing an die 50 Krähen pro Tag. Man aß sie zusammen mit Sauerkohl, bereitete sie zu wie Hühnchen mit Reis oder legte sie im Salzfass für den Winter ein. Teilweise wurden sie auch als „Nehrungstauben“ bis nach Königsberg verkauft

Ein materieller Aufschwung kam mit dem Beginn des Tourismus ab ca. 1870, was sich auch auf die Gestaltung des Ortes günstig auswirkte. Sarkau war bekannt für seine Flundern, die mit Kiefernzapfen geräuchert wurden und deshalb ein unverwechselbares Aroma aufwiesen.

Unweit nördlich von Sarkau befindet sich die schmalste Stelle der Nehrung. Sie ist hier nur 350 m breit und da die Höhe auch nur 1 – 2 m beträgt, gilt dieser Abschnitt als besonders gefährdet. Bereits am 18./19. 1. 1983 wurde das Land zwischen den Kilometern 13 und 15 der Chaussee während eines Orkans überflutet. Seitdem verläuft die Nehrungsstraße hier etwas erhöht. Am 4. 12. 1924 ertranken bei einem anderen Orkan 13 Fischer aus Sarkau, woran früher ein Anker auf einem Steinpodest erinnerte.[1] Am Morgen des 4. Dezember 1924 fuhren acht Fischerboote mit 30 Mann Besatzung bei ruhiger See zum Dorschfang hinaus auf die Ostsee. Plätzlich aufkommender Sturm überraschte die Schiffsbesatzungen. Nur vier Boote kehrten an Land zurück, die anderen vier gingen – teilweise in Rufweite – in der brausenden See unter und die Mannschaften ertranken.[7]

Von dem alten Fischerdorf, das für seine weißen Katen mit den marineblau gestrichenen Fenster und Türen bekannt war, existieren nur noch wenige alte Häuser. Dafür entsteht jetzt ein großer, aufwendig abgeschirmter Gebäudekomplex direkt am Haffufer, vielleicht eine Unterkunft für die moderne Nomenklatura. Außerdem gibt es in jüngerer Zeit ein ordentliches Hotel, “Kurische Nehrung”, in der Ortsmitte. Die Villa “Elisa” von 1903 wurde 2007 zu einem rundum renovierten Gästehaus umgebaut. Am Haff findet sich eine neu gebaute russisch-orthodoxe Kirche.[2] Der russische Name Lesnoe bedeutet „Walddorf“. Die alte Schule von Sarkau steht noch und wird heute als Wohnhaus genutzt. Die einstige Jugendherberge dagegen ist verschwunden. Auf dem Grundstück wurde im Jahr 2000 eine Ferienpension errichtet.[6]

Die alter Sarkauer Fischerkirche wurde 1901 durch eine Backsteinkirche ersetzt, für die Kaiserin Auguste Victoria eine mit Silber gefasste Bibel spendete. Ausnahmsweise wurde dieses Gotteshaus nicht in Ost-West-Richtung gebaut, der Turm stand am Nordende.[3] Von der Kirche – einer von den 4 Kirchen auf der Kurischen Nehrung – blieb nach dem 2. Weltkrieg das Kirchenschiff, das zunächst von der Fischereikolchose als Lagerhalle zweckentfremdet und nach 1965 aber abgerissen wurde. Auf den Fundamenten errichtete man das Kulturhaus, wobei auch einiger Mauerteile Verwendung fanden. Es wurde damit gerechnet, dass die Russisch Orthodoxe Kirche die Immobilie als ehemaligen Kirchenbesitz, wenn auch nicht russischem, sondern deutschem, mit Genehmigung der Gebietsduma vereinnahmt.[4] Wenn es jetzt eine neue orthodoxe Kirche gibt, ist das wohl hinfällig.

In einem Haus wenige Kilometer nördlich von Sarkau, das sich der Parteichef von Königsberg mitten in das Naturschutzgebiet der Nehrung stellen ließ, hat man das Nehrungsmuseum untergebracht, das viele Informationen über die Entstehung und die Geschichte der Kurischen Nehrung, Hinweise zum empfindsamen ökologischen Gleichgewicht der Nehrung und der Technik der Dünenbefestigung, Modelle aus dem Bereich der Vogelwarte, historische Arbeitsgeräte der Nehrungsfischer sowie künstlerische Darstellungen präsentiert.

Neben diesem Nehrungsmuseum soll ein Museumsdorf entstehen. Um einen kleinen Hafen herum sollen Nachbauten von Hütten und Häusern aus der Prußen- und Wikingerzeit sowie von Wikingerbooten und einem Kuhrenkahn zu besichtigen sein.[5]

Vor nicht allzu langer Zeit wurde von deutschen und russischen Segelfliegern auf dem Gelände des Nehrungsmuseums ein Gedenkstein für den Segelflug-Pionier Ferdinand Schulz errichtet.


[1] Edgar Schumacher, Entland der Kurischen Nehrung, Unser schönes Samland, Sommer 2011, S 56
[2] Edgar Schumacher, Entland der Kurischen Nehrung, Unser schönes Samland, Sommer 2011, S 56
[3] Edgar Schumacher, Entland der Kurischen Nehrung, Unser schönes Samland, Sommer 2011, S 56
[4] Jurij Tschernyschew, ROK will noch mehr, Oprbl. Nr. 51/2010 (25. Dez.), S. 15
[5] Klaus A. Lunau, Unser schönes Samland, Sommer 2009, S. 49
[6] Dr. Hildegard Becker-Stötzel, Sarkau im August 2015, Unser schönes Samland, Winter 2015, S. 58 ff
[7] Königsberger Allgemeine Zeitung vom 4. 12. 1934, zittiert in Unser schönes Samland, Sommer 2018, S. 35