Geschichte von Dorf und Gut Tharau
Die erste Erwähnung des Dorfes Wladimirowo – Tharau, zwischen Königsberg und Pr. Eylau am Frisching (Prochladnaja) gelegen, erfolgte 1315. Bald danach wurde eine Pfarrstelle gegründet. 1471 gelangte das Dorf an den Söldnerführer Heynitz von Meyenthal, 1484 wurde Tharau dem Hans von Schlieben aus Gerdauen verschrieben. Zu dieser Zeit soll es hier ein Festes Haus gegeben haben.
230 Jahre lang stellte die Familie von Schlieben den Gutsherrn. Dann war man gezwungen, das Gut zu verkaufen.
1717 erwarb es der Etatminister Wilhelm von Kanitz, danach 1739 dessen Schwiegersohn Wilhelm Ludwig v. d. Groeben (1690 – 1760), der ab 1751 Etats- und Kriegsminister unter Friedrich II. war. Da er kinderlos starb, erbte das Gut sein Neffe Fabian Abraham von Braxein (29. 7. 1722 – 12. 3. 1798) aus Banners im Kreis Mohrungen, Etatminister an der Königsberger Kammer. Fabian Abraham von Braxein, prußischen Ursprungs, war verheiratet mit Albertine Louise von Kreytzen (1736 – 1817) aus Silginnen und avancierte 1763 zum Staats- und Kriegsminister und damit zum Mitglied der Königlich Preußischen Regierung. Nachdem er sich 1768 im Unfrieden von Berlin verabschiedete, widmete er sich hinfort seiner Begüterung Tharau, ließ 1770 das Gutshaus errichten, prägte die Gestalt der verschiedenen Gutsgebäude samt Gutskrug und Pfarrhaus und brachte die Landwirtschaft in die Höhe. Er gründete um Tharau herum 7 neue Vorwerke, führte den Kartoffelanbau ein, ließ Karpfenteiche anlegen und war der erste ostpreußische Gutsbesitzer, der die Erbuntertänigkeit seiner Bauern aufhob.
Von den Braxeinschen Erben erwarb 1829 der Sohn eines Königsberger Großkaufmanns, Carl Wilhelm Gramatzki (1779 – 1842), 1832 geadelt, Gut Tharau. Seine Enkelin Paula von Gramatzki (1848 – 1914) heiratete Rudolf Tortilowicz von Batocki (1845 – 1900), Schüler der landwirtschaftlichen Akademie in Möglin im Oderbruch, Land Brandenburg, die in seiner Zeit unter der Leitung von Albrecht Philipp Thaer (1794-1863), dem Sohn des Agrarreformers Albrecht Daniel Thaer (1752 – 1828), stand. Letzte Erbin des Gutes war Hedwig von Olfers (1913 -1986), verheiratete Lölhöffel von Löwensprung, die mit ihrer Mutter Erminia von Olfers-Batocki (1876 – 1954), der ostpreußischen Dichterin, und ihrem Vater Hans von Olfers (gest. 1945), Finanzpräsident, in Tharau einzog. Werk: „Tharau liegt woanders“. 1973 erhielt Hedwig Lölhöffel von Löwensprung den Ostpreußischen Kulturpreis.
Gut Tharau hatte offenbar eine Größe von 4.300 Morgen = 1.075 ha. Die Tharauer Bewohner bildeten eine eingeschworene Gemeinschaft. So flüchteten sie bei Kriegsende zusammen und ihre Trecks kamen im Frühhjahr 1945 in Mecklenburg und in Bremen an. Auch danach hielten sie engen Kontakt. Es gab den Tharauer Brief mit Neuigkeiten aus dem Leben der Tharauer Familien und es gab eigene Tharauer Treffen in Bielefeld.
Wittenberg-Tharau wurden 1866 durch den Bau des „Bahnhofs Tharau“ neben Wittenberg an das Eisenbahnnetz der Strecke Königsberg – Pr. Eylau – Prostken angeschlossen. Gutshaus, Schmiede von 1765, Schule, Pfarrhaus und weitere Bauten wurden in der Nachkriegszeit abgetragen. Nur die Kirche blieb stehen – schwer gezeichnet. Allerdings soll das Pfarrhaus wieder aufgebaut werden, wobei das letzte ein schlichter Putzbau von 1771 war.
Im Pfarrgarten stand die „Ännchen-Linde“, mit einem Umfang von 7 Metern und einer Höhe von 28 Metern der stärkste Baum des Kreises. Der Sage nach hatte sie Pfarrer Neander anlässlich der Geburt seiner Tochter Anna gepflanzt.
Bilder aus Tharau und weitere Einzelheiten siehe : Wulf D. Wagner „Stationen einer Krönungsreise“, Berlin 2001
Familie Lölhöffel von Löwensprung
Erster aktenkundig nachgewiesener Vertreter dieser Familie war ein Petrus Lolhebel aus Elbing, der sich 1516 an der Viadrina in Frankfurt/Oder immatrikuliert hatte. Es entstanden in der Familie mehrere Linien, so eine in Königsberg (erloschen 1710), in Elbing (dort 1730 erloschen), Insterburg, Memel und Schlesien (erloschen um 1800). Johann Lölhöffel aus Elbing, Wundarzt u. Hofmeister der Markgräfin v. Brandenburg-Bayreuth, wurde am 15. 1. 1647 in den Reichsgrafenstand aufgenommen und erhielt am 3. 1. 1667 das erbliche Prädikat „v. Löwensprung“ verliehen. Georg Friedrich Lölhöffel aus Insterburg, Kgl. preuß. Hofrat u. Gesandter in Warschau, erhielt dieses Prädikat für die preußische Linie am 1. 1. 1713 zugeeignet.
Die preußische Familie hatte seinerzeit durchaus enge Verbindungen nach Polen: Heinrich Lölhöffel v. Löwensprung aus der Memeler Linie, Königlich-Polnischer Hofrat und Leibarzt des Königs August III., heiratete um 1741 in Warschau Constanze von Jauch, Tochter des in polnischen Diensten stehenden deutschen Generals v. Jauch. Sie änderte nach dem Tod ihres Mannes den Namen in „Lelewel“ und ließ von dem Erbe ihres Vaters in Warschau das bekannte Palais Lelewel errichten. Ein Enkel aus dieser Ehe war der polnische Freiheitskämpfer Joachim Lelewel (1786-1861).
Im 19. und 20. Jh. traten etliche Mitglieder der Familie Lölhöffel als preußische Generäle in Erscheinung.
Umgebung von Tharau – Maiskoje – Groß Bajohren/Baiersfelde
Groß Bajohren wurde noch zur Ordenszeit gegründet, 1409 erstmals urkundlich erwähnt und gehörte 1528 als Freigut einem Peter Bajohr, der für die Namensfindung steht. Im 19. Jh. war das Gut ein Vorwerk von Tharau und Julius Gerlach ließ das stattliche Gutshaus errichten. 1908 wurde Groß Bajohren an die Kleinbahnstrecke Tharau – Kreuzburg angeschlossen. In dieser Zeit war Viktor von Baehr der Gutsherr , von dem 1916 Theodor von Anker das Gut erwarb. Es war 341 ha groß und umfasste Ackerflächen von 231,5 ha, Wiesen von 17,5 ha, Weiden von 70 ha und Wald von 20 ha. Der Betrieb wurde umgehend mit lebendem und totem Inventar neu ausgestattet und in die Ertragszone gebracht. 1928 übernahm der Sohn und Erbe Williy Anker die Verantwortung für das Gut. Er setzte die Bemühungen seines Vaters fort, schaffte die Schafherde ab, um stattdessen die Rinder- und Schweinehaltung auszubauen, die Melioration weiterzutreiben, den Kunstdüngereinsatz zu steigern etc. Die Molkerei wurde 1937 stillgelegt und die Milch zur Genossenschaft in Kreuzburg geliefert, Wirtschaftsgebäude modernisiert und Leutewohnungen komfortabler eingerichtet. Die Bemühungen um weitere landwirtschaftliche Fortschritte fanden dann 1945 – wie überall – ein abruptes Ende.[1]
[1] Joachim Anker, Baiersfelde (Groß Bajohren) Hof Willy Anker, Preußisch Eylauer Kreisblatt, 30. 6. 2023, S. 54/55