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Schlodien

Gladysze – Schlodien

Die Besitzung Schlodien wurde 1643 von Erhard Werner aus einer adligen prußischen Familie wegen hoher Schuldforderungen an Achatius II. zu Dohna (1581 – 1647) und Friedrich d. Ä. zu Dohna (1619 – 1688) abgetreten und 1654 in brüderlicher Teilung der Linie Bochertsdorf übertragen.[1] Im Wege der Erbschaft gelangte Schlodien 1688 an Christoph Burggraf und Graf zu Dohna (5.4.1665 in Coppet – 11.10.1733), Bruder von Alexander zu Dohna-Schlobitten (1661 – 1728), Kammerherr von Kurfürst Friedrich III., Kommandeur der Grands Musquetaires und der kurfürstlichen Garden. 1699 wurde er zum General ernannt. Hauptsächlich jedoch diente er seinem Kurfürsten und König in diplomatischen Missionen. Er war einer der ersten, der den anlässlich der Krönung 1701 gestifteten Schwarzen Adlerorden erhielt. Als wichtige historische Quelle hinterließ Christoph zu Dohna die in französischer Sprache geschriebenen “Denkwürdigkeiten über die Regierung und den Hof von Friedrich I., König in Preußen”.[2]

Christoph zu Dohna wohnte zunächst im Schlösschen in Mohrungen. Als dieses 1697 abbrannte, betrieb er den Neubau in Schlodien. Ein vermutlich vorhandenes altes Gutshaus wurde in den Neubau einbezogen. Das Schloss gestaltete der Hugenotte Jean de Bodt (1670 – 1745), den Christoph zu Dohna vermutlich in seiner Gesandtenzeit am englischen Hof 1698/99 kennen gelernt hatte, berühmt als Architekt des Zeughauses in Berlin, der Schlodien 1701 – 1704 zu einer seiner schönsten Anlagen des Hochbarock gestaltete. Die Bauausführung oblag Johann Caspar Hindersin. Dach und Seitenanbauten stammten aus dem 19. Jh.

Interessant ist, wie Architektur-Stile innerhalb der Familie weiter gereicht wurden. So ähnelt das Schloss in Neuwied am Rhein, das 1707 – 1712 erbaut wurde (Torhäuser 1719 — 1720, Seitengebäude bis 1756) auffallend dem in Schlodien. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass der Fürst zu Wied der Schwager des Bauherrn von Schlodien war. Im Innern dagegen war Haus Schlodien von holländischen Stilformen nach dem Vorbild des “Huis ten Bosch” nahe Den Haag – 1647 von Pieter Post vollendet – geprägt. Jenes ließ Amalie von Solms, Witwe Friedrich Heinrichs von Oranien, anlegen, und die war eine Schwester der Gräfin zu Dohna in Schlodien.

1710 wurde die Genehmigung zur Stiftung des Schlodier Majorats erteilt. Christophs Sohn Carl Florus zu Dohna (1693 – 1765) kaufte 1762 von Friedrich Carl zu Dohna das Majorat Carwinden hinzu. Beide Majorate blieben bis 1945 im Besitz der Familie Dohna-Schlodien.

Carl Ludwig zu Dohna (1758 – 1838) war mit Max von Schenkendorff befreundet und der Dichter der Freiheitslieder hielt sich nach seiner Verwundung 1810 einige Zeit in Schlodien auf. Kronprinz Friedrich Wilhelm, als König später der IV., und sein Bruder Wilhelm, später der erste Kaiser im Deutschen Reich, hielten sich ebenfalls mit ihren Haushofmeistern 1809 einige Zeit in Schlodien auf.

Carl zu Dohna (1814 – 1890), Majoratsherr seit 1843, erweiterte den Besitz von Schlodien und kümmerte sich auch intensiv um Ausbau und Restaurierung der Vorwerke. Er wurde 1861 Kammerherr bei Königin Augusta, 1879 Obermarschall des Königreichs Preußen und 1884 Vorsitzender des Provinziallandtags.

Nikolaus Burggraf und Graf zu Dohna-Schlodien (5.4.1879 in Mallmitz – 21.8.1956) war als Korvettenkapitän Kommandant eines im 1. Weltkrieg sehr populären und in ihrem Metier durchaus erfolgreichen deutschen Kaperschiffs, der als Kauffahrerschiff getarnten „Möwe“. Im Zuge des Seekriegs versenkte bzw. erbeutete die Möwe auf einer ersten Kaperfahrt 18 Schiffe, insgesamt fielen ihr auf zwei Reisen unter Graf Dohnas Regie 38 Schiffe mit mehr als 175.000 BRT zum Opfer. Nach dem Versailler Vertrag musste die Möwe an die Engländer ausgeliefert werden und lief dort unter dem Namen Greenbrier“. Nachdem sie 1933 von Deutschland zurückgekauft werden konnte, fuhr sie noch jahrelang unter dem Namen „Oldenburg“, bis sie am 7. 4. 1945 nach einem Luftangriff alliierter Flugzeuge schwer getroffen bei Vadhein im Sogefjord sank. Graf zu Dohna-Schlodien sollte aber in die Geschichte der Deutschen Seefahrt als vorbildlicher Kapitän eines der bestbewaffneten Kauffahrerschiffe eingehen, die jemals die sieben Meere befahren haben.

Die letzten deutschen Herren auf Schlodien, Christoph zu Dohna (1922 – 1944) und Carl Emanuel zu Dohna (1927 – 1945) fielen im 2. Weltkrieg. Die Mutter Eleonore zu Dohna, geb. Gräfin zu Eulenburg-Prassen (1887 – 1961) ging am 21. 1. 1945 mit den Töchtern Euphemia (1924 – 2008) und Elisabeth (1925 – 2016) auf die Flucht in den Westen

Nach dem 2. Weltkrieg nutzte ein staatliches Getreidegut das Gebäude vor allem als Lager, aber auch als Diskothek für die Jugend des Dorfes. Das Schloss, das den zweiten Weltkrieg unbeschadet überstanden hatte, brannte am 17. 7. 1986 – inzwischen leer und heruntergekommen – vollständig nieder. Die ehemals in die Wand eingelassenen Gemälde waren nach dem Krieg herausgenommen worden und befinden sich jetzt im Museum von Olsztyn – Allenstein. Vierzig nach dem Krieg in Sicherheit gebrachte Bilder aus Schlodien (von 250), vornehmlich von niederländischen Malern, befinden sich heute im Dohna-Schlösschen in Mohrungen. Ein Teil des besonders hohen Silberbestands, der sich im Laufe von über 200 Jahren angesammelt hatte, weil das Fideikommiß-Statut die permanente Vermehrung seineses Bestandes vorgeschrieben hatte, wurde 1944 nach Bernburg ausgelagert und ist seit 1945 verschollen[3]. Das separate Küchenhaus, eine ziemlich einmalige Einrichtung in Ostpreußen, wurde abgerissen und der ehemalige Marstall verfällt. Der einst gepflegte Park, angelegt von dem Gartenarchitekten Johann Larass 1867/68, ist verwildert. Seit 2005 sorgt eine Polnisch-Deutsche Stifrung zumSchutze des Kulturerbes im Ermland für die Konservierung der Ruine und plant die Wiederherstellung von Schloss und Park.

Die ehemalige Gutskirche, erbaut 1879 im Wald in Richtung Karwiny – Karwinden, rottet vor sich hin. Das unter Carl zu Dohna erbaute Mausoleum im Schlosspark ist noch ruinös vorhanden. Es löste 1879 das Erbbegräbnis an der Ostwand der Patronatskirche von Hermsdorf ab.

Weitere Einzelheiten und viele Bilder zum Schloss Schlodien siehe Wulf D. Wagner, Stationen einer Krönungsreise – Schlösser und Gutshäuser in Ostpreußen, Berlin 2001.



[1] Lothar Graf zu Dohna, Die Dohnas und ihre Häuser II, S. 755
[2] Lothar Graf zu Dohna, Die Dohnas und ihre Häuser II, S. 459
[3] Lothar Graf zu Dohna, Die Dohnas und ihre Häuser II, S. 758 + 762

Literatur

Torsten Foelsch “Schlodien & Carwinden”

Die Schlösser der Familie zu Dohna in Ostpreußen, vor allem Schlobitten, Schlodien, Finckenstein, Reichertswalde und Carwinden, gehörten zu den kulturellen Höhepunkten der adligen Herbergen in dieser östlichen Provinz. Vor nicht allzu langer Zeit erschienen bereits die Bücher “Waldburg – Capustigall” von Hans Graf zu Dohna und “Die Dohnas und ihre Häuser” von Lothar Graf zu Dohna. Nun erweitert Torsten Foelsch diese Reihe um die Schlösser in Schlodien und Carwinden, wobei das eine Ruine und das andere verschwunden ist.

Obwohl nahezu die gesamte Ausstattung der Schlösser und die meisten Teile der Archive zerstört oder als Kriegsbeute abtransportiert worden sind, konnte Torsten Foelsch immer noch etliche Details aus den in Polen und Deutschland verstreuten Unterlagen zusammen tragen. Zur Familie zu Dohna und zu ehemaligen Gutsangestellten oder deren Nachfahren konnte er so gute Kontakte herstellen, dass ihm eine Fülle von Fotografien und Dokumenten sowie Augenzeugenberichte zur Verfügung gestellt wurden. Alles dieses hat er zu einer bemerkenswerten Gesamtschau der Schlossgeschichte Schlodiens und Carwindens vom Ursprung bis in unsere heutige Zeit verarbeitet. So zahlreiche Porträts sind abgebildet, wie sie in keiner Suchmaschine der Welt zu finden sind. Die diversen Innenansichten befruchten die Vorstellung, die man vom Leben in diesen Häusern bekommen kann und machen insbesondere im unmittelbaren Vergleich mit dem heutigen Zustand deutlich, was uns allen verloren gegangen ist. Neben den ausführlichen Chroniken von Schloss Carwinden und Schloss Schlodien gibt es ausführliche Beschreibungen ihrer Bewohner.

Da Schlodien erst 30 Jahre nach dem 2. Weltkrieg ausbrannte, hatten polnische Denkmalschützer noch rechtzeitig Gelegenheit gefunden, die Räume des Schlosses zu vermessen und insbesondere die Gestaltung der Decken genau zu kartographisieren. In Verbindung mit alten Innenansichten besteht deshalb die großartige Möglichkeit, aus der noch vorhandenen Ruine den ursprünglichen Zustand des Hauses zurück zu gewinnen. Ob das verwirklicht wird, bleibt abzuwarten.

In einem weiteren Kapitel des Buches beschreibt Ursula Gräfin zu Dohna den Park von Schlodien vom barocken Zustand des Anfangs bis in die Zeit vor dem 2. Weltkrieg und Elisabeth Dreischhoff, geb. Gräfin zu Dohna, gibt einen Erlebnisbericht von ihrer Jugendzeit im Park von Schlodien.

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Die Dohna-Schlösser Schlodien und Carwinden im preußischen Oberland, deren Kulturinhalte durch das Kriegsende und die Vertreibung 1945 ausgelöscht worden sind, gehörten zu den bedeutendsten Schlossanlagen der preußischen Kunst- und Architekturgeschichte. Sie sind in einer Reihe mit den großen Barockbauten zu nennen, die zur Zeit der beiden ersten preußischen Könige, Friedrich I. und Friedrich Wilhelm I., entstanden sind: Friedrichstein, Schlobitten, Finckenstein oder Dönhoffstädt. Wie Schloss Friedrichstein, so ist auch Schlodien ein Werk des genialen Jean de Bodt, dem Architekten des Berliner Zeughauses.
Torsten Foelschs jüngst erschienene Monografie über diese beiden Schlossbauten bietet einzigartige Bilder und Geschichten aus der versunkenen Welt des ostpreußischen Adels. Eingebunden in die Familiengeschichte eine der berühmtesten ostpreußischen Adelsfamilien, der Grafen zu Dohna, werden zwei ihrer wichtigsten Schlösser zum ersten Mal auf Grundlage neuer archivarischer Forschungen dargestellt.
Neben vielen bislang nie publizierten, einmaligen historischen Außen- und Innenaufnahmen dieser Schlösser werden erstmals auch wertvolle Ahnenbilder vorgestellt, die von polnischen Kunsthistorikern und Museologen nach dem Krieg aus den gebrandschatzten und geplünderten Dohna’schen Schlössern geborgen wurden. In schwierigen Nachkriegsjahren konnten sie restauriert werden und sind der Öffentlichkeit heute in den neu eingerichteten Museen des Ermlandes und Masurens wieder zugänglich.
Das Buch ist ein wehmütiger und fesselnder Schwanengesang auf zwei ostpreußische Barockschlösser und ihre einstigen Bewohner – ein Erinnerungswerk an zwei herausragende Baudenkmäler, von denen immerhin Schlodien noch als Brandruine existiert.

(PAZ, 25. 7. 2014)

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