Silginnen

Silginy – Sillginnen

Gut Sillginnen wurde in der 2. Hälfte des 14. Jhs. gegründet und 1437 erstmals urkundlich genannt. 1519 wurde Melchior von Creytzen d. Ä. (1475 – 1550) u. a. mit Sillginnen belehnt. Er hatte 1504 Susanne von Egloffstein-Domnau geheiratet und gelangte so in den Besitz der großen Domnauer Begüterung. 1525 wurde er zum Oberhofmeister in Königsberg ernannt und 1533 zum Landhofmeister und gehörte damit zur Spitze der Landesregierung. Sein ältester Sohn und Erbe, Johannes von Creytzen (1506 – 1575), war von 1536 – 1575 Kanzler in Preußen und Professor an der neu gegründeten Albertina. Der Enkel Albrecht (1562 – 1612) war Hofgerichtsrat und Gesandter, der Urenkel Wolf (1598 – 1672) Obermarschall, der Urenkel Albrecht (1597 – 1634) Präsident des Hofgerichts in Königsberg und der Ururenkel Johann von Kreytzen (1643 – 1712) Oberappellationsgerichtsrat in Königsberg – die Familie von Creytzen/Kreytzen war also lange Zeit eine maßgebliche Stütze des Herzogtums.

Die Familie von Kreutzen, Kreutz, Creutz, Creutzen, Creytz, Creytzen ist ein altes und angesehenes Rittergeschlecht, das noch heute als von Creytz existiert. Die Familie hat ihren Stammsitz in Kreutzen bei Zechau im Herzogtum Sachsen-Altenburg hatte und saß auf Pölzig und Heuckenwalde bei Zeitz. Schon 1206 wird ein Glied des Geschlechts, Johannes von Creuz, erwähnt. Es gehörte im 14. und 15. Jh. zur Stiftsritterschaft von Naumburg. Von 1588 bis 1616 sind die von Kreutzen Schlossherren in Balgstedt. Die Familie erwarb die Rudelsburg 1671 zusammen mit Kreipitzsch und Saaleck von den von Osterhausen. Sie blieb im Familienbesitz bis zum Tod Friedrich Adolph von Creutz (? – 1774), mit dem der Letzte der Linie Frohburg, Ast Rudelsburg, im Mannesstamm erlosch. Im Hof der Rudelsburg findet sich das Wappen: auf Silber ein schwarzer Pfahl. (so Rüdiger Bier)[1]

Der letzte männliche Erbe dieser Linie, Friedrich von Kreytzen (1748 – 1815), hatte wohl großes Pech mit der Wahl seiner Ehefrau, die ihn jahrelang verklagte und endlich erreichte, dass er unter Vormundschaft gestellt wurde und über sein Vermögen nicht mehr verfügen durfte, während sie ein mondänes Leben führte. Es folgte eine lange Erbauseinandersetzung und in dieser Zeit die Ruinierung der Besitzung, sodass eine Zwangsverwaltung eingerichtet und die Zwangsversteigerung veranlasst werden musste. Neue Eigentümerin wurde 1831 Henriette Gräfin von Viereck (1766 – 1854), einst Hofdame von Königin Luise.

Während Sillginnen im 16. Jh. noch ausschließlich als Adliges Bauerndorf existierte, entstand unter Wolf Albrecht von Kreytzen (1638 – 1681) ein Gutshaus. Das imposante Schloss von 1836 entstand unter Henriette Gräfin von Viereck nach Plänen von Karl Friedrich Schinkel, ausgeführt vielleicht von Eduard Knoblauch. Henriette von Viereck vererbte Sillginnen an die Familie ihrer Schwester: Leopold III. von und zu Egloffstein hatte 1804 in zweiter Ehe Annette von Viereck geheiratet und sein Sohn Friedrich Graf von und zu Egloffstein (1808 – 1895) erbte 1854 Sillginnen. Dessen Sohn Friedrich (1838 – 1921), seit 1870 auf Burg Schlitz in Mecklenburg verheiratet mit der reichen Lilla von Bassewitz (1850 – 1914) und als Vierter Majoratsherr auf Arklitten ab 1882 als sechstreichster Ostpreuße geltend, verkaufte Sillginnen 1890. Erwerber war vermutlich Edmund Klapper, der aber bereits 1893 in finanzielle Schwierigkeiten geriet, die zur Zwangsverwaltung führten.

Noch vor 1900 gehörte Gut Silginnen zusammen mit dem Gut in Modgarben dem Kieler Universitätsprofesser Lehmann-Hohenberg. Sillginnen trat er 1897 an den mit ihm verwandten Geheimen Kanzleirath Andreas Haller (1831-1902) ab. Der dem zugrunde liegende Kaufvertrag befindet sich heute noch im Besitz der Familie Haller (so Oliver Haller, Nachfahre des Kanzleiraths).

Vermutlich danach kaufte Friedrich von und zu Egloffstein den einstigen Besitz Sillginnen zurück. Das Gut war in dieser Zeit 1.283 ha groß.

1913 kaufte der Polizeipräsident von Berlin und Flüchtlingskommissar während des 1. Weltkriegs, Bernd Freiherr von Lüdinghausen (1864 – 1930), die Begüterung Sillginnen für 1,4 Millionen Reichsmark. Er war der Sohn eines Generalstabsoffiziers, der an seinen im Deutsch-Französischen Krieg 1870/71 erlittenen Verletzungen sehr früh starb. Bernd von Lüdingshausen studierte Jura in Lausanne, Leipzig und Berlin. 1897 war er Assessor in Wilhelmshaven und verlobte sich dort mit Martha Hoffmann (1869 – 1951), Tochter des Textilfabrikanten Reinhold Hoffmann (1847 – 1912), der zu den reichsten Männern des Königreichs Sachsen zählte. Anfang 1900 wurde von Lüdinghausen Landrat im Kreis Gumbinnen und engagierte sich in dieser Position maßgeblich für den Bau des Bismarckturmes. Sieben Jahre später ernannte man ihn zum Polizeipräsidenten von Berlin-Schöneberg und Wilmersdorf und 1913 erhielt er den Titel eines königlich preußischen Kammerherrn.

Während des 1. Weltkriegs setzte sich von Lüdinghausen sehr stark für den Wiederaufbau Ostpreußens ein, übernahm 1914/15 das Amt des Flüchtlingskommissars für Ostpreußen und entwickelte die Idee der Partnerschaften. So organisierte er die Patenschaften von westdeutschen Gemeinden und Organisationen für die kriegszerstörten ostpreußischen Kreise und Städte und sorgte selbst dafür, dass die Bezirke Wilmersdorf und Grunewald die Patenschaften jeweils für die Stadt Gerdauen sowie für die Stadt Nordenburg übernahmen. Gut Sillginnen hatte durch die kurzzeitige russische Besetzung keine nennenswerten Schäden davon getragen. Nach seiner Demission 1919 zog sich Freiherr von Lüdinghausen hierher zurück, überließ Sillginnen 1922 jedoch seinen drei Söhnen und zog sich in sein Haus in Zoppot und später nach Berlin zurück.

Gut Sillginnen war nie sehr ertragsstark. Im Zuge der allgemeinen Depression war das Wirtschaften so schwierig geworden, dass das Gut 1927 an die Ostpreußische Landgesellschaft verkauft und aufgesiedelt wurde. Nach der Aufsiedlung, bei der 26 Bauernstellen von 10 – 25 ha eingerichtet wurden, gehörte das Restgut von 70 ha mit Herrenhaus und mit dem 20 ha großen Park 1927 – 1930 den v. Kalcksteinschen Erben, danach dem Geheimbund der Gothen oder Guoten, einer obskuren Gemeinschaft, die die Entstehung einer neuen Menschenrasse mit deutschem Kern erwartete. Diese wurde in den 1920er Jahren von Kurt Paehlke 10. 11. 1875 – 1945) mit dem Pseudonym Helge Alarich Weißhaar gegründet und Sillginnen wurde seine Residenz. Nach einer gewalttätigen Auseinandersetzung dort wurde er verhaftet und zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. 1933 kam er wieder frei und konnte anscheinend relativ unbehelligt mit seiner Gruppe weitermachen Paehlke wurde dann 1937 erneut verhaftet und im Juli 1938 durch das Sondergericht Königsberg/Pr. als “Volksfeind” zu 3 1/2 Jahren Strafhaft verurteilt, die er im Zentralgefängnis Stuhm in Westpreußen absitzen mußte. Er wurde aber nicht entlassen, sondern in das Konzentrationslager Sachsenhausen gebracht, wo sich seine Spur nach 1944 verliert.[2]

Nachdem dieser Geheimbund 1935 unter den Nazis verboten und das Vermögen von der NSDAP eingezogen worden war, richtete man im Schloss zunächst eine Kreisführerschule ein. 1937 erwarb der Kreis das Gebäude und nutzte es als Kreisaltersheim für zuletzt 60 – 70 Insassen. Bei der Eroberung durch die Rote Armee wurden die Alten noch in der ersten Nacht aus dem Haus getrieben. Wer nicht wich, wurde erschossen. Die hier verantwortliche Schwester Hanna Wohlgemuth wurde vergewaltigt und beging mit etlichen Heimbewohnern Selbstmord, die vertriebenen Alten wurden im Park sich selbst überlassen und erfroren dort.

Auch nach dem 2. Weltkrieg wurde das Schloss unterschiedlich genutzt, u. a. als Bürgermeisteramt. Einige Jahre lang war es Sommerferienheim für Jugendliche und bot dann Wohnraum für staatliche Angestellte. In den 1970er Jahre führte eine Gasexplosion zu erheblichen Gebäudeschäden und das Haus begann zu verfallen.

Die deutsch-polnische Stiftung „Dittchenbühne e. V.“ aus Elmshorn erwarb das Herrenhaus 1993, um hier ein Begegnungszentrum einzurichten. Nach anfänglichen Restaurierungs- und Sicherungsarbeiten erloschen bereits 1994 die Aktivitäten wieder und der Bau verfällt seitdem erneut.

Für Details zu Sillginnen siehe Wulf D. Wagner, „Kultur im ländlichen Ostpreußen – Geschichte, Güter und Menschen im Kreis Gerdauen“, Band II, Husum Verlag 2008, S. 1118 – 1138



[1] 31.10.2010
[2] Roland Schnell, mail vom 29. 3. 2016