Wehlau

Geschichte der Stadt Snamensk – Wehlau

Der Kreis Wehlau liegt im westlichen Nadrauen an der Grenze zu Natangen. Das Land war schon zur Jungsteinzeit von Menschen besiedelt, die zur baltischen Völkergruppe der Indogermanen gehörten, wie Ausgrabungsfunde belegen. Zu noch prußischer Zeit, als der Orden sich anschickte, diesen östlichen Landstrich zu erobern, existierte 2 km flussabwärts bei Alt Wehlau auf einer von Alle und Pregel umflossenen Insel nahe dem rechten Pregelufer eine mächtige Wehranlage mit Namen Wetau oder Wetalo oder Wilow (= Wasserburg), die erste gegen den Deutschen Orden neu eingerichtete Wehranlage überhaupt. Nach Peter von Dusburg kehrten 1255 Nadrauer, Sudauer und Schalauer aus dem Samland zurück, wo sie geplündert und getötet hatten. Auf ihrem weiteren Rückzug ließen sie in Wetau eine Burgbesatzung unter dem Burghauptmann Tirsko und seinem Sohn Maudelus oder Mandelo zurück. Als der Orden vom gerade gegründeten Königsberg aus 1255 oder 1256 die Burg belagerte, übergab Tirsko die Wehranlage nach entsprechenden Verhandlungen dem Orden kampflos und trat mit der gesamten Burgbesatzung zum Christentum über.

Der Orden baute die Burg nach seinen Gesichtspunkten aus. 1263/1264 wurde die Burg acht Tage lang vergeblich belagert, aber letztlich gelang es 1280 oder 1281 den Sudauern, die Burg zu zerstören.

Da der Orden die Gründung einer Stadt plante, verlegte er die Burg daraufhin an die Stelle, wo die Alle in den Pregel mündet. Hier entstand sie in mehreren Baustufen zum Ende des 13. Jhs. In der 1. Hälfte des 14. Jhs. begann der massive Ausbau in Stein, aber 1349 – 1351 errichtete man anstelle der Burg ein Franziskanerkloster und von der Burg wurden kaum noch Reste überliefert. 1826 hielt ein Festungsoffizier, der die Burgen Ostpreußens untersuchte, fest, dass es lediglich noch einen Keller unter dem seinerzeitigen Brauhaus gab. Das Franziskanerkloster und das 1447 gegründete Bernhardinerkloster mussten in der Reformation ihre Pforten schließen.

Eine erste Ansiedlung nordwestlich der Burg wurde vermutlich 1323 von den Litauern zerstört, doch der Ordensmarschall ordnete den zügigen Wiederaufbau an. Die neue Siedlung am Zusammenfluss von Alle und Pregel erhielt am 15. Januar 1336 die Handfeste und bereits 1339 unter Hochmeister Dietrich von Altenburg die Stadtrechte einschließlich des Marktrechts und des Rechts, einem geeigneten und gebildeten Mann die Schule zu übertragen. Lokator war Gottfried Hundertmark, der vom Ordensmarschall Heinrich Dusemer aus Königsberg „mit Zustimmung und Willen“ des Hochmeisters Dietrich von Alterburg das Erbschulzenamt erhielt. Deshalb gilt dieses Jahr als Gründungsdatum von Wehlau und man feierte 1986 in Syke das 650jährige Bestehen. Die Anlage der Stadt gilt als Musterbeispiel für eine ordenszeitliche Städteanlage.

1347 wurde die zunächst unbefestigte Stadt samt Kirche und Burg von den Litauern unter der Führung von Fürst Kynstut eingeäschert. Als Folge dieses Übergriffs legte man seit ca. 1350 unter Winrich von Kniprode die Stadtbefestigung samt 4 Mauertürmen an, von denen als vorletztes der „Hohe Turm“ 1816 abgebrochen wurde. Das wehrhafte Stein- oder Alletor überstand die Zeit, wurde allerdings 1863 im Oberbau verändert.

Als Ausdruck des Dankes für den Sieg über die Litauer an der Strebe genehmigte Heinrich Dusemer 1349 ähnlich wie in Königsberg die Gründung eines Klosters, hier eines Franziskanerklosters. Der Bau wurde 1351 unter Winrich von Kniprode auf dem Gelände der zerstörten Ordensburg vollendet. Auf einer vorgelagerten Alleinsel im Westen von Wehlau vor dem Alletor jenseits der Alle baute man 1437 die St. Georgskapelle und dazu 1477 ein Kloster, das von Mönchen der Observanten geführt wurde. Dieses Letztere wurde bereits 1520 während des Reiterkrieges auf Befehl von Hochmeisters Albrecht wieder abgebrochen, damit sich dort keine feindlichen polnischen Militäreinheiten festsetzen konnten, während das ältere Mönchskloster im Zuge der Reformation aufgelöst und sein Gelände zur Bebauung freigegeben wurde. Die Mönche verließen Wehlau damals.

Aus der Anfangszeit gab es das an die Westmauer angelehnte Witoldsche Haus mit 2 Staffelgiebeln, das zweite Haus nördlich des Steintores, erbaut zwischen 1350 und 1360. Es war das älteste Gebäude der Stadt, aus Stein gebaut. Es überlebte so trotz der verschiedenartigsten Nutzungen die Wechselfälle der folgenden Jahrhunderte. In ihm wohnte von 1362 bis zu seinem Tod Woidat oder Waydoth, der bekehrte Sohn von Fürst Kynstut, der während der Belagerung Kownows (Kaunas, Kauen) zum Orden übergelaufen war und den christlichen Glauben angenommen hatte. Der Name des Hauses ist aber möglicherweise falsch, denn Witold war ein anderer Sohn Kynstuts, der nach der Ermordung seines Vaters durch Jagiello, des späteren Königs von Polen, Großfürst von Litauen wurde.
In der letzten deutschen Zeit befand sich im Haus das Finanzamt.

Da sich Wehlau offenbar gut entwickelt hatte, wurde von der Bürgerschaft 1402 auf Gemeindeland das deutsche Dorf „Bürgersdorf“, heute Gordoje, angelegt, auf dem die Scheunen der Ackerbürger ihren Platz fanden. Der Rat der Stadt, also die Selbstverwaltung der Gemeinde, ist erstmals für 1407 bezeugt. Als die Baugrundstücke der Stadt aufgebraucht waren, wurde noch während der Ordenszeit vor den Toren der Stadt eine neue Siedlung angelegt, die später den Namen „Freiheit“ erhielt. Diese besaß immerhin noch 1692 ein eigenes Schulzenamt und eine eigene Verwaltung. In den letzten Jahren ist Bürgersdorf durch eine Neubausiedlung beiderseits des Friedhofs bis zur Landstrasse Wehlau – Kl . Nuhr – Allenburg erweitert worden, wobei Häuser Dächer aus Wellasbest aufweisen. Der Friedhof ist überwuchert.[1]

Am 27. Juli 1450 nahm Hochmeister Ludwig von Erlichshausen den Huldigungseid der Stadt entgegen. Dennoch trat Wehlau 1454 dem Preußischen Bund bei und wurde daraufhin 1460 von Ordenstruppen unter Führung des Hochmeisters belagert, ausgehungert und eingenommen. In dieser Zeit entstanden im Osten und Süden der Stadt die Wehlauer Schanzen.

Die Reformation hielt nach Pfingsten 1524 ihren Einzug in die Stadt. Erster evangelischer Geistlicher war Johann Röder.

Seit der Herzogszeit unterstand die Stadt dem Amtshauptmann in Tapiau. In den 1530er Jahren entstand vor der Stadt die „Große Vorstadt“ samt Töpferei, in der ersten Hälfte des 17. Jhs. kam die „Neustadt am Kloster“ später die „Kleine Vorstadt” genannt, hinzu. 1540 zerstörte eine Feuersbrunst etliche Gebäude, auch das Rathaus, das erst 1555 wieder hergestellt war. Danach war es verboten, Hausdächer mit Stroh zu decken. 1561 erhielt Wehlau ein eigenes Stapelrecht und entwickelte sich sehr bald zu einem wichtigen Umschlagplatz für Getreide. Ab dem gleichen Zeitpunkt wurde vor dem Alletor Ende Juli der Jacobimarkt abgehalten, ein Vorläufer des späteren Pferdemarktes. Im prosperierenden Handwerksbereich waren die Leinenweber stark vertreten, außerdem gab es die Schneider, Töpfer, Mälzenbrauer, Schuster und Schmiede. Gegen Ende des 16. Jhs. wurde die muntere wirtschaftliche Entwicklung allerdings durch die zunehmende Konkurrenz von Insterburg, die die Wehlauer teilweise als unlauter erlebten, gebremst. In dieser Zeit machten die Brücken und Stege, alle aus Holz, wegen ihres schlechten Zustands dem Magistrat Sorge. Vor allem für Fuhrwerke war es gefährlich, die Lange Brücke über den Pregel, die Allebrücke, die Gewölbte Brücke vor den Scheunen oder die Brücken über verschiedene Gräben zu passieren. Daher stammte das geflügelte Wort: „Wer nicht wagt, kommt nicht nach Wehlau“.

Eine höhere Stadtschule wurde bereits 1339 gegründet, in der Reformationszeit gefolgt von einerLateinschule 1537, die bereits in den 1560er Jahren zu den ansehnlichsten Lehranstalten in Preußen gehörte, die zahlreiche Schüler auf das Studium an der Albertina vorbereitete und ihre Blüte unter ihrem Leiter Jakob Reese (1690 – 1739) erlebte.

Seit 1574 war Wehlau Sitz des Erzpriesters, dem auch die Schulinspektion oblag. Das Schulhaus wurde 1612 durch einen massiven Neubau ersetzt. Hinzu kam eine private Mädchenschule, die für 1624/25 nachweisbar ist. Diese Mädchenschule wurde 1756 von 89 Schülerinnen besucht. Das Bildungsangebot wurde 1739 durch die vom Kavalleriekapitän Dreher gestiftete Einrichtung einerArmenschule ergänzt.

Doch trotz der progressiven Bildungsinstitution grassierte noch der mittelalterliche Hexenwahn. So wurde 1591 eine Frau enthauptet, weil sie angeblich den ihr missliebigen Brauern durch Zauberei das Bier verdorben hatte. Andererseits florierte das gesellschaftliche Leben. Dafür wurde 1594 im Keller des ehemaligen Klosters an der Stadtmauer die erste Kegelbahn eingerichtet. 1724 erwarb die Stadt den Platz des ehemaligen Klosters von der Kirche und ermöglichte in den Kellergewölben die Einrichtung einer Malzdarre und darüber den Bau einer Brauerei.

Herzog Albrecht wurde eine ausgeprägte Vorliebe für Wehlau nachgesagt. Während des 2. schwedisch-polnischen Krieges 1656 – 1660 wurde am 19. 9.1657 – bald nach dem Tatareneinfall in Ostpreußen – im Rathaus von Wehlau der Vertrag zwischen dem Großen Kurfürsten und dem König von Polen unterzeichnet, der Preußen von der Lehensabhängigkeit zu Polen befreite und der dann im Frieden von Oliva am 3. 5. 1660 international bestätigt wurde. Vermittler für diesen Friedensvertrag war der kaiserliche Gesandte Franz Freiherr von Lisola, der auf polnischer Seite den Krieg gegen Schweden begleitete und Friedrich Wilhelm aus der gegnerischen Front herausbrechen wollte. Er erreichte zunächst, dass am 22. August 1657 in Wirballen, wo die polnische Armee ihr Hauptquartier hatte, ein Waffenstillstand vereinbart wurde. Es folgten Geheimverhandlungen, die teilweise auf gemeinsamen Jagden in den umliegenden Wäldern geführt wurden – auch damals schon ein bewährtes Umfeld, um Kompromisse zu finden. Am 13. September erzielte man den Durchbruch, der dann am 19. September zum zunächst noch geheim gehaltenen Separatfrieden führte. Die Souveränität Preußens wurde von Polen in den Grenzen von vor dem Krieg anerkannt, also ohne das Ermland. Zur Kompensation trat König Johann Kasimir die Lande Lauenburg und Bütow an Friedrich Wilhelm ab und verpfändete ihm Elbing.[2]

Das Rathaus, entstanden 1380 – 1382, war in seinen Grundmauern eines der ältesten Rathäuser Ostpreußens, existiert aber seit dem 2. Weltkrieg nicht mehr.

Am 21. Mai 1659 waren die Wehlauer von einem großen Scheunenbrand betroffen, der durch einen Blitzeinschlag ausgelöst worden war und der fast alle Scheunen einäscherte. Eine Feuersbrunst vernichtete am 15. Mai 1673 einen Teil der im entstehen begriffenen Großen Vorstadt. Am 9. Mai 1677 traf der Blitz den Kirchturm, der durch das dabei entstehende Feuer mitsamt den drei Glocken vernichtet wurde und die Orgel beschädigte. Der Mai war offensichtlich ein Gefahrenmonat.

Das Militär brachte für Wehlau nicht nur günstige Folgen. Als der Ort 1678 erste Einquartierungen erhielt, war das noch positiv. Doch bereits ein Jahr später besetzten schwedische Soldaten die Stadt, ebenso wie 1757 die russischen und, verbunden mit massiven Plünderungen, 1807 die französischen Soldaten. Als Garnisonsstadt kann man Wehlau aber erst seit 1718 bezeichnen. Auf dem nahen Gelände des Vorwerks Petersdorf fanden seit 1740 im Juni die großen Revuen der neun ostpreußischen Kavallerie-Regimenter statt. Friedrich der Große ließ sich hier ein schlichtes Fachwerkhaus für seinen – insgesamt raren – Aufenthalt bauen. Der spätere Feldmarschall v. Wrangel kam als 12jähriger durch seinen Onkel, den Landstallmeister v. Below-Trakehnen, 1797 zu den Wuthenow-Dragonern in Wehlau. Sein älterer Regimentskamerad Gottlieb v. Platen, der „tolle Platen“, berühmt für seine waghalsigen Reiterkunststücke und Held unzähliger Anekdoten aus den Freiheitskriegen, war ebenfalls zeitweilig in Wehlau stationiert. 1882 war die Garnisonszeit für Wehlau vorbei.

1699 richtete man in Wehlau eine Station für die „Reitende Post“ ein, die regelmäßig zweimal wöchentlich Briefe von Königsberg nach Insterburg und Ragnit und wieder zurück beförderte.

Die Große Pest von Juni bis November 1710 forderte in Wehlau 1.653, nach einer anderen Meldung 1.850 Menschenleben. Im Zuge des Retablissements ließen sich in Wehlau 230 Salzburger Flüchtlinge nieder.

Die weitere Entwicklung der Stadt war neben der Erholung von der Entvölkerung weiterhin von der Konkurrenz zu Insterburg gekennzeichnet, die sich vor allem bei der Bierproduktion und dem Verkauf des Biers nicht korrekt an die geltenden Regeln gehalten haben soll. Ein Beitrag zur Prosperität brachte der Bau eines großen Wassermühlenwerkes auf der Pinnau an der Alle 1763 – 1766 durch den Königsberger Kaufmann Johann Caspar Dittrich, der als Privileg seine Ware auf direktem Schiffsweg ohne Umladung in Königsberg nach Pillau verfrachten durfte. Dieser Mühlenbetrieb wurde der zweitgrößte in Ostpreußen und größter Arbeitgeber der Stadt. In etwa derselben Zeit entstand das Speicherviertel von Wehlau neben dem Rossmarkt, das später unter Denkmalschutz gestellt wurde. Auch ein Jude nahm an der wirtschaftlichen Entwicklung der Stadt Anteil: David Levin mit Familie und Gesinde ließ sich 1770 in Wehlau nieder und durfte hier „einen offenen Laden“ halten. Insgesamt nahm die Bedeutung von Wehlau stetig zu.

Eine Anekdote ist vom Erzpriester Göritz überliefert, der in jener Zeit von 1705 bis 1752 in Wehlau amtierte. Mit zunehmendem Alter wurde er immer zögerlicher, die Konfirmanden einzusegnen. Die Einsegnung war aber Bedingung, wenn man ein Handwerk erlernen wollte. Schließlich fassten sich einige Jugendliche ein Herz und überreichten König Friedrich II. anlässlich einer Revue im nahen Petersdorf eine Petition, in der sie ihr Leid klagten. Erzpriester Göritz wurde umgehend abberufen.

König Friedrich Wilhelm und Luise hielten sich auf ihrer Flucht vor Napoleon 1806 einige Tage in Wehlau auf, wo sie im Haus des Stadtkämmerers Fichtner, dem späteren Kreishaus, logierten. Nach dem Remi bei Friedland am 14. Juni 1807 zog das russische Militär aus Wehlau ab, wobei die wesentlichen Brücken zerstört wurden. Am 16. Juni kamen die Franzosen und wenig später Napoleon in die Stadt und als Napoleon zur Verfolgung der Russen weiter zog, plünderte die französische Besatzung die Stadt ausgiebig. Es folgten Teuerung, Hungersnot und eine Ruhrepidemie, die an die 500 Menschen (von ca. 2.700) das Leben kostete.

1811 wurde die Gewerbefreiheit erklärt. Damit entfiel die wirtschaftliche Bedeutung der Zünfte und die Juden durften Bürger werden und jetzt allgemein einem Gewerbe nachgehen. Bis 1816 kamen durch diese neue Entwicklung 20 Juden in die Stadt, um hier Handel mit dem Hinterland und mit den Nachbarstädten zu treiben. 1846 gab es unter den 3.584 Einwohnern von Wehlau 30 Katholiken, aber 53 Juden.

1818 wurde Wehlau zur Kreisstadt mit Sitz des Landrats bestimmt, wobei Tapiau sich nun unterordnen musste. Diese Konstellation war lange Zeit nicht sicher. Zunächst hatte man geplant, Tapiau zum Mittelpunkt eines Kreises zu machen, der mit Gebieten des Kreises Labiau noch arrondiert werden sollte, um Wehlau dem Kreis Friedland zuzuschlagen. Diese Planung setzte sich jedoch nicht durch.[3]

Die Stadt entwickelte sich kontinuierlich weiter. 1831 wurde eine Höhere Töchterschule eröffnet. 1834 erhielten die Hauptstraßen eine mit Öl gespeiste Straßenbeleuchtung. Später gab es Petroleum als Brennstoff, aber erst 1902 ersetzte man die 52 Petroleumlaternen durch gasbetriebene Lampen. Am 25. 1. 1836 feierte man das 500jährige Stadtjubiläum. Am 20. Oktober 1842 wurde das neue, dreistöckige Gebäude der Lateinischen Stadtschule eingeweiht. Am 1. September 1852 nahm die älteste ostpreußische Provinzial-Heil- und Pflegeanstalt für Geisteskranke in Allenberg bei Wehlau ihren Betrieb auf. Die Eisenbahnlinie Königsberg – Eydtkuhnen passierte Wehlau und am 4. Juni 1862 lief der erste Zug im neuen Bahnhof ein, der allerdings 2 km vor der Stadt lag.

Als ein Eisgang die hölzerne Allebrücke zerstörte, ersetzte man diesen Übergang durch eine Brücke in massiver Eisenkonstruktion und weihte sie am 26. August 1872 feierlich ein. Der massive Bau der Langen Brücke folgte am 11. Dezember 1880.

1874 erhielt Wehlau zur besseren Unterbringung der Feuerlöschgeräte ein Spritzenhaus und 1883 gründete man die Freiwillige Feuerwehr, wobei man die Feuerwehrmänner mit einheitlichen Uniformen ausstattete.

Die Garnison wurde 1882 nach Königsberg zurückverlegt, wodurch Wehlau nicht länger Garnisonsstadt blieb. Der Schlachthof ging im Sommer 1887 in Betrieb. 1892 wurde das Städtische Krankenhaus eingeweiht.

1884 legte man die Elementarschule mit der Armenschule in einem neuen Schulgebäude in der Neustadt zusammen, aus der 1896 die Volksschule hervor ging. Die Mädchenschule zog in diesem Zeitpunkt in das bisherige Haus der Elementarschule.

Der Erholung der Wehlauer sollte der Stadtpark „Glumsberg“ dienen, den die Stadtverwaltung 1885 auf dem Gelände der ehemaligen Ziegelei anlegte. Das Schulfest am Sedanstag, das Sängerfest, das Schützenfest und die Schießübungen des Schützenvereins fanden dort statt. Auf einem dort 1893 entstandenen Lokal versprach ein Aushang:

Schlug Wunden Dir ein Tag zu Haus,
der Glumsberg heilt sie alle aus.

Als allseits geschätzte Sozialeinrichtung der Kirchengemeinde Wehlau weihte man am 1. Oktober 1903 eine Fürsorge-Erziehungsanstalt für schulentlassene Jungen ein, aus der das „Provinzial-Erziehungsheim Altwalde“ hervorging. Das Heim nahm an die 100 schulentlassene Zöglinge auf. In 5 Handwerksbetrieben und im landwirtschaftlichen Gut Altwalde, ergänzt um das Gut Senklerkrug mit einer Fläche von etwa 170 ha, wurden sie als Lehrlinge ausgebildet. Die unter 18jährigen erhielten einen Fortbildungsunterricht in 7 Fächern. Der von den Zöglingen gegründete Sportverein „Natangia“ nahm an vielen Wettkämpfen im Kreisgebiet und darüber hinaus teil. Leiter des Gutes Altwalde 1916 – 1945 war Pfarrer Otto Meyhöfer, der den Anstaltsbetrieb entschieden modernisierte und in zeitgemäße pädagogische Leitbilder einpasste. Unter seiner Verwaltung wurden aber auch oft gute Bullen zu Zuchtviehauktionen gegeben. Neben der vorbildlichen Landwirtschaft mit Herdbuchvieh und Schweinehaltung und der beispielhaften Lehrlingsausbildung bis zur Gesellenprüfung gab es eine Meierei und eine Gärtnerei. Auf dem Gelände der Anstalt befand sich die mächtige, 400 Jahre alte Senklerkrüger „Siebenbrüderlinde“ mit einem Stammumfang von 9,50 Metern, 1920 unter Naturschutz gestellt.[4]

Nach Fertigstellung der Bahnlinie Wehlau – Allenburg – Friedland 1910 wurde Wehlau zu einem kleinen Eisenbahnknotenpunkt. Noch kurz vor dem 1. Weltkrieg erhielt Wehlau 1913 eine moderne Wasserleitung.

Im 1. Weltkrieg wurden am 24. August 1914 die städtische Verwaltung aufgelöst, die öffentlichen Kassen in Sicherheit gebracht, das Landratsamt verlegt, der Schulunterricht eingestellt und in der Folge die wichtigsten Brücken gesprengt. Am 26. August rückten die Russen ein. Aber der Buchdruckereibesitzer Richard Scheffler konnte als kommissarischer Bürgermeister während der relativ kurzen Zeit der russischen Besetzung verhindern, dass der Stadt größerer Schaden entstand. Am 10. September war der Spuk vorbei.

Nach dem 1. Weltkrieg ging die Entwicklung Wehlaus weiter. Durch den wachsenden Straßenverkehr war das Steintor zum Hindernis geworden. Um es nicht abreißen zu müssen, erwarb die Stadt das Nachbargrundstück und baute eine Umgehungsstraße.

Neben den Pinnau-Mühlen, die inzwischen noch mit einer Papierfabrik verbunden waren, gab es eine weitere Papierfabrik und ein Margarinewerk. Allerdings gelang es der Stadtverwaltung nicht, noch weitere Industriebetriebe in die Stadt zu holen, was wohl auch an der Abtrennung Ostpreußens vom Reich lag. Der Pferdemarkt war dagegen noch erfolgreicher. Die Einwohnerzahl betrug 1925 fast 5.500 Personen, durch Eingemeindung drei Jahre später 8.000. 1927 wurde der Schlachthof umgebaut und erweitert. Der Jacobimarkt erlebte eine letzte Blüte. Die Anstalt Allenberg erhöhte durch Erweiterungs- und Neubauten ihre Kapazität auf 1.400 Kranke. Am 16. November 1929 feierte die staatliche Deutschordensschule den Einzug in ihren Neubau in der Richardstrasse. Die Schulbildung besaß in Wehlau einen hohen Stellenwert. Im 16. Jh. zählte sie zu den ansehnlichsten Schulen in Preußen, von etwa 1700 bis 1810 durfte die Schule die geeigneten Schüler unmittelbar an die Universität entlassen. 1842 entstand anstelle des abgebrochenen alten Schulgebäudes östlich von der Jacobikirche eine neues dreistöckiges Schulhaus, das ab 1881 als Städtisches Gymnasium bezeichnet wurde, ab 1882 als – staatliches – Königliches Gymnasium. Mit dem Neubau wurde die Schule zum Neusprachlichen Gymnasium und galt als eine der modernsten und schönsten Schulen der Provinz. Im Juli 1944 machte man das Gebäude zum Lazarett, in dem nach dem Einmarsch der Sowjets auch die verletzten Soldaten der Roten Armee versorgt werden konnten.[5]

Am 20. Dezember 1929 wurde das Speicherviertel am Rossmarkt unter Denkmalschutz gestellt und 1936 eröffnete man neben dem Steintor das Kreisheimatmuseum. Ebenfalls 1936 feierte man das 600jährige Stadtjubiläum. Die Pinnau-Mühlen, die Papierfabrik und das Margarinewerk stellten nach 1990 den Betrieb ein.[6]

Im Kreis Wehlau gab es eine Zeit lang eine Kleinbahn, die von Labiau über Groß und Klein Kuglack nach Goldbach im nördlichen Kreisgebiet führte. Sie florierte jedoch zunehmend weniger, so dass sie um 1930 eingestellt wurde.

Die Judenfeindlichkeit der Nazis machte auch vor Wehlau nicht halt. Die kleine jüdische Gemeinde stellte noch um die Jahrhundertwende einen Stadtverordneten, doch die Anzahl der jüdischen Geschäfte nahm schon in der Zeit nach dem 1. Weltkrieg stetig ab. Mit der Machtergreifung der Nazis nahmen Boykott jüdischer Geschäfte und Demütigung jüdischer Mitbürger ihren bekannten Verlauf. Der jüdische Friedhof in der Parkstrasse wurde in der Reichspogromnacht geschändet. Auch die restlichen, mit dem Stern gekennzeichneten jüdischen Mitbürger verschwanden aus dem Stadtbild, ohne dass man auf Informationen über ihr Schicksal stößt.

Dann kam der 2. Weltkrieg. Im Juni 1940 wurde die Heil- und Pflegeanstalt in Allenberg aufgelöst, die Kranken auf andere Anstalten verteilt und die Räumlichkeiten der Waffen-SS zur Verfügung gestellt. Am 2. Weihnachtsfeiertag 1944 zerstörte eine gewaltige Detonation die massive Brücke über die Alle. Die Behörden arbeiteten noch bis zum 20. Januar 1945. Am 21. Januar vormittags wurde Sturm geläutet und die noch anwesende Bevölkerung zur Flucht aufgerufen. Die Pontonbrücke über die Alle und die Eisenbahnbrücke wurden in der Folge gesprengt, die Sprengung der Langen Brücke dagegen unterblieb, und am 22. Januar kamen die ersten Sowjetsoldaten in Sicht.

Wehlau fiel zunächst fast unbeschädigt in sowjetische Hand, doch Soldaten der deutschen Kampfgruppe Knebel nahmen den Kampf gegen die Eroberer auf. In der Folge wurde Wehlau umfassend zerstört und am 24. Januar von den Sowjets als eingenommen gemeldet. Oberst Knebel, als „Löwe von Wehlau“ bezeichnet, erlitt am selben Tag tödliche Verletzungen, als er, in seinem gepanzerten Fahrzeug aufrecht stehend, in einen Pulk sowjetischer Soldaten hinein fuhr und erhielt posthum das Eichenlaub zum Ritterkreuz. Allerdings berichtet Herr Heinz Rohloff, der sich unmittelbar vor und nach dem Einmarsch der Sowjets in Wehlau aufhielt, dass er von Kampfhandlungen nichts bemerkt hätte (so geschildert in: Heimatbrief Wehlau, Nr. 55, S. 88 – nachzulesen im Internet unter www.kreisgemeinschaft-wehlau.de). Einige Tage später wurde, was blieb, gebrandschatzt. Das Stadtzentrum mit Rathaus und Ordenskirche wurde praktisch ausgelöscht. Das einzige bis 1945 erhaltene Wehlauer Stadttor ging zugrunde: es wurde gesprengt und der Schutt zum Wiederaufbau russischer Städte abtransportiert. Überlebt haben die Deutschordensschule, die Pinnau-Mühlen und die Margarinefabrik, der Wasserturm. Die Margarinefabrik wurde 1998 durch die Birma BIMPEX, Westfalen, wieder in Betrieb genommen. Die Heil- und Pflegeanstalt war stark beschädigt, Schlachthof und Gaswerk existierten nicht mehr. Etliche der zurückgebliebenen Wehlauer wurden nach Russland deportiert.

Wehlau war vollkommen ruiniert, verlor sogar den Status als Stadt und wurde zur „Großgemeinde“ herabgestuft, während man die Regionalverwaltung nach Tapiau verlegte. Aber: seit Dezember 2001 gibt es in Wehlau das „Café Wehlau“ in der kleinen Vorstadt, das auf Besucher einen guten Eindruck machte.[7]

[1] Heimatbrief Wehlau
[2] Manuel Ruoff, Wie Preußen souverän wurde, PAZ Nr. 37/2007, S. I.
[4] Dr. Martin Meyhöfer, Heimatbrief Nr. 67, S. 37
[5] Heimatbrief Wehlau, Nr. 42, S. 35 f
[6] Ilse und Joachim Rudat, Wechselvolles aus über sieben Jahrhunderten, Oprbl. Nr. 14/1998, S. 12
[7] Heimatbrief Wehlau, Nr. 67, .S 66