Trakehner Pferdezucht

Seit Beginn der Ordenszeit gab es zwei Pferderassen:
– das aus dem Westen mitgebrachte schwere Pferd für den gepanzerten Ritter, wohl dänischen oder holsteinischen und thüringischen Ursprungs, das man später zum kräftigen Bauernpferd  und unter Kaltblutzufuhr zum berühmten Ermländer weiterentwickelte
– das leichte Pferd der Prußen, die Schweiken, die aus dem ostpreußischen Wildpferd hervorgingen und unter Vollblutzufuhr zum berühmten Trakehner Warmblutpferd ausgebildet wurden. Das ostpreußische Wildpferd war von den Prußen gezähmt und als Acker- und Reitpferd verwendet worden. Es zeichnete sich durch Anspruchslosigkeit, Treue, Härte und große Belastbarkeit bei Dauerleistungen aus (so Dr. Hans Bloech).

Ziel des von Friedrich Wilhelm I. 1732 in Trakehnen gegründeten Gestüts sollte sein, die aus der Ordenszeit überkommenen Stämme der Schweiken weiterzuzüchten. 

Gezüchtet wurde das edle Reitpferd, wobei man einheimische Pferde mit Vollblütern kreuzte. Im Ergebnis entstanden dadurch Halbblüter mit 25 % einheimischem, 25 % arabischem und 50 % englischem Blut. Vollblüter sind eine Kreuzung von arabischen Hengsten mit englischen Stuten. Die Trakehner Tiere sollten kräftig gebaute Gliedmaßen haben mit wohlgeformtem Kopf, schön angesetztem Hals, geradrückigem Körper, länglichrunder Kruppe und mittelbreiter Brust. Sie sollten ausdauernd, schnell und bedürfnislos sein, gelehrig, folgsam und geduldig. Die ostpreußische Halbblutzucht ergab viele hervorragende Rennpferde, die mit den Vollblütern erfolgreich konkurrieren konnten.

Für solch edle Pferde führte der Oberstallmeister Graf Lindenau 1787 die siebenzackige Elchschaufel als Brandzeichen auf dem rechten Hinterschenkel ein für Pferde, die im Hauptgestüt Trakehnen geboren waren. Dieses Brandzeichen wurde 1922 um die doppelte Elchschaufel ergänzt für Pferde aus der ländlichen Zucht, die mütterlicherseits mindestens 4 Generationen Trakehner Abstammung nachweisen konnten. Das Zeichen der siebenzackigen Elchschaufel zierte zusammen mit der Jahreszahl 1732 das Eingangstor zum Landgestüt, und das tut es auch noch heute.

Der Landstallmeister Friedrich Karl v. Below (2. 2. 1750 – 21. 9. 1814), Taufkind Friedrichs des Großen und ab 1789 Landstallmeister in Trakehnen, sorgte dafür, dass das in der Zuchtmischung vorgefundene Blut spanischer und neapolitanischer Pferde ausgesondert und durch Blut englischer und arabischer Pferde ersetzt wurde und legte so die Grundlage für eine einheitliche Zuchtrichtung. Karl v. Below wurde in Nauen, westlich von Berlin, geboren, wo sein Vater in Garnison stand, und wuchs auch dort auf. Er durchlief eine militärische Karriere, u. a. in Riesenburg, bevor er Landstallmeister in Trakehnen wurde.

Sein Nachfolger ab 1814, Wilhelm v. Burgsdorff (3. 3. 1775 in Potsdam – 16. 2. 1849), gilt als einer der bedeutendsten Landstallmeister in Trakehnen. Er sammelte Gestütserfahrung, als er 1801 – 1805 vertretungsweise das Gestüt in Münsterwalde, Westpreußen, leitete. Ab 1808 war er Hauptgestütsstallmeister in Trakehnen und ab 1815 Landstallmeister von Litauen. Auf ihn geht die Einführung der Remonte, in der 3-jährige Pferde für den Aufkauf durch die Armee oder durch ausländische Käufer ausgewählt wurden, zurück.

Im letzten Viertel des 19. Jhs. hatten sich in Trakehnen Probleme mit dem Personal eingestellt. Die Gutsbediensteten und Landarbeiter wurden schlecht bezahlt und mussten überdies in Behausungen noch aus der Zeit des Soldatenkönigs wohnen, die inzwischen als unzumutbar angesehen wurden. Sie waren klein, feucht, kalt und niedrig. Oberlandstallmeister Georg Graf von Lehndorff schätzte diese Situation richtig ein und machte 1895 einen vielseitig begabten und durchsetzungsfähigen Hippologen zum neuen Landstallmeister.

Unter Burchard von Oettingen (1850 – 1923), geboren in Riga als Sohn eines Gutsbesitzers, Gestütsleiter von 1895 – 1911, wurde in Trakehnen eine rege Neubautätigkeit entfaltet. So wurde u. a. nach seinen Vorstellungen auf der Gemarkung Schönwiese von Trakehnen ein besonderes Areal für die Hauptbeschäler eingerichtet. Es bestand aus dem Hauptbeschälerstall mit je 12 Boxen links und rechts, vier Paddocks für jeweils 2 – 3 Hauptbeschäler, zwei Vierfamilienhäusern für die Gestütswärter, ein Einzelhaus für den Stutmeister und ein Einzelhaus für den Assistenten. Hauptbeschälerstall und Paddocks wurden zu Paradestücken von Trakehnen. Von Oettingen war weltläufig, sprach fließend russisch, englisch und französisch und engagierte sich für den Rennsport. Seine Passion brachte ihn dazu, die berühmten Trakehner Jagden und das v. d. Goltz-Querfeldeinrennen zu begründen. 1912 ernannte man ihn zum Oberlandstallmeister. Dieses Amt bekleidete er bis 1920. Von Oettingen war verantwortlich für den Kauf von Perfectionist 1903 in Englang, der in kurzer Zeit bestes Zuchtmaterial lieferte und z. B. Vater von „Tempelhüter“ wurde.

Burchard von Oettingen war es auch, der den Jagdstall bauen ließ und der veranlasste, dass nur Pferde mit hoher Leistungsbereitschaft und gutem Charakter, die den Test mehrfach im Jagdfeld bestanden hatten, zur Zucht zugelassen wurden. Das war für die deutsche Pferdezucht revolutionär.[1]

Sein Nachfolger Kurt Graf von Sponeck (1873 – 1955) stammte ebenfalls aus Kurland und heiratete die Tochter seines Vorgängers, Marissa von Oettingen (1879 – 1969). Er leitete das Trakehner Gestüt von 1911 – 1922. In seine Zeit fiel der 1. Weltkrieg, zu dessen Beginn die Pferde erneut verlagert werden mussten. Sie gingen nach Neustadt/Dosse, Graditz und nach Schlesien und kehrten erst 1919 zurück. Von ihm und von seinem Schwiegervater haben Andenken an Trakehnen überlebt, die heute im Ostpreußen-Museum in Lüneburg ausgestellt sind.

Mit dem Aufkommen der motorisierten Fahrzeuge nahm der Bedarf an Transport- und Arbeitspferden ab und durch den Zwang zur Truppenreduzierung mit dem Versailler Vertrag ging der Bedarf an Remonten für die Armee drastisch zurück. Dafür stieg das Interesse an Pferden für den Sport. Darauf reagierte man auch in Trakehnen. Ab ca. 1920 hatte man sich dermaßen umgestellt, dass sich größere Erfolge im Leistungssport zeigten. In dieser Zeit – von 1922 bis 1931 – war Siegfried Graf von Lehndorff (1869 – 1956), Vater von Hans Graf von Lehndorff, dem Verfasser des Ostpreußischen Tagebuchs, Landstallmeister in Trakehnen. Ihm wurde die Aufgabe gestellt, die begonnene Umzüchtung des hochedlen Trakehners zu einem vielseitigen Gebrauchspferd bei Erhalt des Leistungsvermögens voran zu treiben. Für die Zucht wurden nunmehr nur noch Halbbluthengste herangezogen. Nach dem Zeugnis seiner Zeitgenossen gelang Graf Lehndorff die Umstellung in den nächsten 10 Jahren mit meisterhaftem Geschick. Das neue Pferd entsprach den landwirtschaftlichen Bedürfnissen ebenso wie den Anforderungen der Armee und den Erwartungen der Reiter. Auf Initiative dieses Landstallmeisters wurde 1926 die Hengstprüfungsanstalt in Zwion begründet. Als wesentlicher Vererber erwies sich in jener Zeit der privat gezogene Hengst Dampfroß. Die ausgeprägte sportliche Leistungsfähigkeit der Trakehner Pferde fanden ihre Bestätigung u.a. darin, dass sie häufig als Sieger im schwersten europäischen Hindernisrennen, dem Pardubitzer Steeplechase, in Erscheinung traten.[2] Die Zuchterfolge präsentierte man auch auf der jährlichen Trakehner Herbstjagd, die zeitlich begleitet wurde von der großen Gestütsauktion, auf der die Pferde verkauft wurden, die das Gestüt nicht zur Weiterzucht einsetzen wollte.[3]

Siegfried Graf von Lehndorff quittierte seinen Dienst wegen Meinungsverschiedenheiten mit Oberlandstallmeister Gatermann in der Zentralstelle für die Gestütsbetriebe in Berlin und wurde 1931 an das Landgestüt Braunsberg versetzt.

Unter dem letzten Landstallmeister in Trakehnen, Dr. Ernst Ehlert (1875 – 1957), der vom 1. 9. 1931 – 8. 5. 1945 verantwortlich war, erreichte das Gestüt durch Kauf von vier arabischen Stuten und einigen arabischen Hengsten, darunter den Trakehner Hauptbeschäler Fetysz, ein züchterisches Niveau, das nach Expertenmeinung kaum noch steigerungsfähig war. Dr. Ehlert stammte aus dem Kreis Marienburg und war vorher verantwortlich für die Gestüte in Rastenburg, Labes in Pommern und Braunsberg.

In die Zeit von Landstallmeister Dr. Ehlert fielen die Olympischen Spiele 1936, in denen Trakehnerpferde besonders siegreich waren, was die Ostpreußen mit großem Stolz erfüllte: von insgesamt 9 Pferden, die 7 Medaillen gewannen, waren 5 Trakehner, und zwar Nurmi von Züchter Paul in Rudwangen, Kronos und Absinth von Züchter Rothe in Samonienen, Gimpel von Züchter Todtenhofer in Birkenfeld und Fasan von Züchter Siegfried in Skandlack. Auf die Dressur entfielen dabei zwei Gold- und eine Silbermedaille und in der Großen Vielseitigkeitsprüfung gab es je eine Goldmedaille in der Mannschaft und im Einzelwettbewerb.

Nach dem Stand vom 31. 8, 1944 standen in Trakehnen 20 Hauptbeschäler und 378 Mutterstuten, insgesamt 1.115 Gestütspferde. Das Gestütsareal umfasste 6.021 ha, davon etwa 3.000 ha Acker, 2.500 ha Wiesen und Weiden und 200 ha Wald.  Zum landwirtschaftlichen Betrieb gehörten 450 Warmblut-Arbeitspferde, 150 Zugochsen, 360 Weide- und Masttiere, drei Herdbuchherden mit insgesamt 190 Milchkühen, zwei Schwarzkopfherden mit zusammen ca. 400 Mutterschafen, dazu von der Belegschaft etwa 600 Deputatkühe, 650 – 700 Deputatschafe, etwa 2.000 Schweine und 12.000 Hühner.[4]

Eine umfassende Zusammenstellung von Quellen zur Geschichte der Trakehnerzucht in Vergangenheit und Gegenwart findet sich bei Joachim Rebuschat unter myheimat.de.


[1] Dr. Horst Willer, Trakehnen heute und damals, Heimatbrief Ebenrode (Stallupönen), 2015, S. 129
[2] Trakehnen – ein Pferdeparadies, Begleitheft einer Ausstellung des Kulturzentrums Ostpreußen in Ellingen, S. 23
[3] Sibylle Luise Binder, Ostpreußens Mercedes des 19. Jahrhunderts, PAZ Nr. 26/2017 (30. Juni), S. 11)
[4] Hans-Georg Tautorat, Trakehnen, a.a.O., S. 26