Die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt Tilsit war schon zur Ordenszeit stark von den logistischen Möglichkeiten auf der Memel geprägt. Holz, Getreide, Hülsenfrüchte, Nüsse, Hanf, Felle etc. wurden nach Königsberg geliefert und von dort weiterverkauft. Im Gegenzug gelangten Salz, Heringe, Tuche und Gebrauchsgüter als Handelsware nach Tilsit, die von hier aus verteilt oder mit Schiffen in fernere Regionen weiter transportiert wurde.
Im 19. Jh. entwickelte sich Tilsit zu einem Zentrum des Holzhandels. Das Holz kam mit Flößen aus Russland und Käufer strömten aus dem ganzen Deutschen Reich herbei. Die wirtschaftliche Stellung Tilsits als regionales Zentrum und Fernhandelsort wurde noch verstärkt durch den Bau der Eisenbahn. 1865 wurde die Trasse Tilsit – Insterburg gebaut. Es folgten 1875 die Linien Tilsit – Memel mit gleichzeitigem Bau der Eisenbahnbrücke über die Memel, 1891 Tilsit – Labiau – Königsberg, 1892 Tilsit – Ragnit und im Anfang des 20.Jhs. der Bau von Regionallinien für den lokalen Bedarf, Im Jahre 1881 gab es neun Schneidemühlen, die etwa vier- bis fünfhundert Arbeiter beschäftigten. Die Tilsiter Sägewerke versandten den Hauptteil ihrer Bretter, Bohlen und Grubenhölzer auf Kähnen nach Memel oder Königsberg, von wo aus sie ins Reich und nach Übersee verschickt wurden. Ein kleinerer Teil gelangte auch mit der Eisenbahn zu den Kunden.
Die konkurrierenden russischen Sägemühlen, die ihre Produkte vornehmlich über Riga und St. Petersburg verschifften, wurden jedoch zunehmen stärker und die Tilsiter Mühlen fielen stark zurück. Um trotzdem mit dem Rohstoff Holz im Geschäft zu bleiben, gelang es dem Besitzer einer der Schneidemühlen, Kommerzienrat Robert Albrecht, eine Sulfitzellstoff- und Papierfabrik zu errichten. Zu diesem Zweck wurde am 9. Oktober 1897 die Firma „Zellstoffabrik Tilsit GmbH” gegründet, die am 1.September 1898 ihren Betrieb aufnahm, ergänzt um eine Papierfabrik. Diese Fabrik fusionierte 1907 mit der Zellstofffabrik Waldhof in Mannheim, dem damals weltweit größten Unternehmen dieser Branche, und firmierte nunmehr als Zellstofffabrik Waldhof, Werk Tilsit. Das Werk erreichte 1913 eine Produktion von 70.000 t und war mit einer Belegschaft von rd. 1.200 Personen der größte Arbeitgeber Tilsits. Der erste Weltkrieg beendete die Prosperität des Unternehmens. Der größte Teil der Belegschaft musste in den Krieg ziehen und danach machten die Litauer die Memel an der deutschen Grenze dicht, womit die Rohstoffbeschaffung unterbrochen wurde, und die sich steigernde Inflation behinderte die Umsatzentwicklung. In den nächsten Jahren kam das Holz hauptsächlich aus Finnland und Kanada. Das Werk hatte sich erfolgreich auf die neuen Verhältnisse umgestellt. 1930 betrug die Produktion von Zellstoff 100.000 t und erreichte 1937 ihren Höhepunkt mit der Herstellung von 107 000 t Zellstoff und 13. 000 t Papier. Beschäftigt wurden 1.800 Mitarbeiter. Die Zellstofffabrik war zum wirtschaftlichen Rückgrat der Stadt und des Umlands von Tilsit geworden.
Der zweite Weltkrieg schlug dem Werk tiefe Wunden. Große Teile der Anlagen wurden durch Spreng- und Brandbomben beschädigt, dennoch arbeitete die Fabrik bis zum Jahre 1944 weiter. Die Zellstoffanlagen wurden endgültig am 27.8.1944 durch Bombenbewurf zerstört.[1]
Nach dem 2. Weltkrieg bauten die Sowjets die Werksanlagen wieder auf und machten die Zellstofffabrik erneut zum größten Arbeitgeber der Stadt – bis 1991 die Wende kam. Die Zellstofffabrik wurde privatisiert, musste aber die Produktion erheblich drosseln. Die Herstellung von Zellstoff wurde eingestellt, die Papierfabrik senkte ihre Auslastung auf ein Drittel. Alternativ wurden jetzt hauptsächlich Tapeten fabriziert. Das Zellstoffwerk schleppte sich in den nächsten Jahren mühsam über die Runden, doch 2000 gelang es einem neuen Generaldirektor, einen Weg aus der Krise zu finden. Die Produktionsmengen stiegen wieder an. Zellstoff wurde nach Griechenland, Italien und England geliefert, Druckpapier nach Polen und Litauen, und 2000 Belegschaftsmitglieder fanden wieder bezahlte Arbeit. 2004 erreichte man eine Produktionsmenge von 70.000 t Zellulose und 20.000 t Papier mit 2.280 Mitarbeitern. Doch die Blüte währte nur kurz. 2008 zerstörte ein Großbrand die Produktionsanlagen. Die Zelluloseherstellung musste ganz eingestellt werden. Die weltweite Finanzkrise brachte zusätzliche Erschwernisse. 2010 war die Zellstofffabrik bankrott.
Die Ära des Großunternehmens war damit abgeschlossen, doch insbesondere seit 2000 erlebte Tilsit die Gründung von kleinen und mittleren Unternehmen, von denen sich einige gut im Markt behaupten konnten. Dazu gehört die litauische Firma Vicziuai-Rus, die 2002 mit einem Investitionsvolumen von 20 Mio $ eine Fabrik zur Herstellung von geräucherten Krabbenstäbchen aufnahm. Die Mutterfirma, die Unternehmensgruppe Viciunai, betreibt zahlreiche Betriebe im Baltikum und ist bekannt für die Herstellung von Fischspezialitäten. Im ersten Anlauf produzierten 450 Mitarbeiter 60 t pro Tag. 2004 erreichte man schon 100 t /Tag, Begleitet von Sortimentserweiterungen beschäftige das Unternehmen 2010 etwa: 1.400 Mitarbeiter und stieg zum neuen größten Arbeitgeber der Stadt auf.
Aber auch kleinere Unternehmen trugen zur wirtschaftlichen Fortentwicklung Tilsits bei. So starteten im Jahr 2000 die litauisch-dänische Szwitis GmbH die Produktion von Kindertrikotagen auf japanischen Maschinen und die Schwezlit GmbH, ein Zusammenschluss der litauischen Firma Edmuntas & Co. und des belgischen Handelsunternehmens Inbeleau, die Produktion von Damenoberbekleidung. Die Getränkefirma Sowlit produziert 22 verschiedene Erfrischungsgetränke, vor allem das Mineralwasser “Tilsitskaja”, die Firma Sota stellt Schlafzimmer- und Anbaumöbel her. Mehrere Unternehmen befassen sich mit der Strumpfproduktion. So etablierte sich 2001 die Strumpfwarenfirma Taisa-Plus GmbH und stellt etwa 300.000 Strumpfhosen monatlich her. Die Firma Baltik-Kabel nahm 2001 die Herstellung von Montagekabeln mit modernsten Maschinen auf. Im Einzelhandel entstand das Handelszentrums Iwan-Stroi mit Baumarkt, Elektronikfirma, Möbelhaus u. a.. Bereits 2000 eröffnete das Kaufhaus Sadko in bester Citylage den Supermarkt “Baltika”.[2]
Ein besonderer Bereich wird die Wiederbelebung Tilsits als Standort für die Herstellung von Tilsiter Käse sein. 2009 wurde eine diesbezügliche Vereinbarung zwischen der Stadt Sowjetsk und einem Käsefabrikanten aus Tilsit in der Schweizer geschlossen. Dazu siehe das nächste Kapitel.
Als Großunternehmen sollte zukünftig das Kernkraftwerk “Baltiskaja”, für das am 25. 2. 2010 der Grundstein nahe Tilsit gelegt wurde, als Arbeitgeber die ganze Region dominieren