Wischwill

Viešvilė- Wischwill

Wischwill war der kulturelle, kirchliche und ökonomische Mittelpunkt eines großen Areals auf beiden Seiten der Memel. Der Ort gehörte zum Kreis Ragnit, nach dem 1. Weltkrieg zum Landkreis Pogegen und dann von 1939 bis 1945 zum Kreis Tilsit-Ragnit. Die Gemeinde besaß um 1910 über 1.600 Einwohner und verfügte über eine gute Infrastruktur mit Ärzten, Hebammen, einer Apotheke, einer freiwillige Feuerwehr, mit fünf Gasthöfen und einem Hotel mit großem Festsaal, Es gab eine achtklassige Volksschule, eine dreiklassige Gymnasialausbildung und eine Mittelschule. Der Amtsbezirk hatte hier einen Verwaltungsmittelpunkt.

Die Kirche, die älteste im Kreis Pogegen, wurde Mitte des 16. Jhs auf Veranlassung Herzog Albrechts erbaut, der 1517 noch als Hochmeister den Bauplatz ausgesucht haben soll[1], und war bis 1609 mit Insterburg verbunden. 1734 – 1737 wurde eine massive Kirche errichtet. Nach einem Brand 1808, wohl durch einen Blitzschlag, der den Turm vernichtete, errichtete man 1811 die Kirche als massiven Feldsteinbau mit Fachwerkgiebeln, 1895 wurde sie durch einen neuen Turm mit Uhr und Glocken ergänzt.[2] Der Innenraum, an dessen seitlichen Wänden sich Emporen befanden, war einfach ausgestattet. Der Kanzelaltar war ohne künstlerischen Wert, die Orgel ein Bau aus dem Jahre 1822. 1912 fanden umfangreiche Renovierungsarbeiten statt. Letzter Pfarrer war Erich Moser. Die Kirche existiert nicht mehr.

Zu Wischwill gehörte ein Gut, aber auch eine Reihe von großen Betrieben – Wassermühlen, Sägewerke, eine Papierfabrik, ein Walkwerk, eine Messingschmiede. Dadurch erwarb sich Wischwill zeitweise den Ruf des wichtigsten Industriezentrums rechts der Memel, bis die industrielle Revolution große industrielle Zentren in den Ballungsgebieten schuf. Die Sägewerke für die Baumstämme aus den Wischwiller Wäldern hatten bis zum 1. Weltkrieg Konjunktur. So errichtete die Holzindustrie AG Wischwill 1902 ein modernes Sägewerk, das zum größten rechts der Memel wurde. Doch die Papierfabrik geriet mit dem Bau der Zellulose- und Papierfabriken an der Memel ins Hintertreffen und das alte Hammerwerk war bald nicht mehr konkurrenzfähig.[3]

Daneben gab es einige mittelständische Gewerbebetriebe – eine Molkerei, eine Käserei, drei Schmieden, mehrere Tischlereien und Stellmacherbetriebe, einige wichtige Großhandelsbetriebe für Baustoffe und Holz. Dazu passend war Wischwill ein Zentrum der Memelschifffahrt mit großen Lastkähnen und Boydaks.

Wischwill kam mit einigen Blessuren bei erhaltener Substanz über den 2. Weltkrieg, doch in der Sowjetzeit gingen etliche Gebäude und kulturelle Einrichtungen wie Kirchen und Friedhöfe verloren. Neuerdings besinnt man sich aber auf die deutschen Traditionen und versucht, wenn auch architektonisch verfremdet, zu erhalten, was der Sozialismus übrig gelassen hat. Es gibt noch die alte Schule, das ehemalige Gerichtsgebäude (heute ein Kinderheim), Reste vom Anwesen des Forstamtes und einige schöne Bauten entlang der Chaussee, die kleine katholische Kirche und die Gebäude der Molkerei. Die Industriebauten sind dagegen weitgehend verschwunden.

Eine detaillierte Darstellung von Wischwill mit vielen Fotos und Landkarten findet sich unter http://wiki-de.genealogy.net/Wischwill#cite_note-1

Neuerdings ist Wischwill in der Blickpunkt der Archäologen geraten, weil man hier Altertumsobjekte ausgrub, die man mit den Funden in Linkuhnen abgleichen konnte.[4]


[1] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 471
[2] Heinrich A. Kurschat, Das Buch vom Memelland, 2. Aufl. 1990, S. 471
[3] GenWiki
[4] Norbert Goßler, Christoph Jahn „Wikinger und Balten an der Memel. Die Ausgrabungen des frühgeschichtlichen  Gräberfeldes von Linkuhnen in Ostpreußen 1928 – 1939“, Studien zur Siedlungsgeschichte und  Archäologie der Ostseegebiete, Band 16, S. 3

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