Gründung und Entwicklung der Stadt Barczewo – Wartenburg
Eine interessante Stadt nahe Allenstein, malerisch in die Umgebung von Wäldern und Seen eingebettet, ist Wartenburg, ursprünglich angelegt auf einer Insel im Wadangfluß – Wadag. Der Ort mit dem typisch mittelalterlichen Grundriss erhielt am 6. Juli 1364 von Bischof Johann II. Stryprock (1355 – 1373) die Gründungsurkunde. In dieser Zeit kamen auf Bitten des Bischofs die Franziskaner in die Stadt. Die Ansiedlung der Mönche wurde in der Handfeste verankert, was für das Ordensland einmalig ist. Lokator war Heinrich von Layß, Bruder des Lokators von Allenstein, Johannes von Leysen, die beide aus dem Dorf Layß bei Mehlsack stammten. Die Stadt wurde Hauptort eines bischöflichen Kammeramtes und seine Burg Sitz eines Burggrafen.[1]
Besonders das Fuhrgewerbe gedieh hier. Um es möglichst zu erhalten, verweigerten sich die Einwohner dem Anschluss an das Eisenbahnnetz. Ein Bahnhof entstand deshalb im 2 km entfernten und weitsichtigeren Dorf Reuschhagen.
Der deutsche Name der Stadt hat seinen Ursprung in dem kleinen Ort Wartenburg unweit der Lutherstadt Wittenberg und nahe der Elbe an der Einmündung der Schwarzen Elster. Dieses Dorf spielte in einer späteren Begebenheit eine weitere historische Rolle: In den Freiheitskriegen erzwang hier 1813 General Yorck, der auf preußischer Seite die Konvention von Tauroggen ausgehandelt hatte, im Kampf gegen die Franzosen einen Elbübergang. Zur Belohnung für diesen militärischen Erfolg erhob König Friedrich Wilhelm III. den General in den Grafenstand mit dem Namenszusatz “von Wartenburg”. Einen Yorck-Gedenkstein an der Elbe gibt es nahe Altenzaun bei Werben. Bereits als Oberst sicherte Yorck hier 1806 mit seinen Mittenwalder Jägern den Elbübergang für die vor Napoleon zurückweichende preußische Armee, indem er selbst die Franzosen angriff.
Der polnische Name der Stadt geht zurück auf den Pfarrer Walenty Barczewski, einem um 1900 lebenden Ethnographen, Historiker und Fürsprecher der ermländischen Polen, der sein Amt in Braswald – Braunswalde ausübte.
Im Zuchthaus auf dem Klostergelände saß der “Verderber Ostpreußens”, Erich Koch, zur Strafe ein. Er wurde am 19. Juni 1896 in Elberfeld als Sohn des Werkmeisters Gustav Adolf Koch geboren. Nach einer Kaufmannslehre wurde er Anwärter für den mittleren Dienst der Preußischen Staatseisenbahnen. Am 1. Weltkrieg nahm er als Soldat teil. 1919 wurde er Reichsbahnangestellter, kämpfte aber als Angehöriger eines Freikorps und Mitglied der Brigade Ehrhardt zwischen 1919 und 1921 gegen polnische Freischärler in Oberschlesien. Schon 1922 trat er der NSDAP bei (Mitgliedsnummer 90) und beteiligte sich in der Folge an Widerstandsaktionen gegen die französischen Besatzer im Ruhrgebiet, was ihm verschiedene Gefängnisaufenthalte einbrachte. Nachdm er in Elberfeld eine Ortsgruppe der NSDAP gegründet hatte und seine berufliche Arbeit vernachlässigte, entließ ihn die Reichsbahn. Aufgrund seiner Parteiaktivitäten und seiner Begabung als Redner wurde er zum stellvertretenden Gauleiter des NSDAP-Gaues Ruhr und 1928 zum Gauleiter in Ostpreußen ernannt. 1930 gelangte er in den Reichstag und avancierte unter den Nationalsozialisten 1933 zum Oberpräsidenten von Ostpreußen. 1935 war er in einen parteiinternen Machtpampf verwickelt, was zu seiner Absetzung führte. Hitler rehabilitierte ihn jedoch und fortan war Koch mächtiger als zuvor. 1941 – 1944 war er zusätzlich Reichskommissar für die Ukraine, führte dort ein Schreckensregiment und presste dieses Land wirtschaftlich brutal aus.
Koch war sich mit Hitler einig, dass jeder Zweifel am Endsieg und jede Vorsorge im Hinblick auf ein Zurückweichen defätistisch und damit kriegsschädigend war und hat es zu verantworten, dass die Bevölkerung des Landes viel zu spät, wenn überhaupt, die Genehmigung zur Flucht erhielt und diese dann unorganisiert und chaotisch unter Verlust sehr vieler Menschenleben und der Aufgabe fast des gesamten Hab und Guts erfolgte. Viele Flüchtlinge wurden von den sowjetischen Truppen überrollt und gerieten in Gefangenschaft und nach Sibirien, wenn sie nicht auf der Stelle den Tod fanden. Mit seiner Weigerung, den Endkampf verloren zu geben und stattdessen mit verbissener Inbrunst auf eine Wende des Schicksals zu hoffen, hat er unsägliches Leid über die ihm anvertraute Bevölkerung gebracht.
Seine eigene Flucht und die seiner engsten Mitarbeiter gestaltete sich recht komfortabel. Der Eisbrecher „Ostpreußen“ stand ihm persönlich zur Verfügung und wartete unter Dampf am Landungssteg in Pillau-Neutief vor seinem Bunker auf seine Befehle. Die gab es am 22. 4. 1945. Seine Entourage – stellvertr. Reichsverteidigungskommissar Dr. Dzubba, Gauinspektor Matthes, SS Obergruppenführer Helbig, Regierungspräsident Dr. Hoffmann und weitere führende Gauleiter und Kreisleiter der NSDAP – fuhren im Schutz der Dunkelheit mit dem Schiff zum Kriegshafen auf der Halbinsel Hela, wohin Koch mit seinem eigenen Fieseler Storch folgte. Von dort fuhr man gemeinsam ins restliche Reich. Am 7. 5 1945 legte das Schiff in Kiel an und alle Nazi-Granden tauchten unter. Aus Erich Koch wurde der Major der Reserve Rolf Berger, und der wohnte unbehelligt als Landarbeiter in der Dachkammer eines Bauernhauses in Hasenmoor bei Hamburg. Doch im Mai 1949 spürten ihn britische Sicherheitsbeamte in seinem Versteck auf und verhafteten ihn. 1950 wurde er an Polen ausgeliefert. Das 1959 gefällte Todesurteil wegen der Tötung von 400.000 Polen, wobei die Opfer in der Ukraine nicht berücksichtigt wurden, vollstreckte man aber wegen angeblicher Krankheit des Verurteilten nie. Man verlegte Erich Koch in das Zuchthaus Wartenburg und hier starb er im 91. Lebensjahr am 12. November 1986.[2]
Für Kochs Raffgier und Skrupellosigkeit ist sein Verhalten nach der Eroberung Polens bezeichnend. Er ließ sich umgehend das seinem Gau angegliederte polnische Landgut Krasne zu einem luxuriösen Herrensitz ausbauen: Allein die Inneneinrichtung, zum Teil aus schwedischem Marmor, verschlang 1,5 Millionen Reichsmark. Da der Teppich für den Festsaal, ein Geschenk Hermann Görings, die Maße des Raumes überstieg, wurde der Saal komplett abgerissen und zum Teppich passend neu errichtet. Die Räume des Herrschaftssitzes ließ Koch mit Kunstwerken aus Museen Kiews und Lembergs ausstatten, die er in seiner Eigenschaft als Reichskommissar für die Ukraine von dort “entlehnt” hatte.
Mit dem berühmten Bernsteinzimmer hatte er ebenfalls eine enge Verbindung. Eigentlich wollte Göring dieses einmalige Kunstwerk für sich haben. Koch setzte sich bei Hitler jedoch mit seinem Plan durch, das Zimmer im Königsberger Schloss aufzubauen. Göring tobte. Im August 1944 wurde das Königsberger Schloss bombardiert, das wie durch ein Wunder unbeschädigte Bernsteinzimmer wurde in Kisten verpackt und im Schlosskeller eingelagert. Am 12. Januar 1945 beschloss man, es nach Sachsen zu evakuieren. Danach verliert sich die Spur. Man hat vielfach versucht, von Koch nähere Details über den Verbleib des Bernsteinzimmers zu erfahren. Er schwieg sich jedoch darüber aus oder stellte nicht erfüllbare Bedingungen für die Preisgabe seines Wissens. Dabei ist dem alten Gauner durchaus zuzutrauen, dass er überhaupt keine Ahnung von der Vernichtung oder dem Versteck des Bernsteinzimmers hatte.