Entlang der Ostsee nach Ostpreußen
24.08.2021
Wer entlang der Ostsee mit dem Fahrrad nach Ostpreußen fährt, macht sich nicht nur auf eine Reise durch das heutige Polen, sondern auch auf eine Reise durch die deutsche Geschichte. Die preußische Provinz Ostpreußen, die sich über die heutige Grenze zwischen Polen und Litauen erstreckt, war von 1871 bis 1945 der östlichste Landesteil Deutschlands. Der Adel, der hier lebte, war wohlhabend und besaß große Ländereien, auf denen Getreide und Kartoffeln angebaut und Pferdezucht betrieben wurde.
Die Geschichte Ostpreußens
Ca. zwei Millionen Einwohner lebten um 1900 in diesem östlichsten Zipfel Deutschlands und der Großteil der Bevölkerung lebte von der Landwirtschaft. Die Ostpreußen waren bekannt für den Einsatz moderner Agrar-Techniken, wie beispielsweise Drainagesysteme mit Pumpen und Kanälen, mit deren Hilfe sie Wasser aus der Moorlandschaft für die Landwirtschaft nutzbar machen konnten. Das Resultat waren reichhaltige Ernten, die Ostpreußen bald den Spitznamen “Kornkammer Deutschlands” einbrachte.
Während der Kriege geriet das kleine Gebiet jedoch im wahrsten Sinne des Wortes immer wieder zwischen die Fronten. Im Ersten Weltkrieg wurde Ostpreußen zum Aufmarschgebiet für den deutschen Feldzug gegen Polen und war zeitweise von den Russen besetzt. Nach Kriegsende wurden Deutschland im Versailler Friedensvertrag von 1918 große Teile des Reichs abgesprochen, darunter Danzig, Soldau und das Memelgebiet. Sie wurden dem polnischen Staat übertragen, sodass Ostpreußen von Deutschland getrennt war und zur Exklave wurde. Durch den so entstandenen Korridor war Ostpreußen wirtschaftlich isoliert und vielen Gutshöfen drohte der Bankrott.
Im Zweiten Weltkrieg war Ostpreußen lange die Befehlszentrale für den Ostfeldzug Hitlers, von wo aus dieser bis Ende 1944 seine Truppen führte. Als es der Roten Armee schließlich gelang, bis an die deutsche Ostgrenze vorzudringen, war es der Bevölkerung Ostpreußens verboten, das Gebiet zu verlassen oder zu evakuieren. Als die Rote Armee ein halbes Jahr später durch Ostpreußen hindurch marschierte, mussten viele fliehen und zahlreiche Menschen fielen den Russen zum Opfer.
Ostpreußen mit dem Rad entdecken
Um Ostpreußen mit dem Fahrrad zu entdecken, lohnt es sich, mit dem Zug bis nach Danzig zu fahren, um von dort mit dem Fahrrad weiterzufahren. Die vorgeschlagene Reiseroute nimmt mindestens 5 bis 7 Tage in Anspruch. Es empfiehlt sich immer wieder ein Ferienhaus an der Ostsee oder in der jeweiligen Stadt zu buchen, wenn man ein paar Tage länger bleiben und Stadt und Landschaft erkunden möchte.
1. Station: Kwidzyn – Burg Marienwerder
Von Danzig aus geht es je nach Vorliebe und Fitness in 1–2 Tagesetappen nach Kwidzyn (Marienwerder). Die Strecke beträgt ca. 100 km und führt weg von der Ostseeküste ins Inland und über die Weichsel. Die Burg Marienwerder wurde bereits 1233 erbaut und markierte die dritte Gründung einer Festung durch Ritter des Deutschen Ordens. 1933 feierte die Stadt ihr 700-jähriges Bestehen als “älteste Stadt der reichsdeutschen Ostmark”. Marienwerder überlebte den Zweiten Weltkrieg fast unversehrt, doch 1946 brannte die Stadt nieder. Die Steine wurden für den Wiederaufbau Warschaus benutzt, doch seit den 1990ern wurde die Altstadt wieder aufgebaut und erzählt Besuchern so heute wieder ihre Geschichte. Neben der Burg Marienwerder ist auch der Dom zu Marienwerder sehr sehenswert.
2. Station: Elbing
Von Kwidzyn geht es mitten durch das ehemalige Ostpreußen durch die Ermland-Masuren-Landschaft wieder Richtung Küste. Rund 60 Kilometer sind es mit Fahrrad, eine angenehme Tagesetappe. Schon 890 n. Chr. befand sich dort, wo Elbing heute liegt, eine prußische Siedlung namens Truso. Sie war eines der Seefahrerzentren in der östlichen Ostsee und beheimatete einen Wikingerfriedhof, der 1936 in der Nähe des heutigen Hauptbahnhofs entdeckt wurde. Der deutsche Orden gründete hier 1237 die vierte der Burgen und den ersten Hafen im gerade eroberten Prußenland. Die ersten Siedler kamen aus Lübeck, sodass sich in Elbing das lübische Recht durchsetzte und die Stadt bald eine führende Rolle in der Hanse spielte.
3. Station: Mierzeja Wilana
Zuletzt geht es ca. 40 Kilometer zurück an die Ostküste in die Danziger Bucht. Auch hier sind noch Spuren Ostpreußens zu entdecken, aber vor allem kann man hier die Seele baumeln lassen. Mierzeja Wilana ist ein Landschaftsschutzgebiet auf einer Halbinsel in der Bucht. Mit dem Fahrrad lässt sich die Halbinsel gut erkunden und wer hier noch ein paar ruhige Tage genießen möchte, kann sich ein Ferienhaus an der Ostsee mieten, bevor es wieder zurück nach Deutschland geht.