Willkamm

Das Gut in Willkamm

Das Gut wurde vermutlich auf Veranlassung des Obermarschalls Henning Schindekopf gegründet: am 8 9. 1365 erhielt der Herr auf Skandau, Hinrik Brunsert aus der prußischen Familie v. Bronsart, 12 Hufen Land des späteren Ritterguts Willkamm verschrieben. Der Orden verlieh es 1474 dem aus Kremsmünster in Österreich stammenden Söldner Niclas von Rautter (vor 1438 – nach 1487) und dessen Familie lebte hier bis 1945. Wulf D. Wagner hält die Rautters auf Willkamm für die älteste eingesessene Familie des Kreises Gerdauen, ist aber bezüglich der Gründungsdaten von Willkamm wegen mangelnder Informationen bei der oben dargestellten Version sehr zurückhaltend.[1]

Niclas von Rautter weitete seinen Besitz weiter aus und erwarb dabei auch das Gut in Groß Wolfsdorf, das spätere Dönhofstädt. Hans I. von Rautter, der 1549 bei einem Schlittenunfall ums Leben kam, vererbte Willkamm an seinen Sohn Hans II. (1539 – 1605), während sein Sohn Ludwig (1542 – 1614) Groß Wolfsdorf erhielt. Hans II. hatte zwei Söhne, von denen Albrecht von Rautter (1589 – 1627) Willkamm erbte. Seine Frau Catharina, geborene Burggräfin und Gräfin zu Dohna (1606 – 1659), heiratete nach seinem Tod Magnus Ernst von Dönhoff (1581 – 1642). Catharina erbte durch den frühen Tod ihres Bruders Achatius Graf Dohna die Groß Wolfsdorfschen Güter. Nach ihrem Tod erhielt der Sohn aus erste Ehe, Ludwig von Rautter (1623 – 1665), Willkamm, und der Sohn aus zweiter Ehe, Ernst Graf von Dönhoff, erbte Groß Wolfsdorf, das durch Friedrich von Dönhoff (1639 – 1696) auf Friedrichstein von 1681 bis 1816 in dessen Familie blieb. Der Ehe von Ludwig v. Rautter mit Amalie von Podewils (gest. 1685) entstammte u. a.. Catharina von Rautter, die Philipp de la Chièze auf Rautersburg heiratete und nach dessen frühen Tod 1673 den Bau des kleinen und großen Friedrichsgrabens in der Elchniederung leitete, weshalb sie zu den bedeutendsten Frauen der ostpreußischen Geschichte zählt.

Unter Friedrich Ludwig von Rautter (1759 – 1807) entstand 1797 das repräsentative Gutshaus. Als 1807 die napoleonischen Truppen in Ostpreußen einmarschierten, gab es in Willkamm etliche Verwüstungen und im November auch noch den Tod des Gutsherrn. Sein Sohn Gustav Ludwig Johann von Rautter (1788 – 1814) erbte das Gut. Er fand jedoch in den Freiheitskriegen gegen Napoleon als Hauptmann der Ostpreußischen Landwehr vor Danzig den Tod. Mit ihm starb die Linie von Rautter-Willkamm im Mannesstamm aus. Als 1833 seine erbende Tochter Augusta von Rautter (1813 – 1855) den Otto Bernhardt II. von Pressenthin (1798 – 1855) aus Mecklenburg heiratete, erweiterte der seinen Namen Pressenthin um den Zusatz „genannt von Rautter“. Ihr Enkel Christoph (1858 – 1943), von Kaiser Wilhelm II. zum Kammerherrn ernannt, wurde 1913 im Zuge der Feiern aus Anlass der 100 Jahre zurückliegenden Freiheitskriege in den Grafenstand erhoben und nannte sich seitdem von Rautter-Willkamm. Von seinen 4 Söhnen starben zwei im 1. Weltkrieg und Montague v. Rautter (1907 – 1942) wurde im 2. Weltkrieg bei Dratsevo am Wolkow von Partisanen erschossen. Der überlebende Albrecht v. Rautter (1899 – 1994) wanderte in den 1920er Jahren nach New York aus, konnte ohnehin aber die Bewirtschaftung von Willkamm nach dem Tod des Vaters 1943 nicht mehr übernehmen.

Der Landsitz in Willkamm vermittelte einmal eine Ahnung von Schloss Sanssouci, allerdings ostpreußísch schlicht. Der langgestreckte, einstöckige Bau von 1797, der ein älteres, vermutlich abgebranntes Gebäude ersetzte, hatte Fenster fast bis zum Boden und einen runden Vorbau auf der Mitte der Gartenseite. Die Flügel wurden erst 1925 im Zuge umfassenderer Baumaßnahmen nach Plänen von Baumeister Gemmel aus Gerdauen angebaut, durch die das ganze Haus seine heutige äußere Gestalt erhielt. Im Innern blieb ein Keramik-Kamin erhalten.

Das Gut umfasste eine Fläche von 2.162 ha und gehörte damit zu den größten Gütern Ostpreußens. Hier befand sich eine hervorragende Zucht- und Aufzuchtstätte für Trakehner Hengste und war mit 50 Mutterstuten das zweitgrößte Privatgestüt Ostpreußens. Die Pferdezucht auf Willkamm ging bis auf das erste Drittel des 19. Jhs. zurück und war zunächst stark von Araberblut geprägt. Im 20. Jh. war Willkamm bekannt für seine guten Reitpferde. Der Preußischen Gestütsverwaltung lieferte man eine große Anzahl von Landbeschälern.

Im Januar 1945 machten sich die Bewohner von Willkamm auf die Flucht. Der Gutstreck fiel aber bald auseinander und die einzelnen Familien mussten selbst sehen, wie sich retten konnten, was nicht alle schafften. Die verwitwete Julie Gräfin Rautter (1877 – 1956), eine ungarische oder serbische Adlige und die 2. Freu von Christoph von Rautter, kam durch und ließ sich nach dem Krieg in Jugoslawien nieder.

Nach dem 2. Weltkrieg war im Herrenhaus Militär stationiert und der Bau gehörte dann zu einer landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaft. Jetzt steht er leer, beginnt zu verfallen und wurde von der Staatlichen Agentur für Landwirtschaftliche Immobilien zum Verkauf angeboten (Stand 2001). 2003 soll der Bremer Zahnarzt Prof. Dr. Eike Hemken mit seiner polnischen Frau das Herrenhaus gekauft haben,[2] um hier eine Klinik mit Fortbildungszentrum und Hotel einzurichten.

Details zu Willkamm siehe Wulf D. Wagner „Kultur im ländlichen Ostpreußen – Geschichte, Güter und Menschen im Kreis Gerdauen“, Band II, Husum Verlag 2008, S. 1267 – 1298, sowie Wulf D. Wagner „Stationen einer Krönungsreise – Schlösser und Gutshäuser in Ostpreußen“ (Berlin 2001). Anschrift des Autors: Postfach 212001 in 10514 Berlin, e-mail wulf.wagner@gmx.de



[1] Wulf D. Wagner, Gerdauen I, S. 53 + Gerdauen II, S. 1267

[2] Wulf D. Wagner, Gerdauen, Band I, S. 27